(Rom) Am 3. Oktober wurde Papst Franziskus vom Künstler und den Sponsoren eine neue Ferula überreicht. Beim Besuch des römischen Friedhofs Verano am Hochfest Allerheiligen gebrauchte sie der Papst erstmals in der Öffentlichkeit. Geschaffen wurde sie vom römischen Goldschmied und Bildhauer Maurizio Lauri von Trastevere. Die päpstliche Ferula trägt den Namen Crux Gloriosa. Die Materialien stammen aus „fairem und solidarischem Handel“.
Die Ferula wurde ausschließlich aus „ethisch“ korrekten Materialien hergestellt. Aus Mahagoni, Bronze und Silber, die mit Methoden gewonnen wurden, die umweltschonend sind und die örtliche Bevölkerung nicht ausbeuten. Die Sponsoren sind die Gesellschaft Goldlake der italienischen Konzerngruppe Financo, die Bergwerke in Argentinien und Honduras betreibt. Das Silber wurde in Honduras gewonnen. Aus diesem Grunde war auch Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga bei der Ferula-Übergabe anwesend. Kardinal Maradiaga ist Koordindator des C8-Kardinalsrats, den Papst Franziskus im vergangenen April ernannte.
Die Ferula als Insignie päpstlicher Autorität bestand ursprünglich aus einem goldenen corpuslosen Kreuz. Seit Papst Paul VI. wurde ein Stab verwendet, der an seiner Spitze nicht in einem Kreuz mündete, sondern in einem Kruzifix. Papst Benedikt XVI. legte dieses silberne Scorzelli-Kreuz wieder ab und kehrte zur klassischen goldenen Kreuz-Ferula zurück. Die neue Lauri-Ferula stellt eine neue Mischung dar. Sie besteht aus einem Kreuz, auf dem nicht der Gekreuzigte, sondern der Auferstandene Christus dargestellt ist und sie ist versilbert und nicht vergoldet.
„Die Crux Gloriosa will das Leben bezeugen, das den Tod überwindet, den Körper, der die Grenzen überschreitet, die beängstigende Barriere des Endes…“
Ein Theologe kommentierte dazu für Messa in Latino: „Laut dem, was ich lese, habe der Goldschmied und Bildhauer Lauri zur neuen päpstlichen Ferula erklärt: ‚Die Darstellung von Christus – die sich vom trockenen und gewundenen Kreuz, das nun seines Sinns entleert ist, langsam ablöst – ist Spannung zum Licht hin, Befreiung einer komprimierten Energie, ein Flugversuch; in Wirklichkeit nimmt der Akt der Transhumanz, ein Moment, den die Überlieferung tragisch und sehr menschlich sehen will, die Auferstehung vorweg, sie drückt den bereits besiegten, überwundenen, abgelösten menschlichen Schmerz aus.‘
Beginnen wir beim Wort Transhumanz! Ich bin sicher, daß es sich um einen Wiedergabefehler handelt oder bestenfalls um ein herausgerutschtes Wort, denn in zweitausend Jahren hat noch nie jemand Unseren Herrn als Schaf bezeichnet.
Als Lamm ja, aber von einer ganz anderen Art als jene, auf die sich der Begriff Transhumanz anwenden ließe.
Wenn wir also annehmen, daß er einen Übergang von einer Daseinsbedingung zu einer anderen meinte, müßte allemal daran erinnert werden, daß Jesus, wahrer Mensch, nie aufgehört hat, wahrer Gott zu sein, als eingeborener Sohn des Vaters.
Die Tatsache, daß Seine Gottheit sich mit der Menschennatur verbindet, bedeutet nicht einen Übergang von seinem Seinszustand zu einem anderen, wie eine Herde von einem Weideplatz zu einem anderen wandert. Er nahm aus freien Stücken auch Menschennatur an.
Vielleicht ist es daher gerade die Gottheit Christi, die dem Künstler aufgefrischt werden sollte.
Welche Energie soll komprimiert sein? Die Gottheit kann nicht komprimiert werden, und ebensowenig leiden oder sterben.
Im Evangelium, auf das sich der Künstler bezieht, stellt Jesus mit Klarheit fest, die Macht zu haben, das Leben zu schenken und die Macht zu haben es auch wieder zu nehmen.
Wenn wir aber zum Menschsein übergehen, stellen wir die gleiche Verwirrung fest.
Wenn das Kreuz seines Sinns entleert wäre, hätte Jesus seine Stigmata abgelegt. In Wirklichkeit hat er sie in die Herrlichkeit mitgenommen. Der verklärte Leib ist der Leib, der gekreuzigt wurde.
Und das, genau das, erfüllt das Kreuz mit ewigem Sinn. Das gilt ebenso für die eschatologische wie für die persönliche Ebene. Die Wundmale Christi sind für mich die Gewißheit, daß Seine Liebe heute, in diesem Augenblick mein Leiden erreicht.
Nicht nur dieses Kreuz ist nicht sinnentleert, sondern läßt gleichzeitig auch mein persönliches Kreuz nicht leer sein.
Der ‚Flugversuch‘ gehört hingegen zu jener Demagogie, die heute unsere Meditationstexte bestimmen. Jesus wurde zum Spender des Lebens, wie der Heilige Paulus so schön feststellte, aber es gibt keinen Übergang von Materie zu Geist im gnostischen Sinn des Wortes. Es geht um das Verhältnis zwischen dem ersten und dem zweiten Adam.
Letzterer, das heißt Christus, hat die Macht, das Leben des Menschen neu zu machen.
Jesus ist Gott und nicht ein von Gott adoptierter Mensch. Deshalb muß er nicht fliegen lernen.
Es ist nicht die Überlieferung , die den Akt der „Transhumanz“ tragisch und sehr menschlich haben will. Das ist vielmehr Tatsache. Er hat uns so geliebt! Da hätte der Heilige Paulus dem Herrn Lauri wohl einiges zu erzählen. Etwa über die Kenosis.
Jesus hat am Kreuz nicht die Auferstehung vorweggenommen. Er hat den Kelch des Leidens bis zum bitteren Ende geleert. Das Mysterium des Grabes, verstanden in seiner ganzen theologischen Tiefe, bestätigt diesen tiefen Abstieg in das Zentrum des Todes. Er ist nicht nur nicht vom Kreuz herabgestiegen, sondern bis in die Tiefen der Totenwelt hinabgestiegen.
Es geht daher nicht um eine Vorwegnahme, wenn das Johannesevangelium auch im Konzept der „Stunde Jesu“ beide Elemente vereint. Es ist mit einer anderen Sprache zu erklären, nicht mit der eines Comic-Heftes. Die beiden Elemente können auch gemeinsam dargestellt werden. Allerdings nicht mit den Begründungen, die der Künstler nannte.
Dem Künstler wollen wir zuerkennen, daß er wahrscheinlich einen der vielen ungeeigneten Texte gelesen haben mag, die leider in Umlauf sind und daß er daraus seine Ideen gewonnen hat, auch jene, daß Jesus vom Kreuz fliehen wollte, der aber den Sieg vorwegnimmt, indem er etwas akzeptiert, was gewissermaßen auch der Vater nicht vorhersehen konnte. So oder ähnlich jedenfalls. Es reduziert sich damit alles auf den Gerechten, der von einer menschlichen Ungerechtigkeit auf die Probe gestellt wird. Leider ein Thema, das bestimmten modernen „Propheten“ so kostbar ist.
Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn auch den künstlerischen Arbeiten, die dem Papst gewidmet werden, eine solide Katechese zugrunde liegen würde.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messainlatino