Papst Franziskus und Medjugorje: Steht Entscheidung bevor?


Papst Franziskus und Medjugorje(Vati­kan) Die Ent­schei­dung des Pap­stes zu den „Erschei­nun­gen“ von Med­jug­or­je rückt näher. Am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag wur­de der bos­ni­sche Kar­di­nal Vin­ko Pul­jic, Erz­bi­schof von Sara­je­vo von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Am Frei­tag kam der zwei­te kroa­ti­sche Kar­di­nal, Josip Boza­nic, Erz­bi­schof von Zagreb nach Rom. „Kroa­ti­sche Quel­len“, so Matteo Mat­zuzzi, Vati­ka­nist von il Foglio, sagen, daß der Abschluß­be­richt der von Papst Bene­dikt XVI. ein­ge­setz­ten Unter­su­chungs­kom­mis­si­on unter der Lei­tung von Camil­lo Kar­di­nal Rui­ni, dem­nächst auf dem Tisch des Pap­stes lie­gen und die­ser kon­kret die Fra­ge Med­jug­or­je ange­hen wird.

Papst Benedikt XVI. überließ Entscheidung seinem Nachfolger

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Der Abschluß­be­richt liegt, wegen der deli­ka­ten Fra­ge ver­sie­gelt, seit einem Jahr bereit. Drei Jah­re hat­te die Kom­mis­si­on gear­bei­tet, Theo­lo­gen, Medi­zi­ner, Psy­cho­lo­gen und Mario­lo­gen ange­hört, um auf die Fra­ge ant­wor­ten zu kön­nen, die ihr von Papst Bene­dikt XVI. gestellt wur­de: Sind die von einer Grup­pe von Katho­li­ken aus dem her­ze­go­wi­ni­schen Ort Med­jug­or­je behaup­te­ten Mari­en­er­schei­nun­gen über­na­tür­lich? Das Phä­no­men Med­jug­or­je gibt es inzwi­schen seit mehr als 30 Jah­ren. Hat die Kir­che bereits dar­über ent­schie­den? Gemäß Kir­chen­recht haben die zustän­di­gen Bischö­fe dies getan und die Über­na­tür­lich­keit in Abre­de gestellt. Die Insi­stenz des Phä­no­mens und die zahl­rei­chen Men­schen, die nach Med­jug­or­je pil­gern, lie­ßen Bene­dikt XVI. zum Schluß gelan­gen, daß es eine Ent­schei­dung der päpst­li­chen Auto­ri­tät brau­che. Um die­se vor­zu­be­rei­ten, setz­te er die Kom­mis­si­on unter Kar­di­nal Rui­ni ein. Kurz vor sei­nem Amts­ver­zicht schloß die Kom­mis­si­on ihre Arbeit ab, doch zu knapp für Bene­dikt XVI. Er über­ließ die Fra­ge sei­nem Nachfolger.

Was die Sache beson­ders hei­kel und auch umstrit­ten macht, ist der Umstand, daß die „Erschei­nun­gen“ noch nicht abge­schlos­sen sind. Die Seher leben heu­te an ver­schie­de­nen Orten und haben auch unter­schied­li­che „Erscheinungs“-Rhythmen. Die Got­tes­mut­ter „erscheint“ täg­lich und an ver­schie­de­nen Orten, ein­mal, so wird behaup­tet, auch im Wie­ner Ste­phans­dom. Die „Seher“ sehen die „jun­ge, wun­der­schö­ne Frau“ über­all, wo sie sich gera­de befin­den, auch Tau­sen­de Kilo­me­ter von Med­jug­or­je entfernt.

Intervention von Glaubenspräfekt Müller in den USA

Ein Teil­aspekt des Gesamt­phä­no­mens, der den Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, den inzwi­schen zum Kar­di­nal ernann­ten Kuri­en­erz­bi­schof Ger­hard Lud­wig Mül­ler dazu ver­an­laß­te, den ame­ri­ka­ni­schen Bischö­fen in Erin­ne­rung zu rufen, daß Katho­li­ken eine Teil­nah­me an „Tref­fen, Kon­fe­ren­zen und öffent­li­chen Zele­bra­tio­nen“ unter­sagt ist, bei denen die Echt­heit der „Erschei­nun­gen“ von Med­jug­or­je behaup­tet wird. Grund für die Ermah­nung des Glau­bens­prä­fek­ten war eine bevor­ste­hen­de Rund­rei­se des „Sehers“ Ivan Dra­gice­vic durch die USA. Dabei wur­de ange­kün­digt, daß bei den Tref­fen auch die Got­tes­mut­ter erschei­nen würde.

Der Stand­punkt der Katho­li­schen Kir­che zu Med­jug­or­je ist nach wie vor jener von 1991, wie Erz­bi­schof Mül­ler in Erin­ne­rung rief. Solan­ge es kei­ne anders­lau­ten­de Ent­schei­dung gebe, kön­ne im Zusam­men­hang mit dem her­ze­go­wi­ni­schen Ort nicht von einem über­na­tür­li­chen Phä­no­men gespro­chen werden.

Spaniens Bischöfe greifen gegen Medjugorje ein

Die Rund­rei­se von Ivan Dra­gice­vic wur­de nach die­ser Inter­ven­ti­on aus Rom abge­sagt. Das Schrei­ben von Erz­bi­schof Mül­ler mach­ten sich inzwi­schen auch die Bischö­fe Spa­ni­ens zu eigen. Die Erz­bi­schö­fe von Madrid, Sevil­la und Tole­do erklär­ten, daß es not­wen­dig sei, „um im Volk Got­tes Skan­dal und Ver­wir­rung zu ver­mei­den“, eini­ge Klar­stel­lun­gen vor­zu­neh­men. In der Erklä­rung des Erz­bis­tums Tole­do, Sitz des Pri­mas von Spa­ni­en, heißt es: „Weder dem Kle­rus noch den Gläu­bi­gen ist es erlaubt, an Tref­fen und Kon­fe­ren­zen teil­zu­neh­men, bei denen die Glaub­wür­dig­keit die­ser Erschei­nun­gen als sicher behaup­tet wird“.

Position der Kirche eindeutig, nicht eindeutig ist Haltung der Kirchenvertreter

Der kirch­li­che Stand­punkt zu Med­jug­or­je ist ein­deu­tig. Dar­an ändert auch die Tat­sa­che nichts, daß selbst im Kle­rus die Mei­nun­gen bis ganz hin­auf aus­ein­an­der­ge­hen. Der Bischof von Mostar kam zum Schluß, daß auf dem Hügel bei Med­jug­or­je nichts geschieht, was als über­na­tür­li­che Mari­en­er­schei­nung gewer­tet wer­den könn­te. Ihm steht auf­grund der ter­ri­to­ria­len Zustän­dig­keit die erste Ent­schei­dung zu. Sei­ner Ein­schät­zung folg­te schließ­lich die Bischofs­kon­fe­renz des dama­li­gen Jugo­sla­wi­en. Dar­an ändert der Umstand nichts, daß etwa Wiens Erz­bi­schof Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born ganz ande­rer Mei­nung ist, selbst bereits auf den Bal­kan pil­ger­te und die „Seher“ bereits mehr­fach in Wien, auch in sei­ner Kathe­dra­le spre­chen ließ.

Kardinal Bergoglios Zustimmung zu „Seher“-Auftritten

Die distan­zier­te Hal­tung von Bene­dikt XVI. zum Phä­no­men war bekannt. Dem Ein­fluß von Kar­di­nal Schön­born, Mit­glied des Joseph-Ratz­in­ger-Schü­ler­krei­ses, wird es zuge­schrie­ben, daß der deut­sche Theo­lo­ge auf dem Papst­thron eine Ent­schei­dung zwar vor­be­rei­te­te, letzt­lich aber nicht mehr getrof­fen hat. Wie aber steht der argen­ti­ni­sche Papst zu Med­jug­or­je? Die Signa­le sind widersprüchlich.

Kurz bevor Jor­ge Mario Kar­di­nal Berg­o­glio im März 2013 nach Rom auf­brach, um am Kon­kla­ve teil­zu­neh­men, erlaub­te er den Gläu­bi­gen sei­nes Erz­bis­tums, an den Tref­fen mit Ivan Dra­gice­vic in Bue­nos Aires teil­zu­neh­men. Am 4. März kamen rund 5.000 Per­so­nen ins Micro­sta­dio Mal­vi­n­as. Zwei Tage dar­auf waren es sogar an die 10.000 Men­schen am Luna Park von Bue­nos Aires. Alles geschah mit aus­drück­li­cher Erlaub­nis des Erz­bi­schofs. Dabei mag es mit eine Rol­le gespielt haben, daß seit 2010 Pater Ber­is­lav Ostojic, ein Fran­zis­ka­ner aus Cit­luk in der Her­ze­go­wi­na, nur unweit von Med­jug­or­je, Berg­o­gli­os Beicht­va­ter war. Die Fran­zis­ka­ner för­dern die Ver­brei­tung der Bot­schaf­ten von Med­jug­or­je. Der Ort wird vom Fran­zis­ka­ner­or­den betreut, der sich seit 30 Jah­ren zur Fra­ge im Kon­flikt mit der kirch­li­chen Auto­ri­tät des Lan­des befin­det. Ein Kon­flikt, der aus histo­ri­schen Grün­den tie­fer reicht, aber rund um die „Erschei­nun­gen“ von Med­jug­or­je eine neue, kon­kre­te Form annahm.

Vorbehalte von Papst Franziskus

Die Zustim­mung zum Auf­tre­ten von Ivan Dra­gice­vic erteil­te Kar­di­nal Berg­o­glio vor dem 13. März 2013. Inzwi­schen ist dar­aus Papst Fran­zis­kus gewor­den und die­ser äußer­te sich bis­her zwar nicht direkt zum Phä­no­men, doch die Signa­le sind von gro­ßer Zurück­hal­tung geprägt.

Am 7. Sep­tem­ber 2013 sprach Papst Fran­zis­kus davon, daß es „kei­nen Chri­sten ohne Chri­stus“ geben kön­ne und kri­ti­siert Chri­sten, die sich an „Erschei­nun­gen“ klam­mern, „die etwas Beson­de­res suchen“ und nann­te als kon­kre­tes Bei­spiel Med­jug­or­je, doch die Offen­ba­rung sei mit dem Neu­en Testa­ment abgeschlossen.

Am 14. Novem­ber sprach Papst Fran­zis­kus wie­der­um bei sei­ner mor­gend­li­chen Pre­digt in der Kapel­le des Gäste­hau­ses San­ta Mar­ta: „Die Neu­gier­de treibt uns dazu, hören zu wol­len, daß der Herr da oder dort ist; oder läßt uns sagen: ‚Aber ich ken­ne einen Seher, eine Sehe­rin, die Brie­fe von der Got­tes­muter erhält, Bot­schaf­ten von der Got­tes­mut­ter‘. Aber die Got­tes­mut­ter ist Mut­ter! Sie ist nicht die Lei­te­rin eines Post­am­tes, um täg­lich Bot­schaf­ten zu sen­den. Die­se Neu­hei­ten ent­fer­nen vom Evan­ge­li­um, vom Frie­den und von der Weis­heit, von der Herr­lich­keit Got­tes, von der Schön­heit Got­tes.“ Denn „Jesus sagt, daß das Reich Got­tes nicht auf eine Wei­se kommt, die Auf­merk­sam­keit auf sich zu len­ken: es kommt in der Weisheit“.

Text: Il Foglio/​Giuseppe Nardi
Bild: Il Foglio

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