Ultra-progressiver Jesuit aus Orden ausgeschlossen – Tut sich im Jesuitenorden etwas?


John Dear, Aushängeschild progressiver Katholiken in den USA als Priester suspendiert und aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen(Washington/​Rom) Ein pro­gres­si­ves Aus­hän­ge­schild der Katho­li­schen Kir­che in den USA wur­de aus dem Jesui­ten­or­den ausgeschlossen.Tut sich also etwas im Jesui­ten­or­den? Die­ser Mei­nung ist der Reli­gi­ons­so­zio­lo­ge Mas­si­mo Intro­vi­gne und ver­weist auf den Fall John Dear.

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Ver­gan­ge­ne Woche wur­de einer der bekann­te­sten Ange­hö­ri­gen der Jesui­ten in den USA aus sei­nem Orden aus­ge­schlo­sen. Es han­delt sich um den pro­gres­si­ven Akti­vi­sten Pater John Dear. Pater Dear, in den USA weni­ger bekannt durch sein prie­ster­li­ches Wir­ken dafür umso mehr durch sei­nen Polit­ak­tio­nis­mus, erhielt zwei getrenn­te Mit­tei­lun­gen. Eine vom Ordens­obe­ren der Jesui­ten, Gene­ral­propst Adol­fo Nico­las, der Dears „ver­stock­ten Unge­hor­sam“ als Grund anführt. Eine wei­te­re von der römi­schen Ordens­kon­gre­ga­ti­on im glei­chen Tenor. Der Aus­schluß sorgt in den USA für Auf­se­hen. Die ame­ri­ka­ni­sche Pres­se stellt sich die Fra­ge, ob Papst Fran­zis­kus, der mit dem Fall ver­traut ist, einen per­sön­li­chen Schritt set­zen wird, um das ver­irr­te Schaf in den Stall zurück­zu­füh­ren. In den Stall des Jesui­ten­or­dens, dem auch der Papst ange­hört. Die Schrit­te des Pap­stes sind schwer vor­her­seh­bar, doch „die Ange­le­gen­heit scheint kom­pli­ziert“, so Introvigne.

Suspendierung vor drei Jahren

Bereits vor drei Jah­ren wur­de Pater Dear vom Erz­bi­schof der Erz­diö­ze­se San­ta Fe im Staat Neu Mexi­ko a divi­nis sus­pen­diert. Zusam­men mit dem nun erfolg­ten Aus­schluß aus dem Jesui­ten­or­den ist John Dear zwar wei­ter­hin katho­li­scher Prie­ster, darf aber sein Prie­ster­tum nicht mehr aus­üben. Der Betrof­fe­ne selbst reagier­te am 7. Janu­ar wenig ein­sich­tig mit einer har­ten Stel­lung­nah­me. Sei­ne Reak­ti­on, der arro­gan­te Ton­fall und getrof­fe­ne Aus­sa­gen machen es sehr unwahr­schein­lich, daß ein ame­ri­ka­ni­scher Bischof ihn auf­neh­men und damit die Sus­pen­die­rung auf­he­ben dürf­te. Dear selbst don­ner­te, „nicht sicher zu sein, ob er Prie­ster bleibt“.

John Dear gehört zu den popu­lär­sten katho­lisch-pro­gres­si­ven Autoren der USA. Sei­ne Bücher erhal­ten nicht nur von einem Teil der katho­li­schen Medi­en und Buch­hand­lun­gen, son­dern vor allem im welt­li­chen Sek­tor För­de­rung. In den katho­li­schen Buch­hand­lun­gen steht er auf den Best­sel­ler­li­sten ganz oben. Der­glei­chen kennt man aus Euro­pa mit Dre­wer­mann und Hans Küng. Dear wur­de 75 Mal in den USA ver­haf­tet, weil er ille­ga­le Pro­test­ak­tio­nen gegen die ame­ri­ka­ni­sche Armee unter­nahm, gegen den Krieg in Afgha­ni­stan, den Krieg im Irak und zur Unter­stüt­zung radi­ka­ler Palä­sti­nen­ser­grup­pen. Sei­ne Spra­che ist von einer ver­ba­len Gewalt gegen den Staat Isra­el geprägt, die weit über eine legi­ti­me Kri­tik am Staat der Juden hin­aus­geht und erin­nert mehr an die Rhe­to­rik von Islamisten.

Unter­su­chun­gen über das Fehl­ver­hal­ten des ame­ri­ka­ni­schen Prie­sters wur­den bereits unter Bene­dikt XVI. ein­ge­lei­tet. Papst Fran­zis­kus scheint kei­nen Ver­such unter­nom­men zu haben, die­se zu stoppen.

Der Konflikt mit dem Orden und dem Heiligen Stuhl

Dears Kon­flikt mit dem Jesui­ten­or­den und dem Hei­li­gen Stuhl bezog sich nicht auf Dears radi­ka­len und ein­sei­ti­gen Pazi­fis­mus, son­dern auf sei­nen syste­ma­ti­schen Unge­hor­sam. Der Orden wies ihm Auf­ga­ben zu, die er igno­rier­te, Wohn­or­te, die er miß­ach­te­te, gab ihm Anwei­sun­gen, an wel­chen Kund­ge­bun­gen er teil­neh­men kön­ne und wel­che er als katho­li­scher Prie­ster mei­den soll­te, doch Dear scher­te sich nicht dar­um. Der gewe­se­ne Jesu­it nahm an zahl­rei­chen Demon­stra­tio­nen gegen den Hei­li­gen Stuhl und gegen Bischö­fe teil, die von ultra-pro­gres­si­ven Grup­pen wie Call to Action (CTA) und Pax Chri­sti USA orga­ni­siert wur­den. Die Ziel­set­zun­gen die­ser sich katho­lisch nen­nen­den Orga­ni­sa­tio­nen wider­spre­chen dia­me­tral dem Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che, so zu den The­men Frau­en­prie­ster­tum, Prie­ster­tum gene­rell, Homo­se­xua­li­tät, Aner­ken­nung der „Homo-Ehe“, der Adop­ti­on von Kin­dern durch Homosexuelle.

Vatikan unter Druck setzen

Zu den Stra­te­gien von John Dear gehör­te es, im Rah­men von Call to Action-Kund­ge­bun­gen dazu auf­zu­ru­fen, „eine Kam­pa­gne ‚Eine Mil­li­on Brie­fe an den Vati­kan‘ zu star­ten, um von Rom die Zulas­sung von Prie­ste­rin­nen“ zu erzwin­gen. Papst Fran­zis­kus hat­te dazu sei­ne Vor­gän­ger bestä­tigt und bereits erklärt, daß die Frau­en­or­di­na­ti­on kein The­ma für die Katho­li­sche Kir­che ist und es daher auch nicht legi­tim ist, dar­über zu dis­ku­tie­ren. „Das Prie­ster­tum ist Män­nern vor­be­hal­ten als Zei­chen von Chri­stus als Bräu­ti­gam, der sich in der Eucha­ri­stie sei­ner Braut, der Kir­che hin­gibt. Die Fra­ge steht nicht zur Dis­kus­si­on“, wie der Papst erneut in sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Evan­ge­lii Gau­di­um bekräftigte.

Bezahlte synkretistische Einkehrtage

Ex-Jesu­it Dear hält gegen üppi­ge Bezah­lung Ein­kehr­ta­ge mit bud­dhi­sti­schen Mön­chen in umstrit­te­nen Zen-Zen­tren, die auch man­chen katho­li­schen Prie­ster und Mönch in Euro­pa ange­krän­kelt haben. Das Pro­gramm der Zen­tren und der Ein­kehr­ta­ge geht weit über den inter­re­li­giö­sen Dia­log hin­aus: Jesus Chri­stus wird redu­ziert zu einem Mei­ster der Weis­heit unter vie­len im Lauf der Geschich­te. Der Dia­log ver­kommt zur syste­ma­ti­schen Zwei­deu­tig­keit und sogar zum offe­nen Synkretismus.

Die har­sche Reak­ti­on von Dear vom 7. Janu­ar hat daher etwas Unehr­li­ches an sich, da der ent­las­se­ne Jesu­it so tut, als sei er aus­schließ­lich wegen sei­ner „radi­kal­pa­zi­fi­sti­schen“ Posi­tio­nen „bestraft“ wor­den. Die­se wider­spre­chen in ihrer Ein­sei­tig­keit tat­säch­lich dem Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che. Dear ver­schweigt jedoch sei­ne anti-katho­li­schen Posi­tio­nen in Sachen Abtrei­bung, Homo­se­xua­li­tät, Frau­en­prie­ster­tum und Syn­kre­tis­mus, die zum Kon­flikt mit der kirch­li­chen Hier­ar­chie führ­ten, die ohne­hin eine schon fast Ärger­nis erre­gen­de Geduld unter Beweis stellte.

In der Kirche gibt es Tausende John Dears

Bedau­er­li­cher­wei­se gibt es unter den Ordens­leu­ten in den USA Tau­sen­de, die so den­ken wie der Ex-Jesu­it, wes­halb jemand die Fra­ge stel­len könn­te, war­um der Hei­li­ge Stuhl sich gera­de ihn und gera­de jetzt vor­ge­nom­men hat. Um ein Exem­pel zu sta­tu­ie­ren? Die Ant­wort dürf­te in der publi­zi­sti­schen Tätig­keit von Dear zu suchen sein. Er ist ein viel­ge­le­se­ner, von Gesin­nungs­ge­nos­sen in- und außer­halb der Kir­che hofier­ter Autor und ein bekann­tes „katho­li­sches“ Gesicht im US-Fern­se­hen. Es schien daher beson­ders drin­gend, ein­zu­grei­fen und klar­zu­stel­len, daß Dear nicht im Namen der Katho­li­schen Kir­che spricht. Man­che glau­bens­treue Kom­men­ta­to­ren äußer­ten die Ansicht, daß eine Schwal­be noch kei­nen Früh­ling macht und der Ein­griff gegen rebel­li­sche Ordens­leu­te in den USA damit besten­falls auf hal­bem Weg ste­hen bleibt, so als wäre der Becher nur halb­voll. „Das den­ke auch ich“, so Mas­si­mo Intro­vi­gne. „Aber bes­ser halb­voll als ganz leer. Und wer weiß, viel­leicht ist die Schwal­be ja der erste Frühlingsbote.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Nuo­va Bus­so­la Quotidiana

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