Drittes Geheimnis von Fatima: Dokument ist „echt“ – ist es aber auch vollständig?


(Rom) In den näch­sten Tagen wird die Unter­su­chung eines hand­ge­schrie­be­nen Doku­ments ver­öf­fent­licht, das Schwe­ster Lucia dos San­tos zuge­schrie­ben wird. Das Drit­te Geheim­nis von Fati­ma, das als hand­schrift­li­ches Doku­ment von Papst Johan­nes Paul II. und dem dama­li­gen Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger im Hei­li­gen Jahr 2000 öffent­lich gemacht wur­de, ist „echt“ und stammt aus der Feder von Lucia dos San­tos. Sie war die älte­ste der drei Hir­ten­kin­der, denen 1917 in Fati­ma die Got­tes­mut­ter Maria erschie­nen ist. Die Ordens­frau ist 2005 ver­stor­ben. Han­delt  es sich jedoch bei dem 2000 ver­öf­fent­lich­ten Doku­ment um das voll­stän­di­ge Drit­te Geheimnis?

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Das 2000 vor­ge­leg­te hand­ge­schrie­be­ne Doku­ment wur­de von der Paläo­gra­phin Maria José Aze­ve­do San­tos von der Phi­lo­so­phi­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Coim­bra unter­sucht. Im Doku­ment der Sehe­rin ist die Sze­ne mit dem „weiß­ge­klei­de­ten Bischof“ beschrie­ben, der zusam­men mit vie­len Chri­sten auf dem Gip­fel eines Ber­ges das Mar­ty­ri­um erlei­det. Eine Pro­phe­zei­ung, die Johan­nes Paul II. auf sich bezog und das am 13. Mai 1981 auf ihn ver­üb­te Atten­tat auf dem Peters­platz. Die glück­li­che Erret­tung schrieb der Papst der Für­spra­che der Got­tes­mut­ter von Fati­ma zu.

Paläographin bestätigt Echtheit des handgeschriebenen Dokuments

Johannes Paul II. und die Gottesmutter von FatimaMaria José Aze­ve­do San­tos gab der offi­zi­el­len Publi­ka­ti­on des por­tu­gie­si­schen Mari­en­wall­fahrts­or­tes Voz da Fati­ma ein Inter­view, das in der näch­sten Aus­ga­be am kom­men­den 13. Janu­ar ver­öf­fent­licht wird. Die katho­li­sche Pres­se­agen­tur Por­tu­gals brach­te einen Vorbericht.

„Die Kir­che hat kei­ne Zwei­fel, daß es sich um ein Ori­gi­nal­do­ku­ment han­delt. Es han­delt sich um ein authen­ti­sches Doku­ment, das von Schwe­ster Lucia eigen­hän­dig nie­der­ge­schrie­ben wur­de“, so Maria José Aze­ve­do San­tos. Die Wis­sen­schaft­le­rin hat­te im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber Gele­gen­heit im Archiv der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on das Doku­ment zu unter­su­chen. Das Feh­len der Unter­schrift von Schwe­ster Lucia neh­me dem Doku­ment nichts von sei­ner Authen­ti­zi­tät. Ein Ver­gleich die­ses Doku­ments über das Drit­te Geheim­nis mit ande­ren hand­ge­schrie­be­nen Tex­ten der Sehe­rin und Ordens­frau las­se kei­nen Zwei­fel. Die wis­sen­schaft­li­che Schluß­fol­ge­rung kön­ne daher nur sein, daß die­ses Doku­ment tat­säch­lich von Schwe­ster Lucia ver­faßt wur­de, so die Paläographin.

Kritiker bezweifeln nicht Echtheit , sondern Vollständigkeit

Rund um die Ver­öf­fent­li­chung des Drit­ten Geheim­nis­ses im Jahr 2000 gibt es zahl­rei­che Pole­mi­ken. Die mei­sten Kri­ti­ker bezwei­feln aller­dings nicht die Authen­ti­zi­tät des Doku­ments, sind aber der Mei­nung, daß es nicht voll­stän­dig ver­öf­fent­licht wur­de, son­dern nur ein Teil.

Gemäß dem wich­tig­sten Kri­tik­strang, der aller­dings vom Vati­kan eben­so mehr­fach zurück­ge­wie­sen wur­de, müs­se es neben dem ver­öf­fent­lich­ten Blatt mit der Beschrei­bung der Erschei­nung noch ein wei­te­res Blatt geben, mit den Wor­ten der Got­tes­mut­ter, mit denen sie den Hir­ten­kin­dern die Bedeu­tung der Visi­on erklär­te. Das erklä­re auch das Feh­len der Unter­schrift von Schwe­ster Lucia, weil die­se auf einem ande­ren Blatt am Ende der Nie­der­schrift stehe.

Kardinal Ratzinger: Es gibt keine „offizielle Interpretation“ des Dritten Geheimnisses

Schwester Lucia dos Santos (1907-2005)Als Kar­di­nal Ratz­in­ger im Juni 2000 auf Wunsch von Johan­nes Paul II. vor der Pres­se den Inhalt des Drit­ten Geheim­nis­ses erläu­ter­te, leg­te er wert auf die Fest­stel­lung, daß es von Sei­ten der Kir­che kei­ne „offi­zi­el­le Inter­pre­ta­ti­on“ gebe, wenn auch Papst Woj­ty­la sich selbst im „weiß­ge­klei­de­ten Bischof“, der getö­tet wird, wie­der­erkann­te. Johan­nes Paul II. schick­te den dama­li­gen Sekre­tär der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Kuri­en­erz­bi­schof Tar­cis­io Ber­to­ne zu Schwe­ster Lucia. Die damals 93jährige Ordens­frau habe die­se Aus­le­gung des Pap­stes bestätigt.

Papst Benedikt XVI.: Drittes Geheimnis noch nicht erfüllt?

Wenig spä­ter erklär­te Bischof Kurt Krenn von St. Pöl­ten, daß Kar­di­nal Ratz­in­ger die Inter­pre­ta­ti­on von Johan­nes Paul II., die Visi­on auf sich zu bezie­hen, nicht tei­le. Tat­säch­lich äußer­te sich der nun­meh­ri­ge Papst Bene­dikt XVI. 2010 bei sei­ner Por­tu­gal-Rei­se sehr zurück­hal­tend und ließ die Mög­lich­keit offen, daß sich die Pro­phe­zei­ung noch nicht erfüllt oder jeden­falls nicht voll­stän­dig erfüllt hat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Voz da Fatima

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