(Brüssel) Es wurde das „große Streitgespräch“ genannt. Am Sitz des Europäischen Parlaments fand eine Debatte zum neuen belgischen Euthanasiegesetz statt, das die Euthanasie auf Kinder ausdehnen soll. An der Diskussion nahmen Jan Bernheim, ein Befürworter des Gesetzes, Alex Schadenberg von der Euthanasia Prevention Coalition und Etienne Vermeersch, der „Vater“ (um einen Euphemismus zu verwenden) des belgischen Abtreibungs- und Euthanasiegesetzes teil. Der ehemalige Jesuit Vermeersch forderte die Reduzierung der Menschheit. Natürlich zu ihrem Besten. Und dafür scheint ihm so gut wie jedes Mittel recht.
Bernheim sprach als erster, wie Corrispondenza Romana berichtet. Er gab bekannt, daß in Belgien nicht nur die Ärzte Euthanasie betreiben, sondern auch die Krankenschwestern. Vermeersch erklärte, daß die Änderung des seit 2002 geltenden Euthanasiegesetzes deshalb „notwendig“ sei, um auch Behinderte umbringen zu können. Wörtlich sagte Vermeersch, „um die Anwendung der Euthanasie bei Behinderten zu ermöglichen“, unabhängig davon, ob sie Erwachsene oder Kinder sind. „Lähmung gibt das Recht auf Euthanasie“, sagte Vermeersch, der eine Schlüsselfigur ist, um zu verstehen, warum Belgien und die Niederlande weltweit zu Vorreitern in Sachen Euthanasie geworden sind. Die vier Senatoren der Regierung des wallonischen Sozialisten Elio Di Rupo, die den Entwurf einbrachten, haben de facto bereits eine breite, parteiübergreifende Mehrheit gefunden, die im Parlament das Gesetz unterstützen wird.
Euthanasiegesetz auf Kinder ausdehnen – Eid des Hippokrates „überholt“
Laut Gesetzesentwurf, den die liberalen Senatore Jeannine Leduc und Paul Wille einbrachten, könnten die Ärzte „das Leben eines Kindes beenden, wenn es sich in einer medizinischen Situation ohne Ausweg befindet, im Zustand dauerhaften und unerträglichen physischen und psychischen Leidens, und einen Antrag auf Euthanasie gestellt hat“. Von Vermeersch stammt die Idee und Theorie hinter dem Gesetz. Der Eid des Hippokrates? Überholt.
Vermeersch stammt aus einer katholischen Familie. 1953 trat er in den Jesuitenorden ein. Heute spricht er vom „großen Rückzug“. Fünf Jahre später bricht der Akademiker mit dem katholischen Glauben und wird zum militanten Atheisten oder, nach Eigendefinition, „ein Humanist“.
Jede Frau sollte maximal ein Kind zur Welt bringen dürfen
1979 forderte er Straffreiheit für Pädophilie. Sein Name ist vor allem aber mit der Überbevölkerungstheorie verbunden. Vermeersch gehört zu den Hauptvertretern der Theorie, daß die Hauptbedrohung der Menschheit die Überbevölkerung sei. Aus diesem Grund findet sich Vermeersch überall dort, wo Menschen getötet werden können, sei es durch Abtreibung vor der Geburt oder Euthanasie nach der Geburt. Schließlich sei jeder Mensch weniger, ein „Segen“ für die Menschheit und die Welt. So vertritt Vermeersch auch die Forderungen, daß die Regierungen eingreifen sollten, um die Geburtenrate zu beschränken. Eine Möglichkeit dazu sei, so Vermeersch, per Gesetz die Ein-Kind-Politik einzuführen. Jede Frau dürfe maximal ein Kind zur Welt bringen. Der belgische Ex-Jesuit verlangt eine weltweite Ausweitung der ebenso brutalen wie unmenschlichen Ein-Kind-Politik der Volksrepublik China. Denn, so Vermeersch, „die Alternative wäre eine noch weit größeres humanitäre Katastrophe“.
„Unmenschliche“ Theorien
Selbst Jan De Zutter, Bioethik-Experte der regierenden Sozialisten, bezeichnete Vermeerschs Theorien als „unmenschlich“.
Vermeersch forderte konsequenterweise auch die Abschaffung des hippokratischen Eides, den der Vater der Medizin 400 Jahre vor Christus verfaßte. Darin verpflichtet sich der Arzt, weder ein tödlisches Medikament zu verabreichen, nicht einmal wenn es der Patient selbst fordern sollte, noch ein solches zu empfehlen. Ebenso verpflichtet sich der Arzt, einer Frau kein abtreibendes Mittel zu verabreichen oder zu empfehlen, weil der Arzt der Heilung von Kranken und der Rettung von Leben verpflichtet ist. Durch Abtreibungs- und Euthanasiegesetze wird der Arzt jedoch vom Heiler zum Töter degradiert. Für Vermeersch ist nicht sein Tötungsdrang das Problem, sondern der Eid des Hippokrates überholt. „Es sind Regeln, die vor mehr als 2000 Jahren geschrieben wurden, die nicht mehr gelten.“
„Absolut unmoralisch, daß jeder Kinder hab en kann, nur weil er will“
Vermeersch ist der Autor des belgischen Abtreibungsgesetzes, das ausdrücklich festschrieb, daß alle Krankenhäuser, auch die katholischen, Abtreibungen anbieten und durchführen müssen. „Wir sind heute sieben Milliarden und 70 Millionen Menschen und das ist untragbar angesichts klimatischer Veränderungen und anderer Umweltfaktoren“, so Vermeersch. „907 Millionen Menschen leiden Hunger. Das bedeutet, daß einer von sieben Menschen Hunger leidet. Die Bevölkerung muß abnehmen.“
Für Vermeersch ist es „absolut unmoralisch, daß jeder Kinder haben kann, nur weil er es will. Wir betrachten es als Menschenrecht, daß jeder frei bestimmen kann, wie viele Kinder er haben will. Aber ein Recht, das zur Zerstörung der ganzes Spezies führt, ist nicht menschlich.“ Es brauche den „Mut, Grenzen zu setzen. China hat das mit der Ein-Kind-Politik getan“, so Vermeersch bei der Diskussionsveranstaltung in Brüssel.
„Sanfter Zwang“ durch Regierung, daß Frauen sich sterilisieren lassen
Der Ex-Jesuit und nunmehrige „Humanist“ gibt zwar zu, daß die chinesische Politik „sehr streng, aber notwendig ist“. Vermeersch hat auch Vorschläge, wie man die Frauen dazu bringen könnte, keine Kinder zu zeugen: „Durch Vergabe von Prämien an Frauen, die sich sterilisieren lassen“. Zur Durchsetzung dieser „Maßnahme“ erwartet sich Vermeersch „sanften Zwang“ durch die Regierungen.
Das ist das Gebräu aus Eugenetik, Despotismus und Geburtenfeindlichkeit, in dem das weltweit erste Gesetz des „süßen Todes“ für Kinder entsteht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana