(Paris) Francois Hollande befindet sich genau anderthalb Jahre im Amt. Erst am 15. Mai 2012 war er in den Élysée-Palast, den Amtssitz des französischen Staatspräsidenten eingezogen. Doch wie kein anderer Präsident vor ihm ruinierte er in einem atemberaubenden Tempo sein Image und seine Beliebtheit beim Volk. Die Arbeitslosigkeit steigt und mit seiner kulturkämpferischen Unnachgiebigkeit bei der Legalisierung der „Homo-Ehe“ brachte er eine ganze Volksbewegung gegen sich auf. In den Meinungsumfragen stürzt Hollande seit einem Jahr ab und das massiv. Neue, immer noch schlechtere Werte sind den französischen Medien kaum mehr eine Notiz wert. Laut jüngster Umfrage von YouGov, durchgeführt im Auftrag der Huffington Post und von iTele sehen nur mehr 15 Prozent der Franzosen die Arbeit ihres Präsidenten positiv.
Totalzusammenbruch in Umfragen
76 Prozent stehen Hollande negativ bis sehr negativ gegenüber. Neun Prozent enthielten sich einer Meinungsäußerung. Die beiden Hauptursachen für das Negativimage wurden bereits genannt. Hollande war ausgezogen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die sich aber weiter zugenommen hat. Statt dessen zettelte er aus ideologischen Gründen einen radikalen Kulturkampf gegen das eigene Volk an. Von einer traditionalistischen Katholikin wurde Manif pour tous, die derzeit größte Bürgerbewegung in Europa ins Leben gerufen. Vor allem unter Christen pocht man bisher vergebens auf die Anerkennung der Gewissensfreiheit.
Hollande zögerte dabei nicht, Polizei und Staatsanwaltschaft gegen seine Gegner einzusetzen. Ein Makel, den er nicht mehr loszuwerden scheint. Die Öffentlichkeit reagiert sensibel auf die Härte, mit der Oppositionelle behandelt werden. Auch David van Hemelryck wurde von der Polizei festgenommen, aufs Revier gebracht und offiziell wegen„exzessiver“ Kritik am Präsidenten verwarnt. Ähnlich erging es bereits zahlreichen anderen Kritikern des Präsidenten. Bei der Gedenkfeier für die Gefallenen am 11. November hatte van Hemelryck in der Nähe der Gedenkfeier ein Auto gefahren mit der Aufschrift: „Hollande tritt zurück“. Die Rücktrittsaufforderung war gleichzeitig eine Internetadresse.
Neue Töne: Fraktionssprecher zeigt Verständnis für Bürgermeister
Angesichts der jüngsten Proteste gegen das sozialistische Staatsoberhaupt vom 11. November scheint der sozialistische Fraktionssprecher im Senat, Francois Rebsamen, die harte Parteilinie etwas abschwächen zu wollen: „Wir hindern niemanden daran, zu demonstrieren und zu protestieren. Wir haben weder die Macht noch den Willen dazu, allerdings wie am 11. November kann man es nicht machen. Die Gesetze sind einzuhalten: wenn sie beschlossen wurden, sind sie Gesetze der Republik, und sind anzuwenden, auch wenn sie nicht gefallen sollten“. Dann aber zeigte Rebsamen Gesprächsbereitschaft: „In Wirklichkeit kann man die Schwierigkeiten einiger [Bürgermeister] mit der Ehe für alle [Homo-Ehe] aus Glaubens- und Gewissensgründen verstehen. Ich denke, man könnte soweit kommen, eine Gewissensklausel zu garantieren.“
Ja zur Gewissensfreiheit?
Das sind ganz neue Töne. Bisher wurde von der Sozialistischen Partei, der sozialistischen Parlamentsmehrheit, der sozialistischen Regierung und dem sozialistischen Staatspräsidenten gerade die Gewissensfreiheit kategorisch abgelehnt. Im linksliberalen Frankreich wollte man ein Gesetz schaffen, das für alle zu gelten hatte. Es war ein ideologischer Feldzug, der für die „Homo-Ehe“ geführt wurde. In zahlreichen Stellungnahmen des vergangenen Frühjahrs war die Genugtuung sozialistischer Exponenten unüberhörbar, gerade die Gegner ihrer Ideologie durch das Gesetz zu zwingen.
Rebsamen äußerte seine Öffnung in einem Gespräch mit der Journalistin Ruth Elkrief. Die Journalistin war entsprechend überrascht und fragte umgehend nach: „Aber die Gewissensklausel wurde im Zusammenhang mit der Homo-Ehe ausdrücklich abgelehnt.“ „Ja, so Rebsamen, „aber einige berufen sich auf sie, und ich kann verstehen, daß man an die Gewissensfreiheit appelliert, wenn es sich um eine Frage von solcher Bedeutung handelt.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi