Anläßlich der erneuten Verhaftung und Inhaftierung von zwei Vätern am 15.11.2013, die es wiederholt wagten, die Rechte ihrer Kinder und ihr elterliches Erziehungsrecht der staatlichen Zwangssexualisierung entgegenzuhalten, drängt sich die Frage auf, die bei solchen Meldungen immer wieder gestellt wird: Warum liegt dem Staat so viel daran, 12jährige Schüler gegen ihren erklärten Willen rigoros in seinen Sexualkundeunterricht zu zwingen und Eltern mit Bußgeldern und Haft zu belegen, weil sie sich schützend vor ihre Kinder stellen und die schamzerstörende, radikal deregulierende staatliche Sexualerziehung als massiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ihrer Kinder (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG) und in ihr vorrangiges elterliches Erziehungsrecht (Art. 6 II Satz 1 GG) nicht hinnehmen?!
Die Durchsetzung der Sexualerziehung gegen den Willen von Schülern und Eltern hat gezeigt, daß es dem Staat nicht um jene geht, sondern um die Umerziehung in eine neue Gesellschaft. Die Sexualerziehung ist das Vehikel dazu. Darum will er seine Sexualvorstellungen möglichst lückenlos und durch die schulische, fächer-übergreifende Sexualerziehung zum Sexualverständnis der Gesellschaft machen. Warum? Ein kurzer geschichtlicher Rückblick:
In der Mitte der 60er Jahre erreichte die Sexualwelle (gleichzeitig mit der Freigabe der Anti-Baby-Pille) von den USA herkommend Europa. In Deutschland machte 1968 die Studentenrevolte, die es sich zum Ziel setzte, die Gesellschaft zur Anarchie zu verändern, die „Befreiung zur Sexualität“ zu einem Programmpunkt ihres „Marsches durch die Institutionen“. Die Herrschafts- und Gesetzlosigkeit (Anarchie) soll nach dieser Weltsicht zur Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen führen.
„Die 1969 von SPD/FDP übernommene Regierung öffnete dieser … staatsfeindli-chen Idee alle Tore. Die Sexualität wurde ihrer Tabuzone enthoben. Die Lust avancierte zum höchsten Garanten des Lebensglücks. Alle herkömmlichen Bastionen der Eingrenzung wurden als eine zu überwindende ‚Leibfeindlichkeit‘ diskriminiert“ (Christa Meves, Thomas Schirrmacher: „Ausverkaufte Würde?“ 2000, S.15/16).
Die Sexualerziehung avancierte durch Beschluß der Kultusministerkonferenz 1968 zum revolutionierenden, fächerübergreifenden Unterrichtsfach – ein Trojanisches Pferd, von einigen durchschaut, bekämpft bis zum Bundesverfassungsgericht (1977), aber ohne Erfolg.
„Gemäß der marxistischen Ideologie wurde die Parole ausgegeben, daß das Kind vom Säuglingsalter an in Sexualität einzuüben sei (denn alles sei eine Frage von Lernprozessen), um das hohe Lustziel auch zu erreichen. Eine Schwemme von Aufklärungsaktionen setzte ein, um spätestens vom Kindergarten ab die Kinder so einzustimmen, daß sie bis zum Beginn der Pubertät für jegliche sexuelle Betätigung aufbereitet seien; denn so war und ist bis zum heutigen Tag der Tenor (bis in die Aufklärungsschriften der Regierung hinein). Alle Formen von Sexualität dienen gleichermaßen hedonistischer Lebenssteigerung. Sie haben deshalb alle eine gleich gute Gültigkeit, wenn sie nur gekonnt so gehandhabt werden, daß keine Kinder dabei gezeugt werden“ (Meves/Schirrmacher, ebd).
Die menschliche Sexualität in dieser enttabuisierten Weise mit Kindern und Jugendlichen in Wort, Schrift, Bild, Ton und anderem Anschauungsmaterial im Schulunterricht zu behandeln, führt zum – gewollten – Verlust der Scham.
Der Mensch verliert mit dem Verlust der Scham den Schutz, den ihm die Scham gibt, nämlich schamlose Übergriffe abzuwehren und selbst solche zu unterlassen.
Durch die Enteignung des Schamempfindens sind nicht nur alle sexuellen Tabus (Ausnahme die Pädophilie) gebrochen worden, sondern alle anderen moralischen Normen, Übereinkünfte, ja die ganze Gesellschaftsordnung ist zur Disposition gestellt. Der Schamverlust ist der Boden aller Deregulierungen, denen wir seit der 1968 beginnenden Revolution mehr und mehr ausgesetzt sind. Anarchie oder Totalitarismus sind die alternativen Folgen.
Die staatliche Sexualerziehung ist die Initialzündung zur Gesellschaftsrevolution, die 1968 für alle erkennbar begonnen hat, aber dann still ihren Gang durch die Institutionen, unbemerkt von der breiten Masse, vollendet hat.
Diese stetig fortschreitende Aufhebung geltender Ordnungen erleben wir sehr deutlich seit der Einführung der staatlichen Sexualerziehung 1968 an der juristischen Deregulierung der Sexualität. Hier einige der Veränderungen:
- Einführung der staatlichen fächerübergreifenden Sexualerziehung an den Schulen 1968 (bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht 1977),
- teilweise Abschaffung der Strafbarkeit der Homosexualität (1969),
- Freigabe der Pornographie (1973),
- Liberalisierung der Abtreibung (1967),
- Wegfall des Schuldprinzips bei Scheidungen (1977),
- vollständige Abschaffung der Strafbarkeit der Homosexualität (1994),
- Gender-Mainstreaming wird Leitprinzip und Querschnittsaufgabe der Politik, d.h. Auflösung der bipolaren Geschlechtsidentität (1999),
- gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft (2001) … .
Parallel dazu fand eine Deregulierung des Rechts statt, die fast gänzlich zur Aufhebung des elterlichen Erziehungsrechts (Art. 6 II Satz 1 GG) geführt hat.
Art. 6 II Satz1 GG lautet: „Die Pflege und Erziehung der Kinder ist das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“
Im Zweiten Familienbericht der Bundesregierung (1974) ist das Programm zur Deregulierung des Eltern- und Kindesrechts zu lesen (zitiert nach I. Lück, „Alarm um die Schule“, 1980, S. 374/75):
„‚Erziehung der Kinder ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe besonderer Art und Bedeutung. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe überträgt unsere Gesellschaft Familien und außerfamiliären Einrichtungen.‘
Es verschlägt einem den Atem. Die Gesellschaft überträgt den Familien die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Kindererziehung! Darum setzte die Kommission ‚leibliche Eltern‘ in Anführungszeichen, darum nennt sie die Eltern ‚Dauerpflegepersonen‘, darum will sie diese Dauerpflegepersonen für die pädagogischen Dienstleistungen durch ein Erziehungsgeld entlohnen, daher befürwortet sie die Tagesmütter und fordert Servicezentren für Kinderbetreuung, daher fordert sie Ganztagsschulen … . Sobald die Erziehung der Kinder als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen und durchgeführt wird, ist die Freiheit des Einzelnen und die der Familie beendet. Eltern und Kinder gehören dann nicht mehr ursprünglich zusammen, beide wären bereits vom Augenblick der Geburt des Kindes voneinander durch die Gesellschaft getrennt. Die Gesellschaft als Erziehungsinstitution hebt das ‚natürliche Recht der Eltern‘ auf Pflege und Erziehung der Kinder auf.“
Daß dieses Programm der Verstaatlichung der Kinder heute mit Macht realisiert wird, kann nicht übersehen werden.
Mit § 1631 Abs. 2 BGB hat der Staat das „natürliche“ und den Eltern „zuvörderst“ zustehende Erziehungsrecht seiner eigenen Kontrolle unterworfen. § 1631 Abs. 2 BGB lautet:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigenden Maßnahmen sind unzulässig.“
Auf Grund dieser Norm hat sich der Staat die Möglichkeit geschaffen, Erziehungsmaßnahmen der Eltern strafrechtlich (der Klapps auf das Gesäß als Körperverletzung) und/oder durch Entzug (auch Teilentzug) des elterlichen Erziehungsrechts zu verfolgen.
Die Rechtsprechung fördert die Deregulierung des Elternrechts und das der Kinder.
Die Inhaftierung der beiden Väter beweist dies. Diese Gerichtspraxis vom Amtsgericht bis zum Bundesverfassungsgericht beobachtet und kritisieren SchuzH und auch andere seit Jahren. Rechtliche und wissenschaftliche Argumente werden ignoriert.
Der Bundesgerichtshof urteilte – allen wissenschaftlichen Beweisen zum Trotz –, z.B. Privatunterrichtung (Hausunterrichtung, Homeschooling) verletze per se das Kindeswohl (BGH XII ZB 42/07). Damit gelten weder die wissenschaftliche Beweisführung noch offensichtliche Fakten, denn in den meisten Ländern der Welt werden Kinder zu Hause unterrichtet, ohne daß dadurch ihr Wohl gefährdet wird. Anstelle dieser offensichtlichen Beweise tritt die Ideologie. Das ist Deregulierung von Gesetz, Recht, Fakten und Wissenschaft. Die Folge ist Willkür.
Die Krabat-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (6 C 12.12) verfügt schamlos über das „natürliche“ und „zuvörderst“ den Eltern zustehende Erziehungsrecht, indem es entschied (S.11):
„Mit ihr (der Schulpflicht) haben die Eltern hinzunehmen, daß der Staat als Bildungs- und Erziehungsträger im Umfang des schulischen Wirkungsfeldes an ihre Stelle tritt, womit ihre Möglichkeit, unmittelbar in eigener Person pädagogisch auf ihre Kinder einzuwirken, auf den außerschulischen Bereich beschränkt wird.“
Das heißt, die Schüler, die noch das naturgegebene Schamempfinden haben, müssen – so der Staat – an der Sexualerziehung teilnehmen, um ihre Schamempfindungen abzutrainieren, damit sie sich den staatlichen Deregulierungsmaßnahmen nicht widersetzen.
Habermas, einer der namhaftesten Vertreter der sogenannten 1968er Revolution, sprach von drei Phasen für die Revolutionierung unserer Gesellschaft im Sinne des Neo-Marxismus (I. Lück: „Alarm um die Schule, 1980, S.58):
- „Phase der Kritik und der Umdeutung der Überlieferung im Sinne des Marxismus als Theorie der Geschichte und der Wirklichkeit.
- Phase der Erschütterung der Normen und Weltbilder bis zum Brüchigwerden der Legitimation des bestehenden Systems.
- Manifest geführter Klassenkampf als einzige Praxis zur Überwindung des falschen Systems.“
Mit „falsches System“ ist in diesem Sinne unsere Gesellschaft gemeint, wie sie noch 1968 bestand.
Text: Gabriele Eckermann ist Mitglied im Schulunterricht zu Hause e.V. (SchuzH)
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