(Rom) Die Historikerin Cristina Siccardi befaßt sich mit der Würde des Papsttums, die auch durch einen unwürdigen Nachfolger nicht beeinträchtigt werden könne, da sie nicht vom jeweiligen Amtsinhaber herrührt, sondern vom Apostel Petrus, den Christus selbst mit diesem Amt und dieser Würde ausgestattet hat. Und Petrus wiederum repräsentiert niemand anderen als Christus selbst. Cristina Siccardi veröffentlichte vor kurzem das neue Buch „Der Winter der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil“. Der Aufsatz erschien für „Corrispondenza Romana“.
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Die Würde wird nicht weniger durch einen unwürdigen Erben
von Cristina Siccardi
„Tu es Petrus“, mit diesen Worten verwandelte Christus den Simon zum Apostelfürsten und übergab ihm auf Erden die Leitungsgewalt über seine Kirche. „Wer denken kann, dem flößt dieses historische und evangelische Echo, das sich zur gegenwärtigen und lebendigen Realität macht, fast Furcht ein, und löst eine grundlegende innere Frage aus: ‚Ist der Papst wirklich Petrus?‘“, fragte Papst Paul VI. bei der Generalaudienz vom 15. Juli 1964 und gab eine feierliche Antwort: „Die Gestalt des Papstes erscheint in diesem majestätischen und glanzvollen Bild (…) und erfreut sich des geradezu prophetischen Widerscheins, der von der triumphierenden Kirche im Himmel auf die irdische Kirche fällt, die noch wandert, kämpft und leidet.“
Ein großer Trost für die Seelen, im Papst den Petrus zu erkennen
Ein großer Trost legt sich auf die Seelen, die sofort in seinem „bescheidenen, aber so verehrten Nachfolger, dem gegenwärtigen Papst“ den Menschen, aber auch den Petrus zu erkennen vermögen. Es gibt aber auch jene, die sich schwertun, den Papst mit dem Petrus zu identifizieren wegen der Eleganz, in der er sich zeigt. Und Paul VI. fragte erneut: „Würde nicht der arme Mantel eines Fischers und Pilgers ein getreueres Bild von Petrus zeigen, als das Gewand eines Pontifex und Herrschers, das seinen Nachfolger ziert?“ Seine Antwort: „Aber dieses Gewand schließt jenen Mantel nicht aus!“
Das kostbare Gewand bedeutet, so Papst Paul VI., „einen Akt des Glaubens, mit dem die Kirche nach vielen Jahrhunderten noch mit derselben Sicherheit wiederholt: Ja, das ist er, das ist Petrus. Es ist wie ein Gesang mit lauter Stimme: Du bist Petrus; es ist eine Wiederholung, die in einem wunderbaren Kultus das von Christus vollbrachte Wunder feiert; es ist nicht eitle Prunksucht, sondern ein ehrfürchtiges Bemühen, um einer Tatsache des Evangeliums Sichtbarkeit und Widerhall zu verschaffen, die für die Weltgeschichte und für das geistliche Schicksal der Menschheit entscheidend ist.“
Das „Konzil“ mit einer Leiche
Die Symbole sind ein faßbarer Glaubensbeweis. Dennoch kann die Kirche in ihrer Geschichte, da sie Menschen und nicht Engeln übergeben wurde, manchmal auch an sich selbst leiden, an ungenügenden, aber auch an finsteren Erscheinungen. Ein Beispiel ist der Fall von Papst Stephan VI., der von 896–897 regierte. Er folgte auf Bonifatius VI., der nach dem Tod von Papst Formosus 896 gewählt wurde, aber nur 15 Tage im Amt blieb. Das Jahr 896 wurde damit zum Dreipäpstejahr wie 1978. Stephan VI. beschloß aufgrund von Machtkämpfen verschiedener Parteiungen (heute würde man von Lobbys sprechen), die Papstwahl von Formosus zu annullieren. Dazu berief er 897 die „Leichensynode“ nach Rom ein, die auch als „Kadaverkonzil“ bekannt wurde.
Die Leiche des einbalsamierten Formosus wurde aus dem Grab geholt und auf einen Stuhl gesetzt, um einen Schauprozeß gegen diesen rechtmäßigen Papst zu inszenieren, der ganze drei Tage dauern sollte. An die Seite des Toten wurde ein Diakon gestellt, der an seiner statt auf die Anklagen zu antworten hatte. Das „Konzil“ fand in einem Klima von Drohungen und Erpressungen statt. Das Urteil bestand in der Verurteilung von Papst Formosus und der Annullierung aller von ihm als Papst getätigten Akte.
Der durch einen Papst geschändete Leichnam eines Papstes
Seine Leiche wurde der päpstlichen Gewänder entkleidet, in denen er bestattet worden war. Man zog ihm weltliche Kleidung an, um damit die Ungültigkeit seiner Wahl und die Annullierung seines Pontifikats zum Ausdruck zu bringen. Schließlich wurden ihm mit dem Zeige- und dem Mittelfinger die Schwurfinger der rechten Hand abgetrennt, mit denen der Segen und die Weihen gespendet werden. Formosus, solchermaßen zugerichtet, wurde zunächst auf dem Friedhof der Ausländer begraben, um ihn als Fremden, Ausgestoßenen zu zeigen. Später wurde er erneut exhumiert, enthauptet und ihm auch die verblieben drei Finger der rechten Hand abgetrennt. Seine Leiche wurde in den Tiber geworfen.
Außerhalb von Rom wurde sie mit dem Netz eines Fischers jedoch geborgen. Ein Mönch versteckte sie im Kloster bis zum Pontifikat von Theodor II., der die Leiche in die Peterskirche überführen und dort beim Grab des Petrus beisetzen ließ. Stephan VI. war noch im Jahr 897 seiner Würde beraubt und wahrscheinlich gezwungen worden, Mönch zu werden. Die Lateranbasilika, Mutterkirche aller Kirchen war eingestürzt. Das Volk machte Stephan VI. und seinen makabren Frevel der „Leichensynode“ dafür verantwortlich, den Zorn Gottes herausgefordert zu haben. Er wurde später eingekerkert und schließlich erwürgt.
„In der Demut meiner Person möge man jenen sehen und ehren“, nämlich Petrus und durch ihn Christus
Trotz allem war dennoch auch er ein Stellvertreter Christi auf Erden, obwohl das Papsttum unter ihm den wohl tiefsten Punkt in der Geschichte erreicht hatte. Wie Paul VI. eben in der Generalaudienz vor bald 50 Jahren sagte: „die dem Papst gezollte Ehre gilt nämlich nicht ihm, und um genau zu sein nicht einmal dem Simon Petrus, sondern dem glorreichen Christus, dem wir alles verdanken, und dem wir nie ausreichend genug Ehre entbieten können. Wir können daher mit gutem Grund wiederholen, was Papst Leo der Große von sich sagte: ‚In der Demut meiner Person möge man jenen sehen und jenen ehren (nämlich Petrus, und wir können noch ergänzen, nämlich Christus), der die Dienstbarkeit aller Hirten enthält… und dessen Würde wird nicht weniger durch einen unwürdigen Erben‘“.
Text: CR/Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana