Das russische Veto gegen Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus


Athenagoras mit Paul VI. und Moskaus Patriarch Kyrill I.(Moskau/​Rom) Am 25. Mai wird die Umar­mung von Papst Paul VI. und dem Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Athe­n­agoras von 1964 in Jeru­sa­lem eine Neu­auf­la­ge erle­ben, dies­mal durch Papst Fran­zis­kus und Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us. Doch das Mos­kau­er Patri­ar­chat steigt auf die Brem­se und friert mit einem neu­en Doku­ment die katho­lisch-ortho­do­xe Dis­kus­si­on über den päpst­li­chen Pri­mat ein. Ein Veto, das offen­sicht­lich auf die sym­bol­träch­ti­ge Begeg­nung in Jeru­sa­lem abzielt, aber noch mehr auf die Gesamt­or­tho­do­xe Syn­ode, die für 2015 geplant ist.

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Am 4. Janu­ar ver­öf­fent­lich­te der Osser­va­to­re Roma­no den voll­stän­di­gen Text des Gesprächs zwi­schen Paul VI. und Athe­n­agoras. Der Inhalt soll­te ver­trau­lich blei­ben, wur­de jedoch vom ita­lie­ni­schen Staats­fern­se­hen durch ein „Ver­se­hen“ mit­ge­schnit­ten. Paul VI. schwieg zum ent­schei­den­den Punkt, der Rom von den ortho­do­xen Kir­chen des Ostens trennt, die Kir­chen­ver­fas­sung und vor allem die Stel­lung des Papstes.

Was Paul VI. und Athenagoras sich 1964 zur Primats-Frage sagten

Der Papst sag­te zum Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Athenagoras:

Paul VI: „Ich wer­de Ihnen sagen, was ich für exakt hal­te, vom Evan­ge­li­um her­ge­lei­tet, vom Wil­len Got­tes und der authen­ti­schen Tra­di­ti­on. Ich wer­de es kund­tun. Und wenn es Punk­te gibt, die nicht mit Ihrem Den­ken bezüg­lich der Kon­sti­tu­ti­on der Kir­che übereinstimmen…“

Athe­n­agoras: „Das­sel­be wer­de ich tun“.

Paul VI. : „Man wird dis­ku­tie­ren, wir wer­den ver­su­chen, die Wahr­heit zu fin­den… Kei­ne Fra­ge des Pre­sti­ges, des Vor­rangs, außer dem, was von Chri­stus fest­ge­legt wur­de. Abso­lut nichts, was von Ehre oder Pri­vi­le­gi­en han­delt. Schau­en wir auf das, was Chri­stus von uns ver­langt und jeder nimmt sei­nen Stand­punkt ein; aber ohne irgend­ei­ne mensch­li­che Ambi­ti­on zu obsie­gen, die Ehre zu haben, Vor­tei­le. Son­dern zu dienen.“

Annäherung zwischen Katholiken und Orthodoxen

Seit jenem 5. Janu­ar 1964 hat der öku­me­ni­sche Dia­log zwi­schen Rom und den ortho­do­xen Kir­chen einen beacht­li­chen Weg zurück­ge­legt. Dabei wur­de auch die bren­nen­de Fra­ge des päpst­li­chen Pri­mats zur Dis­kus­si­on gestellt, wie die Auf­nah­me aus Jeru­sa­lem belegt.

2007 leg­te in Raven­na eine gemisch­te Inter­na­tio­na­le Kom­mis­si­on für den theo­lo­gi­schen Dia­log zwi­schen der Katho­li­schen Kir­che und der Ortho­do­xen Kir­che ein Grund­la­gen­do­ku­ment vor. Das Doku­ment wur­de von den Anwe­sen­den ein­stim­mig ange­nom­men. Aller­dings fehl­te die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che. Offi­zi­el­ler Grund war eine Zwi­stig­keit mit dem Öku­me­ni­schen Patri­ar­chat von Kon­stan­ti­no­pel. Damit fehl­te der zah­len­mä­ßig größ­te und gewich­tig­ste Teil der ortho­do­xen Welt.

Der inner­or­tho­do­xe Zwist konn­te bei­gelegt wer­den und so nahm nach­träg­lich auch Mos­kau das Doku­ment von Raven­na an und eben­so das dar­auf fol­gen­de Arbeits­pa­pier über Rol­le und Stel­lung des Pap­stes im ersten Jahr­tau­send. Es war 2008 von einer Unter­kom­mis­si­on auf Kre­ta aus­ge­ar­bei­tet worden.

Bei den 2009 auf Zypern und 2010 in Wien statt­fin­den­den Tref­fen brach­te die rus­sisch-ortho­do­xe Kir­che jedoch Beden­ken vor, die jede wei­te­re Annä­he­rung brem­sten. Die rus­si­sche Dele­ga­ti­on ver­lang­te, daß das Arbeits­pa­pier von Kre­ta zurück­ge­nom­men und von einer neu­en Unter­kom­mis­si­on völ­lig umge­schrie­ben wer­den soll­te. Eine For­de­rung, der die ande­ren Teil­neh­mer zwangs­läu­fig zustimm­ten. Auch am Doku­ment von Raven­na übte Mos­kau grund­le­gen­de Kritik.

Der Papst als „Protos“ unter den Patriarchen

Einig sind sich alle Sei­ten, daß Rom, als Kir­che, die den Lie­bes­vor­sitz inne­hat, wie der Hei­li­ge Igna­ti­us von Antio­chi­en sag­te, den ersten Platz in der „Taxis“ ein­nahm und daß der Bischof von Rom daher der „Pro­tos“ unter den Patri­ar­chen war.

Nicht einig sind sich die Sei­ten in der Inter­pre­ta­ti­on der histo­ri­schen Zeug­nis­se aus jener Epo­che, was die Vor­rech­te des Bischofs von Rom als „Pro­tos“ anbe­langt, eine Fra­ge, die bereits im ersten Jahr­tau­send unter­schied­lich ver­stan­den wurde.

Pro­tos“ bezeich­net als grie­chi­sches Wort „Erster“, „Taxis“ meint die Ord­nung der Weltkirche.

Russischer Widerstand gegen jede Form von päpstlicher Autorität über die Orthodoxie

Die ableh­nen­de Hal­tung der rus­si­schen Kir­che gegen den päpst­li­chen Pri­mat kon­tra­stiert mit der gleich­zei­tig unter Bene­dikt XVI. statt­ge­fun­de­nen Annä­he­rung zwi­schen Rom und Mos­kau. Eine Annä­he­rung, die die Züge eines Akti­ons­bünd­nis­ses im Bereich der nicht-ver­han­del­ba­ren Wer­te, zum Schutz des Lebens, der Ehe und Fami­lie und der Reli­gi­ons­frei­heit wurde.

In Mos­kau miß­fiel es, daß Bene­dikt XVI. am Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats den Titel als „Patri­arch des Abend­lan­des“ aus dem Päpst­li­chen Jahr­buch strei­chen ließ. Die ortho­do­xen Rus­sen ver­mu­te­ten dahin­ter den Ver­such, einen gren­zen­lo­sen Pri­mat in der Welt­kir­che zu beanspruchen.

Moskau registriert wohlwollend, daß sich Franziskus als „Bischof von Rom“ bezeichnet

Um so wohl­wol­len­der regi­striert man in Mos­kau und ins­ge­samt in der ortho­do­xen Welt, die Beharr­lich­keit, mit der Papst Fran­zis­kus von sich selbst nur als „Bischof von Rom“ spricht.

Auch des­halb glaub­ten man­che im ver­gan­ge­nen Dezem­ber, anläß­lich der Ruß­land­rei­se von Kar­di­nal Kurt Koch, Prä­si­dent des Päpst­li­chen Rats für die För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten, rasche Fort­schrit­te bei der Annä­he­rung zwi­schen Rom und Mos­kau erwar­ten zu können.

Doch dem war kei­nes­wegs so. Bei sei­nen Begeg­nun­gen mit Patri­arch Kyrill I. und „Außen­mi­ni­ster“ Metro­po­lit Hila­ri­on konn­te Kar­di­nal Koch fest­stel­len, daß das Mos­kau­er Patri­ar­chat „gro­ße Erwar­tun­gen“ in Papst Fran­zis­kus setzt. Außer einer erneu­ten Bekräf­ti­gung eines Akti­ons­bünd­nis­ses zur „Ver­tei­di­gung der Fami­lie und des Lebens­rechts“ konn­te er jedoch nichts nach Rom zurückbringen.

Neue Eiszeit zwischen Moskau und Rom in der Primats-Frage

Das vor sei­ner Rei­se zum Grei­fen nahe schei­nen­de erste Tref­fen zwi­schen einem Papst und einem Mos­kau­er Patri­ar­chen scheint nun wie­der in wei­te Fer­ne gerückt.

Gleich­zei­tig sorg­te Mos­kau für eine neue Eis­zeit in Sachen Pri­mat. Eine Auf­wei­chung der rus­sisch-ortho­do­xen Ableh­nung eines mit Auto­ri­tät aus­ge­stat­te­ten päpst­li­chen Pri­mats wer­de es nicht geben.

Weni­ge Tage nach­dem Kar­di­nal Koch aus Ruß­land in den Vati­kan zurück­ge­kehrt war, mit­ten in den Weih­nachts­fest­ta­gen der latei­ni­schen Chri­sten­heit, ver­öf­fent­lich­te das Mos­kau­er Patri­ar­chat ein Doku­ment, mit dem es sei­ne Mei­nungs­un­ter­schie­de zum Doku­ment von Raven­na zusam­men­faß­te und eine völ­li­ge Ableh­nung bekräf­tig­te, dem „Bischof von Rom“ irgend­ei­ne Form von Auto­ri­tät, die über einen blo­ßen Ehren­vor­sitz hin­aus­gin­ge, zuzugestehen.

Das Doku­ment wur­de auf der Inter­net­sei­te des Patri­ar­chats in rus­si­scher und eng­li­scher Spra­che veröffentlicht.

Das Doku­ment ist von beson­de­rer Bedeu­tung, weil es vom Hei­li­gen Syn­od des Mos­kau­er Patri­ar­chats beschlos­sen wur­de, der am 25. und 26. Dezem­ber tag­te. Es gilt als Richt­li­nie für den ortho­dox-katho­li­schen Dia­log. Was bedeu­tet, daß die Dele­gier­ten des Patri­ar­chats, die an künf­ti­gen Gesprä­chen teil­neh­men, nicht von die­ser Linie abwei­chen können.

Gesamtorthodoxe Synode 2015

Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster sieht in der ver­här­te­ten Front­bil­dung das Bemü­hen Mos­kaus, einer mög­li­chen Unter­wer­fung und Aus­söh­nung ande­rer ortho­do­xer Kir­chen mit Rom samt der Aner­ken­nung der päpst­li­chen Auto­ri­tät ent­ge­gen­zu­wir­ken. Das Mos­kau­er Doku­ment ver­weist in einer Fuß­no­te auf eine eben­so ableh­nen­de Erklä­rung des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen Bar­tho­lo­mä­us I., die die­ser im Novem­ber 2007 auf einer Pres­se­kon­fe­renz in Bul­ga­ri­en geäu­ßert hat­te. Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us I. von Kon­stan­ti­no­pel scheint einer der ersten Adres­sa­ten der Mos­kau­er Sper­re zu sein. Bar­tho­lo­mä­us war es, der auf die Wie­der­ho­lung der sym­bol­träch­ti­gen Umar­mung in Jeru­sa­lem 50 Jah­re nach Paul VI. und sei­nem Vor­gän­ger Athe­n­agoras drängt.

Bar­tho­lo­mä­us hat­te 2007 gesagt:

„Wir Ortho­do­xe sind alle über­zeugt, daß im ersten Jahr­tau­send, zur Zeit der unge­teil­ten Kir­che, der Pri­mat des Bischofs von Rom, des Pap­stes, aner­kannt war. Den­noch, es han­del­te sich dabei um einen Ehren­pri­mat, einen Pri­mat der Lie­be, ohne eine recht­li­che Auto­ri­tät über die gesam­te christ­li­che Kir­che. Mit ande­ren Wor­ten, laut unse­rer Theo­lo­gie, ist die­ser Pri­mat mensch­li­cher Natur. Er wur­de fest­ge­legt wegen der Not­wen­dig­keit der Kir­che, ein Ober­haupt und ein Lei­tungs­zen­trum zu haben.“

Über der Umar­mung zwi­schen Papst Fran­zis­kus und Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us, die am 25. Mai wahr­schein­lich in der Gra­bes­kir­che statt­fin­den wird, lastet das Veto der rus­sisch-ortho­do­xen Kirche.

Doppelte Reaktion Konstantinopels auf Moskauer Dokument

Istan­bul, Sitz des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen, reagier­te gleich zwei­fach. Bar­tho­lo­mä­us I. lud alle Patri­ar­chen und Erz­bi­schö­fe aller ortho­do­xen Kir­chen für den 9. März nach Kon­stan­ti­no­pel ein. Ein sym­bol­träch­ti­ger Tag, der im lit­ur­gi­schen Kalen­der des Ostens als „Tag der Ortho­do­xie“ began­gen wird. Das Ehren­ober­haupt der ortho­do­xen Chri­sten­heit will offen­bar die Vor­be­rei­tun­gen für die für das Jahr 2015 geplan­te Gesamt­or­tho­do­xe Syn­ode beschleunigen.

Bekannt­ge­macht wur­de die­se Ein­la­dung durch Nat da Polis, Pseud­onym für den zuver­läs­si­gen Kor­re­spon­den­ten von Asia­news in Istan­bul. Dazu zitier­te er den Metro­po­li­ten Ioan­nis Ziziou­las von Per­ga­mon, einen der ein­fluß­reich­sten ortho­do­xen Theo­lo­gen und gro­ßen Ver­eh­rer von Joseph Ratz­in­ger. Die Gefahr „Selbst­aus­gren­zung“, die die ortho­do­xe Chri­sten­heit heu­te lau­fe, hän­ge mit „jener nar­zi­si­sti­schen Selbst­ge­fäl­lig­keit zusam­men, die zu frucht­lo­sem Wider­spruch führt“, wo hin­ge­gen ein öku­me­ni­scher Dia­log mit der Kul­tur unse­rer Zeit not­wen­dig sei, wie ihn die Kir­chen­vä­ter in den ersten Jahr­hun­der­ten führ­ten, so der Metropolit.

Die zwei­te Reak­ti­on des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chen ist direk­ter: eine Ant­wort auf das Mos­kau­er Doku­ment über den Pri­mat in der Welt­kir­che aus der Feder des Metro­po­li­ten Elpi­do­pho­ros Lam­bri­nia­dis von Bur­sa und Exarch von Bithynien.

Der Autor gilt nicht nur als renom­mier­ter Theo­lo­ge, son­dern nimmt als erster Sekre­tär von Patri­arch Bar­tho­lo­mä­us auch eine erst­ran­gi­ge Stel­lung im Öku­me­ni­schen Patri­ar­chat von Kon­stan­ti­no­pel ein.

Metro­po­lit Elpi­do­pho­ros war auch Sekre­tär aller pan­or­tho­do­xen Tref­fen, die zwi­schen 1998 und 2008 zur Vor­be­rei­tung der Syn­ode der gesam­ten Ortho­do­xie von 2015 statt­fan­den. Zu sei­ner Bischofs­wei­he im Jahr 2011 in Istan­bul rei­ste eigens der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats, Metro­po­lit Hila­ri­on an, der hin­ter Patri­arch Kyrill I. die zweit­höch­ste Stel­lung in der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che innehat.

Sei­ne Ant­wort auf das Mos­kau­er Doku­ment stellt daher wesent­lich mehr als nur eine per­sön­li­che Stel­lung­nah­me dar. Daß dar­in die Mei­nung des Öku­me­ni­schen Patri­ar­chats zum Aus­druck kommt, wird auch dar­an deut­lich, daß die Ant­wort auf der offi­zi­el­len Inter­net­sei­te des Patri­ar­chats ver­öf­fent­licht wurde.

Text: Set­ti­mo Cielo/​Giuseppe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo/​Wikicommons

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