(Vatikan) Paolo Deotto, Chefredakteur der „Riscossa Cristiana – Katholische Seite für Aktuelles und Kultur“ brachte seine Irritation über eine der jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zu Papier. Bei der Generalaudienz am 6. November machte der Papst eine Unterscheidung zwischen Sündern und Korrupten und zwischen Sünde und Korruption. Der Papst sagte, man könne Sünder sein, aber korrupt im Sinne von Schmiergeld zahlen und nehmen, das dürfe man nicht sein. Das Presseamt des Vatikans faßte die Aussage im Satz: „Sünder ja, Korrupte nein“ zusammen. Eine Aussage, mit der Paolo Deotto seine Schwierigkeiten hat und die Gedanken eines „armen Katholiken, der seine Seele retten möchte“, veröffentlichte. Es ist nicht das erste Mal, daß Papst Franziskus zwischen Sünde und einer Art Supersünde unterscheidet. Eine verwirrende Dialektik, wie der Chefredakteur von „Riscossa Cristiana“ meint.
.
Das Recht der Gläubigen, von den Hirten etwas Klarheit erwarten zu dürfen
von Paolo Deotto
Generalaudienz von Papst Franziskus. Ich bin mir sicher, daß es berufenere Personen als mich gibt, die imstande sein werden, die jüngsten Ausführungen des Papstes zu Sündern und Korrupten zu erklären. Ich habe nämlich leider nichts davon verstanden. Ich bin kein Theologe und versuche mich nachdrücklich nicht in Fachbereiche einzumischen, die nicht die meinen sind. Ich bin allerdings ein Katholik und ein Sünder, der zumindest ein Recht einfordern möchte: das Recht Hirten zu haben, die klare und unmißverständliche Worte sagen. Denn wenn nicht von ihnen, von wem dann soll ich mir Anleitung und Führung erwarten können?
In diesen Tagen las ich also, daß es Sünder gibt, die sich retten, wenn sie einsehen, Sünder zu sein und bereuen. Das verstehe ich perfekt. Es ist das, was die Kirche schon immer gelehrt hat, wenn auch vielleicht noch mit dem Zusatz, daß es notwendig ist, zu beichten und die Lossprechung zu erhalten, damit die Sünden vergeben sind.
Sünder und Korrupte zwei verschiedene Kategorien?
Dann las ich plötzlich auch, daß es die Korrupten und die Korrumpierer gibt, die natürlich nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Gemeint ist Wirtschaftskorruption, Leute die Schmiergelder zahlen und Schmiergelder annehmen. Und ich las, daß beide unheilbar und wirklich widerlich sind. Kurzum, der Papst sagte: „Sünder ja, Korrupte nein“. Mit diesem sofort erfolgreichen Schlagwort wurde von News.va, dem Official Vatican Network der Bericht über die Generalaudienz der vergangenen Woche übertitelt und von zahlreichen Medien übernommen.
Und genau ab da fühlte ich mich ein wenig verwirrt. Wenn nämlich die Korruption eine Sünde ist, schließe ich daraus, daß ein Korrupter ein Sünder ist und als solcher müßte er unter die Kategorie jener fallen, die bereuen und in der Beichte um Lossprechung bitten müssen. Oder ist die Korruption eine neue Kategorie, eine Art Super-Sünde, die nicht korrigierbar ist?
Wurde uns aber nicht immer gelehrt, daß alle Sünden vergeben werden können, außer einer einzigen, der Sünde gegen den Heiligen Geist (Mk 3,29)?
Sünden können vergeben werden, Korruption nicht?
Die strenge Ermahnung gegen jene Christen, die zwar Almosen geben oder ihre Kinder ernähren mit Geld, das sie durch Korruption erhalten haben, ist mir völlig verständlich. Das ist mir verständlich und leuchtet mir ein. Und es gab in der Kirchengeschichte gewaltige Mahn- und Bußprediger gegen dieses Laster.
Aber abgesehen von der obskuren Unterscheidung zwischen Sünde und Korruption, als wäre Letztere nicht nur ein Unterkapitel von Ersterer, bleibt noch eine Sache, die mich verstört und zwar nicht wenig.
Was mich weiterhin betrübt: Das Schweigen des Papstes zum täglichen Kindermord unter totaler Gleichgültigkeit
Wir haben schon gehört, daß man nicht „besessen“ (wörtlich) sein soll von Abtreibung, Euthanasie und so weiter, auch weil die Lehre der Kirche dazu klar ist. Gut. Aber müßten wir dann, so gesehen, eigentlich nicht über gar nichts mehr sprechen. Würde es nicht genügen, bei Bedarf in einem Nachschlagwerk nachzulesen? In Wirklichkeit sind wir aber eben Sünder und brauchen das ermahnende und belehrende Wort der Hirten und die heilbringende Wirkung der Sakramente.
In diesen betrüblichen Zeiten, in denen sich unsere Länder in einem feucht-fröhlichen Auflösungsprozeß befinden, fordert die Abtreibung, von der man nicht „besessen“ sein soll, aber täglich Opfer, ganz konkret, Dutzende, Hunderte, Tausende Kinder, Menschenleben, weit mehr als Lampedusa oder andere Migrantenwege ins „gelobte“ Europa. Kinder, die in der totalen Gleichgültigkeit getötet werden, in totaler Gleichgültigkeit sterben müssen. Die Familie ist auf dem Weg, nur mehr Erinnerung aus vergangener Zeit zu werden. Es genügt die Statistiken lesen.
Das Schweigen, daß Homosexuelle zu Bürgern Erster Klasse, alle anderen Zweiter Klasse werden – einschließlich Strafverfolgung
Einige europäische Staaten (und weitere folgen) haben bereits Gesetze erlassen, die Homosexuelle als eine besondere Kategorie anerkennen, obwohl vernünftig nicht ersichtlich ist, warum dem so sein sollte. Homosexuelle bekommen dadurch Sonderschutz und werden damit zu Super-Bürgern, zu Bürgern erster Klasse.
In diesen Tagen wird über die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation zur Kindersexualerziehung gesprochen, die schon im Kindergartenalter ansetzt. Diese Richtlinien sehen „theoretisch und praktisch“ den Unterricht zu Themen von wirklich hohem moralischen Wert vor, das muß man schon sagen, Themen wir Masturbation, außereheliche sexuelle Beziehungen und natürlich, wie könnte es anders sein, Homosexualität. Da die Phantasie des Bösen keine Grenzen kennt, können wir nur mit Schaudern abwarten, was uns als nächstes vorgesetzt werden wird.
Wer die Macht in Händen hält, scheint den vernichtenden Schlag gegen unsere Zivilisation zu planen. Papst Benedikt XVI. war bisher der einzige, der diese Enddramatik erkannte und aufgriff. Es geht um die Errichtung einer neuen Ordnung, die jene Gottes ersetzen soll. Und jene, die diese göttliche Ordnung verteidigen oder auch nur erwähnen, wird der Verfolgung aussetzt, wie es bereits in den „zivilisiertesten“ Ländern geschieht, man denke an Großbritannien und andere angelsächsische Staaten.
Wer uns Vater und Führer sein sollte, erhebt seine Stimme nicht
Angesichts dieser offenkundigen Entwicklung, zumindest für jene, die es nicht vorziehen, den Kopf in den Sand zu stecken, warten wir vergebens, daß jene die Stimme erheben, die uns eigentlich Vater und Führer sein sollten. Nur der eine oder andere vereinzelte Bischof fand klare Worte.
Bei allem gebotenen Respekt für den Stellvertreter Christi auf Erden: Darf ich meine Verwirrung angesichts dieses Schweigens zum Ausdruck bringen? Darf ich daran erinnern, daß es falsche Christen sein mögen, die sich nach außen großzügig gegenüber der Kirche erweisen, aber korrupt sind, daß es aber nicht minder falsche Christen sind, die sich als Christen geben, aber in den Gremien und in den Parlamenten für antichristliche, freiheitszerstörende und menschenfeindliche Gesetze stimmen?
Schmiergelder sind eine schlimme Sache, aber ist es wirklich das Hauptproblem?
Die Korruption ist eine schlimme Sache, das wird niemand in Abrede stellen. Ist sie aber wirklich das Hauptproblem? Wenn die Seelen der Menschen, der Völker und der Staaten noch mehr korrumpiert sein werden, wenn wir Homo-Ehen und Homo-Adoptionen haben werden, wenn wir noch mehr Abtreibungen und Designer-Kinder haben werden, wenn die neue Staatsreligion des Relativismus den alten Glauben ersetzt haben wird, wie Frankreichs Bildungsminister es herbeisehnt, werden wir dann wirklich keine Wirtschaftskorruption mehr haben? Wird dann wirklich keiner mehr Schmiergeld annehmen? Werden wir dann alle gerettet sein? Wer soll denn noch gerettet werden, wenn der katholische Glauben in einer Schublade verschwunden und dort eingeschlossen sein wird?
Braucht es wirklich immer „Papstdeuter“, die danach erklären, was der Papst mit klaren Worten sagen sollte?
Es wird sicher, wie ich eingangs sagte, berufenere Stimmen geben, die uns genau erklären können, was Papst Franziskus wirklich mit seinen Worten gemeint hat. Um ehrlich zu sein finde ich es nicht minder seltsam als die obskure Aufspaltung von Sünder und Korrupten, von Sünde und Korruption, wenn es nun schon öfter lange Ausführungen von Dritten braucht, um zu erklären, was der Papst uns mit klaren und unmißverständlichen Worten sagen sollte.
Bis zu den offensichtlich notwendigen, erklärenden Fußnoten von „berufener“ Seite dürfen wir wieder den lautstarken Applaus der kirchenfernen Presse erleben. Und ich gebe zu, ich bin wahrscheinlich etwas „konservativ“, und der Applaus der Welt irritiert mich immer neu und ruft Zweifel in mir wach.
Ich fordere mein Recht, Hirten haben zu wollen, die mit klarer Sprache Lehre der Kirche verkünden
Ich bin kein Theologe, ich bin kein „berufener“ Papstdeuter, ich bin nur ein armer Katholik, der seine Seele retten möchte. Ich würde mir nie erlauben, mich zum Richter über die Worte des Papstes aufzuschwingen. Das steht mir nicht zu. Aber ich fordere als einfacher Katholik mein Recht ein, mich verwirrt fühlen zu dürfen. Und ich fordere ebenso mein Recht ein, Hirten haben zu wollen, die mit klarer und unmißverständlicher Sprache die Lehre der Kirche verkünden. Ist das legitim oder nicht?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Riscossa Cristiana