Erzbischof Baldisseri: „Die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene wird ohne Tabus diskutiert“


Erzbischof Lorenzo Baldisseri, neuer Sekretär der Bischofssynode(Rom) Kuri­en­erz­bi­schof Loren­zo Bal­dis­se­ri, der von Papst Fran­zu­skus ernann­te neue Sekre­tär der Bischofs­syn­ode erklär­te, daß das The­ma der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen offen blei­be: „Wir wer­den dar­über ohne Tabus spre­chen. Die ortho­do­xe Erfah­rung kann uns eine Hil­fe sein“. Ein Inter­view mit dem neu­en Syn­oden­se­kre­tär des Vati­ka­ni­sten Andrea Tor­ni­el­li für Vati­can Insi­der. Es gibt Auf­schluß, was der vom Papst beauf­trag­te zustän­di­ge Ver­ant­wort­li­che zu den The­men Bischofs­syn­ode, wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne, Kol­le­gia­li­tät und Fra­ge­bo­gen zum The­ma Fami­lie denkt.

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Msgr. Loren­zo Bal­dis­se­ri, Jahr­gang 1940, wäh­rend des Kon­kla­ves Sekre­tär des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, gehör­te zu den ersten Beför­de­run­gen von Papst Fran­zis­kus. Im Sep­tem­ber ernann­te er ihn zum neu­en Sekre­tär der Bischofs­syn­ode, der der neue Papst offen­bar ein stär­ke­res Gewicht geben will. Erz­bi­schof Bal­dis­se­ri hat­te Papst Fran­zis­kus nach sei­ner Wahl im Kon­kla­ve sei­nen Kar­di­nals­pi­leo­lus auf­ge­setzt. Es wird daher ange­nom­men, daß er dem­nächst in den Kar­di­nals­stand erho­ben wird. Der noch von Papst Johan­nes Paul II. ernann­te Vor­gän­ger als Sekre­tär der Bischofs­syn­ode, Erz­bi­schof Etero­vic, wur­de von Papst Fran­zis­kus als Apo­sto­li­scher Nun­ti­us nach Deutsch­land geschickt.

Msgr. Bal­dis­se­ri, seit vier Jahr­zehn­ten im diplo­ma­ti­schen Dienst des Vati­kans, hat die Auf­ga­be, die Bischofs­syn­ode vor­zu­be­rei­ten, die sich 2014 und 2015 mit dem The­ma Fami­lie befas­sen wird. In die­sem Zusam­men­hang wur­de allen Bischö­fen der Welt ein Vor­be­rei­tungs­do­ku­ment über­mit­telt, das einen Fra­ge­bo­gen ent­hält, mit dem der Vati­kan eine welt­wei­te Bestands­auf­nah­me der Situa­ti­on durch­füh­ren und die Mei­nun­gen der Bischö­fe hören will. Pro­gres­si­ve Krei­se publi­zie­ren das Doku­ment als Auf­for­de­rung an alle Katho­li­ken, ihre Mei­nung kund­zu­tun mit dem offen­sicht­li­chen Ziel, die römi­schen Ent­schei­dun­gen „ple­bis­zi­tär“ zu beeinflussen.

Papst Fran­zis­kus geht in „Evan­ge­lii Gau­di­um“ nicht auf die Fra­ge der Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten ein. Kirch­li­che Krei­se, die, um die kirch­li­che Leh­re mit der „geleb­ten Wirk­lich­keit“ in Ein­klang zu brin­gen, rich­ten ihr Augen­merk auf die Pas­sa­ge: „Die Eucha­ri­stie ist, obwohl sie die Fül­le des sakra­men­ta­len Lebens dar­stellt, nicht eine Beloh­nung für die Voll­kom­me­nen, son­dern ein groß­zü­gi­ges Heil­mit­tel und eine Nah­rung für die Schwa­chen“ (EG 47).

Tor­ni­el­li: Wie sind die­se Wor­te zu lesen?

Bal­diss­se­ri: Unter­strei­chen wir auch den näch­sten Satz: „Die­se Über­zeu­gun­gen haben auch pasto­ra­le Kon­se­quen­zen, und wir sind beru­fen, sie mit Beson­nen­heit und Wage­mut in Betracht zu zie­hen.“ Der Papst fügt die­se zwei Ele­men­te zusam­men. Das bedeu­tet, daß er will, daß die­se Pro­ble­me mit Beson­nen­heit stu­diert wer­den und daher unter Beach­tung der Glau­bens­leh­re. Aber auch mit Wage­mut, was für mich gleich­be­deu­tend ist mit „ohne Angst“, indem man auf die kon­kre­ten Situa­tio­nen der Men­schen schaut.

Tor­ni­el­li: Wird sich also etwas ändern?

Bal­dis­se­ri: Das Lehr­amt ist nicht ein­ge­gipst, es ist die Beglei­tung der Glau­bens­leh­re zum Volk. Es gibt eine stän­di­ge Ver­tie­fung und die Anwen­dun­gen auf die ver­schie­de­nen Fäl­le. Die Kir­che muß es ver­ste­hen, eine Anwen­dung der Leh­re im kon­kre­ten Fall der Men­schen zu fin­den. Die­ser Zugang darf uns nicht sofort an gene­rel­le Schluß­fol­ge­run­gen den­ken las­sen, an Nor­men für alle. Wir müs­sen von den kon­kre­ten Fäl­len aus­ge­hen. Und dort kann man dann auch eine neue Art ent­wickeln, die Leh­re zu berück­sich­ti­gen. Im Grun­de inter­ve­nie­ren wir auch mit den Ehe­nich­tig­keits­er­klä­run­gen Fall für Fall. Das ist Seel­sor­ge und nicht ein Schema.

Tor­ni­el­li: Ist es also rich­tig, dar­aus zu schlie­ßen, daß das The­ma der Sakra­men­te für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne offen ist?

Bal­dis­se­ri: Wenn es auf die Liste des Fra­ge­bo­gens gesetzt wur­de, heißt das, daß man es behan­deln will. Und man will ohne Tabus dar­über spre­chen, sonst hät­te man es nicht erwähnt. Das scheint mir offensichtlich.

Tor­ni­el­li: Im Inter­view auf dem Rück­flug von Rio hat der Papst in die­sem Zusam­men­hang – ohne eine Posi­ti­on zu bezie­hen – an den ortho­do­xen Weg erin­nert, der in bestimm­ten Fäl­len die Seg­nung einer zwei­ten Ver­bin­dung vorsieht…

Bal­dis­se­ri: Die Erfah­rung der ortho­do­xen Kir­che hann uns eine Hil­fe sein, um den Weg zu erleuch­ten, nicht nur was die Sino­da­li­tät und die Kol­le­gia­li­tät anbe­langt, son­dern auch im Zusam­men­hang, über den wir spre­chen. Jetzt ist aber nicht der Augen­blick zu dis­kut­i­ren, wel­ches die beste Lösung wäre, es sind The­men, die von der Syn­ode behan­delt wer­den. Wir haben jetzt dar­über zu spre­chen begon­nen, auf eine neue Wei­se als in der Ver­gan­gen­heit, mit einer Anfra­ge nach Infor­ma­tio­nen und Über­le­gun­gen an die Basis, an die Diö­ze­sen und Pfar­rei­en, und das wird uns sehr hel­fen, zusam­men mit den Erfah­run­gen der ande­ren Kir­chen, wie jenen des Ostens. Wie Sie erin­nert haben, hat auch der Papst Bezug auf jene ortho­do­xe Pra­xis genommen.

Tor­ni­el­li: Der Fra­ge­bo­gen, der ver­schickt wur­de, ist eine Meinungsumfrage?

Nein, das ist er nicht, das muß betont wer­den. Er ist kei­ne Mei­nungs­um­fra­ge, wie man es heut­zu­ta­ge ver­steht und auch nicht ein Refe­ren­dum. Es war hin­ge­gen der Wil­le, direkt von den Men­schen ihre Erfah­rung ken­nen­zu­ler­nen, nicht nur die indi­vi­du­el­le, son­dern auch als Grup­pe, um sta­ti­sti­sche Daten zu sam­meln, Über­le­gun­gen, Aus­ar­bei­tun­gen. So wer­den die Bischö­fe der Syn­ode am Puls der Situa­ti­on sein, ohne auf Bücher oder sozio­lo­gi­sche Erhe­bun­gen ange­wie­sen zu sein. Unser Fra­ge­bo­gen ist weit mehr als eine sozio­lo­gi­sche Unter­su­chung. Er ist eine auch kirch­li­che und geist­li­che Über­le­gung. Und die Fra­gen sind offen…

Tor­ni­el­li: Kön­nen Sie die Neu­heit die­ser Syn­ode in zwei Schü­ben, mit zwei Ver­samm­lun­gen zum sel­ben The­ma im Abstand von einem Jahr erklären?

Es ist eine Neu­heit, die den neu­en Dyna­mi­ken ent­spricht, die der Papst woll­te und die sich irgend­wie an jenen des Kon­zils inspi­riert. Fran­zis­kus will eine dyna­mi­sche und stän­di­ge Syn­ode, nicht als struk­tu­rier­ten Orga­nis­mus, aber als Akti­on, als Osmo­se zwi­schen dem Zen­trum und der Peri­phe­rie. Und er will sie offen für alle The­men, um Emp­feh­lun­gen auf­zu­grei­fen, die von den Orts­kir­chen kom­men. Der Rat des Sekre­ta­ri­ats, der­zeit zusam­men­ge­setzt aus 15 Per­so­nen, wird grö­ße­res Gewicht erlan­gen, und das bedeu­tet, daß der Papst auch hier die Mög­lich­keit haben wird, einen stän­di­gen Rat für sei­ne Regie­rung kon­sul­tie­ren kann.

Text: Vati­can Insider/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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