(Brüssel) Reinhard Kardinal Marx warnt als Vorsitzender der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE) vor einem „Rechtspopulismus“. Konkret denkt der Erzbischof von München-Freising an die Europawahlen im Mai 2014 und nahm damit inhaltlich ein geplantes „EU-Bischofswort“ vorweg. Die Bischöfe, so der Kardinal, seien besorgt, daß es bei den kommenden Europawahlen „zu einem Erstarken rechtspopulistischer Parteien“ kommen könnte.
Die Warnung erstaunt. Es ist nämlich nicht der „Rechtspopulismus“, der im Europaparlament nur eine Randerscheinung darstellt, der der katholischen Kirche zusetzt. In Straßburg und Brüssel ist es eine linksliberale Parlamentsmehrheit, die dem Christentum in der EU in Fragen Religionsfreiheit, Gewissensfreiheit, Abtreibung, Gender-Ideologie, embryonaler Stammzellforschung und Homosexualität hart zusetzt. Doch dazu fanden die COMECE und Kardinal Marx keine Worte, erst recht nicht der Kritik.
Für den Dienst gegenüber den regierenden Parteien, mit Blick auf Wahlen vor politischer Konkurrenz zu warnen, wurden vom Kardinal nicht einmal Gegenleistungen eingefordert, zum Beispiel die Verankerung des Gewissensverweigerung auf EU-Ebene. Derzeit böte sich auch die Frage nach dem Religionsunterricht an. Die EU-Mitgliedsstaaten regeln die Frage ganz unterschiedlich und keineswegs immer im Sinne der Katholischen Kirche.
Derzeit wird darüber diskutiert, wie an den 14 von den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten getragenen „Europäischen Schulen“ der Religionsunterricht gehandhabt werden soll. Diese „Europäischen Schulen“ wurden für die Kinder der EU-Mitarbeiter gegründet, um den muttersprachlichen Unterricht auch außerhalb des Heimatlandes zu gewährleisten. Drei davon befinden sich in Deutschland, zwei in Luxemburg, fünf in Belgien.
In der EU gibt es Bestrebungen, den konfessionellen Unterricht aus diesen Schulen auszuschließen und durch einen überkonfessionellen Ethikunterricht zu ersetzen. Für die Oberstufe liegen bereits konkrete Pläne dafür vor. Während das Zentralkomitee deutscher Katholiken diese Pläne kritisiert, will die COMECE auch darin eine „Chance“ sehen. Das „Ergebnis“ dieser Diskussion über den Religionsunterricht „könnte ein so gutes Konzept werden, daß dieses sogar zum Modell für den Religionsunterricht in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten werden könnte“, erklärte dazu der Referent für Bildung, Kultur und Jugend der COMECE, der Österreicher Michael Kuhn.
Werden Europas Bischöfe vor Wahlen zu Dependancen der Wahlkampfabteilungen der jeweiligen Regierungsparteien? Erzbischof Robert Zollitsch warnte als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz vor den Bundestagswahlen im vergangenen September vor der wirtschaftsliberalen Alternative für Deutschland. Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn warnte als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz vor den Nationalratswahlen eine Woche später vor der nationalkonservativen Freiheitlichen Partei Österreichs. Nun sprach Kardinal Marx mit Blick auf die Europawahlen dieselbe Warnung aus, weshalb die Frage angebracht scheint.
Es erstaunt nicht nur die Einseitigkeit der Warnung, der keine ebensolche vor Parteien des linken Spektrums entspricht. Vor allem finden dieselben Bischöfe kein Wort der Kritik für kirchenfeindliche oder dem Christentum widersprechende Entscheidungen der jeweiligen Regierungsmehrheiten. Während diese eine konkrete, rechtssetzende Wirkung entfalten, wird vor jenen gewarnt, die keine Regierungsverantwortung tragen oder nicht einmal in Parlamenten vertreten sind.
Kritik an Parteien ist vollkommen legitim und sogar gefordert. Sie muß jedoch bei inhaltlichen Fragen ansetzen und allen Partein gelten. Ist es wirklich für Bischöfe vorrangig, vor Kritik an der europäischen Währungs- und Einwanderungspolitik zu warnen? Die inhaltliche Kritik der Bischöfe bleibt bei den genannten Beispielen recht vage und scheint mehr von politischer Korrektheit diktiert. Damit aber hat sie einen unangenehmen Beigeschmack.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons