Putin besucht Papst Franziskus – Neue „Strategische Partnerschaft“?


Wladimir Putin trifft Papst Franziskus(Moskau/​Vatikan) Ruß­lands Staats­prä­si­dent Wal­d­imir Putin wird Papst Fran­zis­kus einen Besuch abstat­ten. Die Audi­enz ist für Mon­tag, den 25. Novem­ber vor­ge­se­hen. Das Tref­fen wur­de vom rus­si­schen Staats­ober­haupt nach­drück­lich gewünscht. Die Diplo­ma­ten des Kreml such­ten vor weni­gen Wochen den Vati­kan auf, um für die Ita­li­en­rei­se Putins, die ihn nach Tri­est führt, auch eine Etap­pe in Rom ein­zu­schie­ben. Ein Wunsch, dem im Vati­kan sofort ent­spro­chen wur­de. Am sel­ben Tag wird der Herr im Kreml auch dem ita­lie­ni­schen Staats­ober­haupt einen Höf­lich­keits­be­such abstat­ten, wie es die diplo­ma­ti­schen Gepflo­gen­hei­ten so vor­se­hen. Das eigent­li­che Rei­se­ziel ist aber Papst Franziskus.

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Putin geht es nicht nur um einen Pho­to­ter­min, der ihn neben dem katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt ver­ewigt. In Ruß­land sucht man seit eini­gen Jah­ren ein neu­es Netz stra­te­gi­scher Part­ner­schaf­ten zu knüp­fen. Sicht­bar wur­de dies mit der Annä­he­rung zwi­schen der Rus­sisch-ortho­do­xen und der Katho­li­schen Kir­che unter Papst Bene­dikt XVI. Eine Annä­he­rung, die sich unter dem amtie­ren­den Patri­ar­chen von Mos­kau, Kyrill ver­stärk­te. Die Annä­he­rung betrifft jedoch nicht nur die kirch­li­che, son­dern auch die poli­ti­sche Ebe­ne. Und läßt erken­nen, daß es nicht nur um eine rein poli­ti­sche Fra­ge geht.

Moskau auf der Suche nach strategischen Verbündeten

In Mos­kau sucht man nach Gemein­sam­kei­ten und poten­ti­el­len Ver­bün­de­ten für ein Gegen­ge­wicht zu den USA. Ein Kräf­te­mes­sen unter ganz neu­en Vor­zei­chen. Es geht um natio­na­le Inter­es­sen, um Geo­po­li­tik, um Ein­fluß. Es geht aber auch um ein sche­men­haft erkenn­ba­res Gegen­mo­dell zur neu­en west­li­chen Staats­dok­trin des Rela­ti­vis­mus. Auf die­ser Ebe­ne for­dert Putin den Westen her­aus. Er tat dies durch Unter­stüt­zung der Geg­ner der Homo-Ehe in Frank­reich und durch die Wei­ge­rung Ruß­lands, sich den USA unter­zu­ord­nen und dem US-Kar­tell ein­zu­fü­gen. Neben einem natio­na­len Gegen­satz ist ein neu­er ideo­lo­gi­scher getre­ten. Ein Gegen­satz, der glo­bal aus­ge­tra­gen wird, wie die Aus­strah­lung ver­schie­den­spra­chi­ger Pro­gram­me durch das Rus­si­sche Fern­se­hen zeigt. Eine eng­li­sche und eine spa­ni­sche Redak­ti­on sol­len wei­te Tei­le der Welt mit einer Gegen­in­for­ma­ti­on zu den west­li­chen Fern­seh­an­stal­ten beliefern.

Die viel­ver­spre­chen­den Kon­tak­te, die unter Bene­dikt XVI. zwi­schen Mos­kau und dem Vati­kan ent­stan­den sind, sol­len, so der Wunsch des Kremls, aus­ge­baut wer­den. Man sieht die Chan­ce, den Weg mit Papst Fran­zis­kus fort­set­zen zu kön­nen. Die letzt­ent­schei­den­de Son­die­rung will Putin am 25. Novem­ber per­sön­lich vor­neh­men. Syri­en wird dabei nur ein The­men­feld sein, bei dem sich Gemein­sam­kei­ten zei­gen. Ruß­land signa­li­siert im Nahen Osten Bereit­schaft, die Rol­le einer Schutz­macht für die Chri­sten zu über­neh­men, die der Westen für ande­re Inter­es­sen auf­zu­ge­ben scheint.

Offener Brief von Franziskus an Putin: Rolle Rußlands anerkannt

Mit einem Offe­nen Brief Anfang Sep­tem­ber an Putin, mit Blick auf den G20-Gip­fel in Sankt Peters­burg, signa­li­sier­te Papst Fran­zis­kus, Ruß­land eine maß­geb­li­che Rol­le zuzu­er­ken­nen. Kon­kret ging es um den Syri­en-Kon­flikt. Prompt folg­te eine Koope­ra­ti­on auf diplo­ma­ti­schem Gebiet zwi­schen Vati­kan und Ruß­land bei der Ent­schär­fung des Kon­flikts durch die Zer­stö­rung der Che­mi­schen Waf­fen, zu der sich Syri­ens Staats­prä­si­dent Assad bereit erklärte.

Das Schick­sal der Chri­sten im Nahen Osten wird The­ma des Tref­fens sein. Papst Fran­zis­kus ver­mied bis­her jede Geste, die in irgend­ei­ner Wei­se vom Westen oder auch von Ruß­land in anti­is­la­mi­scher Wei­se aus­ge­schlach­tet wer­den hät­te kön­nen. Im Gegen­satz zum Westen ver­mied er jede Erwäh­nung und jedes Lob für den „Ara­bi­schen Früh­ling“, in des­sen Wind­schat­ten die Isla­mi­sten im gesam­ten Nahen Osten einen unge­ahn­ten Macht­zu­wachs erle­ben. Er ver­mied aber auch jede Auf­for­de­rung an die alten Schutz­mäch­te, sich jen­seits diplo­ma­ti­scher Akti­vi­tä­ten für den Schutz der Chri­sten im Ori­ent einzusetzen.

Eine neue „Heilige Allianz“? – Argentinischer Papst steht nicht mehr in Ost-West-Logik des Kalten Kriegs

In Ruß­land besteht durch­aus ein Inter­es­se, an einer Art “Hei­li­ger Alli­anz“ zu schmie­den. Mos­kau hat viel von den alten Res­sen­ti­ments gegen­über dem Westen und sei­nen Ver­tre­tern abge­legt. Was für den Mos­kau­er Patri­ar­chen mit einem pol­ni­schen Papst noch undenk­bar schien, wur­de bereits unter einem deut­schen Papst mög­lich. Ein Papst aus Argen­ti­ni­en steht für Mos­kau end­gül­tig nicht mehr in der alten Ost-West-Logik, in der die Katho­li­sche Kir­che als Teil der nord­at­lan­ti­schen Alli­anz gese­hen wur­de. Auch des­halb sieht man im Osten neue Chan­cen der Annäherung.

Chan­cen, die auch viel­leicht zur seit lan­gem still und schritt­wei­se vor­be­rei­te­ten Begeg­nung zwi­schen einem Papst und einem Patri­ar­chen von Mos­kau füh­ren könn­te. Der Weg dazu führt für Mos­kau über eine gemein­sa­me Ver­tei­di­gung nicht­ver­han­del­ba­rer Werte.

Päpstliche Gesten des Wohlwollens für Orthodoxe

Papst Fran­zis­kus sen­de­te sei­ner­seits bereits meh­re­re wohl­wol­len­de Gesten in Rich­tung Ortho­do­xie aus. Auf dem Rück­flug von Rio de Janei­ro äußer­te er sich bewun­dernd über die ortho­do­xe Lit­ur­gie, die das Sakra­le stär­ker bewahrt habe. Im Civil­tà  Cat­to­li­ca-Inter­view sag­te er über die Ortho­do­xen: „Von ihnen kann man noch mehr den Sinn der bischöf­li­chen Kol­le­gia­li­tät und die Tra­di­ti­on der Syn­oda­li­tät lernen“.

Am 12. Novem­ber wird bereits der „Außen­mi­ni­ster“ des Mos­kau­er Patri­ar­chats Metro­po­lit Hila­ri­on Alfe­yew nach Rom kom­men. Anlaß ist die Vor­stel­lung eines Buches mit Bei­trä­gen des rus­si­schen Phi­lo­lo­gen Ser­gej Aver­int­s­ev (1937–2004), der als Ortho­do­xer Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Sozi­al­wis­sen­schaf­ten war. Hila­ri­ons Auf­ent­halt in Rom sieht auch vor­be­rei­ten­de Gesprä­che für den 25. Novem­ber vor.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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