(Freiburg/Bonn) Zuerst erfolgte der Angriff durch Erzbischof Reinhard Kardinal Marx von München-Freising, dann jener von Bischof Stefan Ackermann von Trier. Im Fadenkreuz hatten beide den Präfekten der Glaubenskongregation, Kurienerzbischof Gerhard Müller. Dieser hatte es gewagt, als Reaktion auf den Sonderweg der Erzdiözese Freiburg im Breisgau zum Umgang mit den wiederverheiratet Geschiedenen, die für die gesamte Weltkirche verbindliche katholische Ehelehre einzuschärfen. Glaubenspräfekt Müller hatte es nicht explizit so gesagt, aber so gemeint: Das Ehesakrament gilt auch für die Kirche in Deutschland. Und genau so haben es die deutschen Bischöfe verstanden, und einige fühlten sich ertappt, gestört und es trieb ihnen den Zorn ins Gesicht.
Glaubenspräfekt Müller erinnerte daran, daß es für die katholische Kirche keine Möglichkeit gibt, Zweitehen zu segnen und anzuerkennen, nicht einmal als Bußakt für den unschuldig geschiedenen Ehepartner, wie es die orthodoxe Kirche kennt. Eine Praxis, die jedoch einer Verdunkelung des Ehesakraments gleichkommt und daher nicht nachahmenswert sein könne.
Glaubenpräfekt bekräftigt katholische Lehre, doch deutsche Bischöfe reagieren empört
Der Kurienerzbischof hatte nichts Außergewöhnliches gesagt, vielmehr genau das, was jeder Bischof und jeder Priester zu sagen und jeder Katholik zu glauben hat, will er denn katholisch sein. Und dennoch löste die Stellungnahme Erzbischof Müllers ein Donnerwetter aus, als würde das Weltenende eintreten, jedenfalls unter dem unduldsamen progressiven Klerus. Und mancher Katholik staunte nicht schlecht, wer alles sich unter rechtgläubiger Schale als Modernist entpuppte. Der Trierer Bischof Ackermann erklärte etwa dem Trierischen Volksfreund, daß der Glaubenspräfekt gar keine Zuständigkeit habe, die Diskussion zu dieser Frage für beendet zu erklären. Raue Töne eines Bischofs, die noch rauer klingen, wenn man bedenkt, daß sie gegen und nicht für die Verteidigung der Glaubenslehre ausgesprochen werden. Damit entpuppte sich auch Bischof Ackermann als einer jener Kirchenvertreter, die sich nicht darum mühen, den Gläubigen die Richtigkeit und Menschenfreundlichkeit der göttlichen Ordnung und kirchlichen Lehre zu erläutern, sondernlieber die „konkrete Realität“ der Unordnung gegen die Glaubenslehre ausspielen. Seit wann hebt der Ungehorsam der Menschen Gottes Gesetz auf? Zum Ungehorsam gesellt manch deutscher Bischof noch den Stolz , wie er aus der Kritik an Kurienerzbischof Müller spricht. Man denke an die „Praxis“ in Bischof Gebhard Fürsts Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Freiburger Dialektik: Auf Jesus berufen, um Jesu Gesetz auszuhebeln?
Die Wortmeldungen der Rebellenbischöfe zeichnen sich durch zweideutige und extrem mißverständliche Formulierungen aus. Sie befinden sich damit ganz auf der Linie jener Handreichung, die Anfang Oktober vom Amt für Familienseelsorge der Erzdiözese Freiburg im Breisgau vorgelegt wurde. Die Worte sind undeutlich und sollen notdürftig kaschieren, was in der Praxis beabsichtigt wird. Glaubenslehre hin oder her, in der Praxis wolle man sich jedenfalls nicht mehr daran halten. Die Erzdiözese wurde bis vor kurzem vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Msgr. Robert Zollitsch geleitet, was die ganze Dimension des Ungehorsams veranschaulicht. Die Handreichung versteigt sich zu einem gewagten dialektischen Ausritt und stellt den menschlichen Ungehorsam gegen Gottes Gebot als Ausdruck der „menschlichen und respektvollen Haltung von Jesus im Umgang mit den geschiedenen Menschen und jenen, die sich entschieden haben, noch einmal standesamtlich zu heiraten“ dar. Die Handreichung beruft sich auf Jesus, um dessen eigenes Gebot auszuhebeln. Ein Widerspruch, der nicht nur einer Beleidigung des Intellekts, sondern auch einer Beleidigung Christi nahekommt. Laut „Freiburger Modell“ sollen die Wunden, Brüche und Spaltungen in den Familien nicht geheilt, sondern unterstützt werden.
Müllers Klarstellung ein Markstein, den einige Bischöfe hochmütig auszureißen versuchen
Die Klarstellung des Glaubenspräfekten stellt einen entscheidenden Markstein dar. Sie wurde auf der Internetseite des Heiligen Stuhls veröffentlicht und gilt damit als Aussage des Lehramtes. Im deutschen Episkopat, zumindest jenem Teil, der sich lautstark an die Öffentlichkeit drängte, fiel sie nicht auf fruchtbaren Boden. Der Glaubenspräfekt warnte ausdrücklich vor einer ganz konkreten Gefahr: „Durch die sachlich falsche Berufung auf die Barmherzigkeit besteht zudem die Gefahr einer Banalisierung des Gottesbildes, wonach Gott nichts anderes vermag, als zu verzeihen.“ Daher auch das negative Urteil über die Freiburger Eigenmächtigkeit, die „im Widerspruch zur Lehre und zum Lehramt der Katholischen Kirche“ steht. Eine Beurteilung, die von den Autoren bekanntlich hochmütig und ohne Einsicht zurückgewiesen wurde.
Das Spiel von Erzbischof Zollitsch und der fiktive „Blankoscheck“
Erzbischof Zollitsch spielt in der Sache ein wenig elegantes Spiel. Die Handreichung trägt nicht seine Unterschrift als Diözesanbischof und ist daher völlig wertlos. Veröffentlicht wurde sie wenige Tage nach seiner Emeritierung, so daß er – obwohl Diözesanadministrator bis zur Ernennung eines Nachfolgers – sich die Hände in Unschuld waschen kann. Gleichzeitig verbsäumt er aber keine Gelegenheit das Anliegen der Handreichung zu unterstützen, such indem er ankündigte, daß die Deutsche Bischofskonferenz zum Theme „klare, ja sehr klare Vorstellungen“ habe. Die Bischofskonferenz soll, geht es nach Zollitsch, Entscheidungen treffen und den Bischöfen die Möglichkeit bieten, sich hinter einem Kollektiv zu verstecken. Als Aufhänger wird eine Stelle aus dem neuen Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium genommen, in der Papst Franziskus bekundet, den Bischofskonferenzen „eine gewiße authentische Lehrautorität“ (EG 32) zu übertragen. Was das konkret bedeuten könnte, wird nicht gesagt und noch weniger wurden entsprechende Bestimmungen erlassen. Dennoch schloß Erzbischof Zollitsch umgehend daraus, daß Deutschland in Sachen wiederverheiratet Geschiedener einen Blankoscheck besitze.
500 Jahre nach Luther eine neue Kirchenspaltung?
Die deutschen Bischöfe scheinen auf einen offenen Bruch mit der katholischen Ehelehre hinzuarbeiten. Ein Bruch, der sich im März 2014 auf der Frühjahrstagung der Bischofskonferenz vollziehen dürfte. Dann müssen die Bischöfe einen neuen Vorsitzenden wählen, eine Stellung, für die sich Kardinal Marx schon länger bereithält. Dann soll, so der Wille von Zollitsch und anderer Bischöfe, die Freiburger Handreiche der Bischofskonferenz vorgelegt und von dieser für ganz Deutschland eingeführt werden. Und dies, obwohl eben diese Handreichung bereits von der Glaubenskongregation als antikatholisch entlarvt wurde, weil sie sich im offenen Widerspruch zur katholischen Glaubenslehre, zum kirchlichen Lehramt und der katholischen Tradition befindet. Wird Rom dem tatenlos zusehen? Werden alle deutsche Bischöfe sich diesem offenen Ungehorsam von Zollitsch, Marx & Co. anschließen oder werden einige mutig dagegen aufstehen? Es geht nicht um eine Frage des Geschmacks, sondern um die Frage, ob die deutsche Kirche 500 Jahre nach Luther eine weitere Kirchenspaltung hinzufügt, statt jene erste zu überwinden.
Häresie schon, Schisma nicht?
Die deutschen Bischöfe wollen kein Schisma, das würde sie vor enorme rechtliche Fragen stellen. Sie müßten eine neue Kirche gründen, die als Religionsgemeinschaft vom Staat anerkannt werden müßte. Das wäre alles kein Problem. Problematisch ist jedoch die Frage mit dem Reichskonkordat und damit der Finanzierung dieser neuen Körperschaft öffentlichen Rechts. Jeder einzelne Gläubige und derzeitige Kirchensteuerpflichtige müßte explizit den Übertritt in eine neue Zollitsch-Marx-Kirche erklären. Von den aktuellen Kirchensteuermilliarden bliebe da nur wenig übrig. Zudem hätte die neue Kirche weder Kirchengebäude noch Pfarrhäuser und Pfarrzentren. Sie wäre eine mittellose Kirche mit jener „Entweltlichung“, die von denselben Bischöfen, als Benedikt XVI. sie einforderte, sofort unter den Tisch gekehrt wurde. Nein, ein Schisma will man de jure nicht. Man möchte es nur de facto und das mit Zustimmung Roms, denn sonst darf Kardinal Marx im nächsten Konklave nicht mehr den Papst mitwählen oder sich sogar selbst darum bewerben.
Die jüngste Entwicklung läßt erahnen, unter welcher Spannung am Ende das Pontifikat Benedikts XVI. stand und mit welcher Genugtuung einige deutsche Bischöfe dessen Abtritt empfunden haben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Papa Ratzinger Blog