(Kopenhagen) Was Eingang in die Informationskanäle der großen Nachrichtenagenturen findet, bewegt die Welt. Und die ganze Welt empört sich über die Entscheidung des Kopenhagener Zoos, die Giraffe Marius einschläfern zu lassen. Niemand interessiert sich jedoch dafür, daß Belgien dabei ist, die Euthanasierung von Kindern zu legalisieren.
Die dänische Hauptstadt Kopenhagen steht selten im Mittelpunkt der Weltmedien. Anders liegen die Dinge bei Brüssel, der Hauptstadt Belgiens. Dort amtiert die Europäische Kommission. In der Stadt an der Senne hat das Europäische Parlament einen seiner beiden Standorte, hier mitten in Flandern sitzen der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs und der EU-Ministerrat der EU-Mitgliedsstaaten, doch beim Thema Euthanasie steht Kopenhagen im Rampenlicht der Öffentlichkeit und zwar für Marius. Marius ist eine Giraffe im Zoo von Kopenhagen.
Wie konnte die dänische Zooleitung nur „eine so wunderbare Kreatur euthanasieren und damit einen schockierenden Mangel an Verständnis und Mitleid zeigen“? So lautete der Aufschrei des Umweltblogs des britischen Guardian. Eine große Debatte entbrannte über die Notwendigkeit, das Tier einzuschläfern.
Nein zur Euthanasie für die Giraffe
Die Tierschützer der westlichen Welt sind empört über das Schicksal von Marius. Der Guardian fragte mit lauter Stimme, ob es „nicht eine bessere Option als die Euthanasie“ gegeben hätte. Abgesehen davon, sei die Direktion des Kopenhagener Zoos „herzlos“. Denn Marius war erst 18 Monate alt und war damit „fast noch ein Kind“. Unter solchen Umständen das Giraffen-„Kind“ nicht „geschützt“ zu haben, sei ein „unentschuldbarer“ schwerer Fehler. Die größten Tageszeitungen der Welt setzten die Giraffe Marius ins Bild und teilten die tierschützende Argumentation.
Ja zur Euthanasie für Kinder
Dieselben Medien nahmen keine Notiz davon, daß in der EU-Stadt Brüssel das belgische Parlament dabei ist, die Euthanasie für Kinder einzuführen. Sie nahmen auch nicht Notiz vom Offenen Brief von 161 Ärzten und Kinderärzten, die mit einem Offenen Brief das Parlament aufforderten, „die Euthanasie für Kinder“ nicht zu beschließen. Die Ärzte erinnerten wie die Tierschützer daran, daß es „heute andere Mittel gibt, Schmerzen zu lindern. Kein Kind muß heute mehr leiden, weil wir sehr gut imstande sind, die Schmerzen mit der Palliativmedizin sowohl im Krankenhaus als auch zu Hause zu kontrollieren“.
Ethisches Dilemma? Bei Giraffen ja, bei Kindern nein
Die Giraffe Marius stellte nie einen Antrag auf Euthanasie, könnte man einwenden. Einen solchen Antrag sieht jedoch der Entwurf für das neue Euthanasiegesetz in Belgien vor. Demnach sollte ein dreijähriges Kind den Wunsch äußern, euthanasiert zu werden. Ein Ding der völligen Unmöglichkeit, wie die Kinderärzte in ihrem Offenen Brief betonten. Die Realität werde daher eine ganze andere sein. Andere Menschen werden für das Kind entscheiden. Mit der Gesetzesnovelle ist das Leben eines Menschen in Belgien zu jedem Zeitpunkt seiner Existenz von legalem Mord bedroht. Das ungeborene Kind durch die legalisierte Abtreibung, der erwachsene Mensch schon seit 2002 durch die Euthanasie und bald wird auch die „Lücke“ der Neugeborenen bis zur Volljährigkeit, die bisher zumindest ausgenommen waren und somit aus dieser Perspektive zumindest geschützt sorglos leben konnten, geschlossen werden.
In den vergangenen Tagen fragte sich die ganze „zivilisierte“ Welt, ob es wirklich notwendig war, die „schutzlose“ Giraffe zu euthanasieren und vor allem ob das denn moralisch überhaupt vertretbar sei. Niemand scheint hingegen in Frage zu stellen, daß man in Belgien bald legal Kleinkinder euthanasieren kann. Damit schaffe der Gesetzgeber ohne Not „das wohl bedrückendste ethische Dilemma“, darüber entscheiden zu müssen, ein Kind zu töten, wie die Ärzte schrieben.
Mitleid nur für Tiere
Im Zusammenhang mit der Tötung der „wunderbaren Kreatur“, wir sprechen von der Giraffe Marius, war die Rede vom „schockierenden Mangel an Verständnis und Mitleid“. Die Tötung eines Kindes oder eines Erwachsenen durch Euthanasie wird hingegen als „Akt des Mitleids und des Verständnisses“ dargestellt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons