Wiederverheiratet-Geschiedene: was auf dem Spiel steht – Teil I: Theologische Erwägungen


Das Sakrament der Ehe und die wiederverheiratet Geschiedenen: Was theologisch auf dem Spiel stehtvon Klaus Obenauer

Vorwort

Anzei­ge

Die kurz­zei­tig wie­der auf­le­ben­den Dis­kus­sio­nen betreffs der Sakra­men­ten­pa­sto­ral für „Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ne“, näm­lich infol­ge der Frei­bur­ger Hand­rei­chung, sind inzwi­schen wie­der abge­ebbt. Trotz­dem hal­te ich es für sinn­voll, zur The­ma­tik noch ein­mal eini­ge per­sön­li­che Gedan­ken beizusteuern.

Wie von den regel­mä­ßi­gen Lesern die­ses Forums sicher regi­striert, rich­te­te (und rich­tet) sich mei­ne Auf­merk­sam­keit auf wie­der­hol­te, zwar nicht ein­deu­ti­ge, aber nicht ganz unbe­red­te, Andeu­tun­gen, wonach man – nach rein mensch­li­chem Ermes­sen jeden­falls – die Even­tua­li­tät nicht aus­schlie­ßen mag, der gegen­wär­ti­ge Papst sel­ber könn­te sich (gestützt auf ein syn­oda­les Votum o.ä.) auf eine Ände­rung der „gel­ten­den Nor­men“ in besag­ter Ange­le­gen­heit ein­las­sen. – Ganz ehr­li­chen Her­zens dan­ke ich daher Erz­bi­schof Mül­ler, dem Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, für sei­ne kla­ren Wor­te: Durch die Ver­öf­fent­li­chung sei­nes Votums zugun­sten der ver­bind­li­chen und (zumin­dest sach­lich, wenn nicht for­mal) irre­for­ma­blen tra­dier­ten Leh­re im „Osser­va­to­re Roma­no“ hat er die­sem Votum einen offi­ziö­sen Cha­rak­ter ver­lie­hen und so der Inte­gri­tät der Leh­re und Pra­xis der Kir­che einen gro­ßen Dienst erwie­sen. Ich hal­te dies auch für einen sehr muti­gen Schritt, für den ich Erz­bi­schof Mül­ler gro­ße Aner­ken­nung zol­le. Im Unter­schied zu ande­ren hat er sich nicht diplo­ma­tisch bedeckt gehal­ten und sich mit dem Hin­weis begnügt, man kön­ne sol­che „Fra­gen“ nur auf welt­kirch­li­cher Ebe­ne lösen etc. Denn in der Sub­stanz der Sache gibt es nichts mehr zu lösen. – Lei­der gab es noch ande­re Töne aus Rom zu hören, die eben just besag­ten diplo­ma­ti­schen Tenor hat­ten, um gera­de dadurch sehr beredt zu sein.

Wie man von daher die Lage in Rom und zumal die Hal­tung von Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­spiel mit dem Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ein­zu­schät­zen hat, das ist eine Fra­ge, in der man sich immer noch im Dun­keln bewegt. Momen­tan sehe ich mich weder in der Lage, den­je­ni­gen zuzu­stim­men, die den Papst und Erz­bi­schof Mül­ler als unzer­trenn­li­ches Tan­dem (mit viel­leicht unter­schied­li­chen Rol­len) wahr­neh­men wol­len; noch den­je­ni­gen, die glau­ben, sie dürf­ten Papst Fran­zis­kus sozu­sa­gen für sich gegen sei­nen erst­ran­gi­gen Mit­ar­bei­ter vereinnahmen.

Da also die Lage und die Situa­ti­on der Mei­nungs­bil­dung immer noch etwas Pre­kä­res hat, mei­ne ich, daß es auch nach Erz­bi­schof Mül­lers kla­rer Stel­lung­nah­me nicht über­flüs­sig ist, zur Mate­rie ein paar Gedan­ken an die Öffent­lich­keit zu brin­gen. Ich bin mir bewußt, das als jemand zu tun, der weder im Fokus der Auf­merk­sam­keit steht noch aus­ge­wie­se­ner Spe­zia­list für die anhän­gi­gen Pro­blem­ma­te­ri­en ist. Aber ich tue es in der Hoff­nung, daß mein Dis­kus­si­ons­bei­trag hier und dort regi­striert wird, um durch Anre­gun­gen etc. doch noch gewünsch­te Wir­kung zu ent­fal­ten; und sei es noch so ver­mit­telt. Und ich habe mich dazu ent­schie­den, es erneut über die­ses Forum zu tun, obgleich es nicht dem theo­lo­gi­schen Fach­dis­kurs ver­pflich­tet ist. Wenn ich daher mit die­sem Bei­trag etwas zur theo­lo­gi­schen Debat­te bei­tra­gen möch­te und als Theo­lo­ge argu­men­tie­re (wenn­gleich nicht immer mit dem letz­ten Schliff der theo­lo­gi­schen Kunst), muß ich daher vie­le Leser um Geduld und Nach­sicht bit­ten, wenn mein klei­nes Essay mit sei­nem spe­zi­fi­schen Pro­fil an ihrer Erwar­tung vor­bei­geht. Ich glau­be, das in Kauf neh­men zu müs­sen. Im Sin­ne der eben­so geziel­ten Argu­men­ta­ti­on wie umsich­tig-sach­dien­li­chen Dis­kus­si­on kann es nicht aus­blei­ben, daß die Gedan­ken­füh­rung etwas kom­pli­ziert und umwe­gig und für den einen oder die ande­re auch „unnö­tig“ dif­fe­ren­zie­rend aus­fal­len wird. „Kla­re Kan­te“ mögen vie­le vor­zie­hen – sie ist jedoch alles ande­re als sach­dien­lich, wenn sich der Argu­men­tie­ren­de dadurch Blö­ße gibt.

Zur Aus­rich­tung mei­nes Bei­trags: Die for­ma­le Ver­bind­lich­keit der Leh­re und Pra­xis der Kir­che in bezug auf die Nicht­zu­las­sung Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ner zu den Sakra­men­ten vor­aus­set­zend, möch­te ich zen­tra­le Punk­te auf­grei­fen, um die Irre­for­ma­bi­li­tät die­ser Leh­re und Pra­xis auch sach­lich zu unter­mau­ern; indem ich zu zei­gen ver­su­che, daß hier prin­zi­pa­le Mate­ri­en der katho­li­schen Glau­bens­leh­re, ja des gemein-christ­li­chen Ver­ständ­nis­ses des Gott-Geschöpf-Ver­hält­nis­ses betrof­fen sind.

1. Objektiv und subjektiv

Eine nicht ganz unwich­ti­ge Rol­le bei den jün­ge­ren lehr­amt­li­chen Dar­le­gun­gen spielt die Situa­ti­on objek­tiv schwe­rer Schuld, in der sich Geschie­den-Wie­der­ver­hei­ra­te­te befin­den. Dar­an möch­te ich anset­zen. Im Sin­ne einer sach­lich fol­ge­rich­ti­gen Erwä­gung lie­ße sich hier in der Tat erst ein­mal ein Ein­wand for­mu­lie­ren: Denn die Beschrän­kung auf „objek­tiv“ zeigt an, daß man sich mit einem Urteil über die inne­re Gewis­sens­la­ge der Betrof­fe­nen, also dar­über, ob mit ande­ren Wor­ten auch sub­jek­tiv und so for­mell schwe­re Schuld vor­liegt, in letz­ter Instanz zurück­hält – nur Gott rich­tet darüber.

Was nun aber, wenn die mit der cura ani­ma­rum betrau­ten Prie­ster, so gut Men­schen das nur kön­nen, mora­li­sche Gewiß­heit dar­über gewin­nen, daß tat­säch­lich nur objek­tiv und nicht auch sub­jek­tiv schwe­re Schuld vor­liegt und auch eine ent­spre­chen­de Unter­rich­tung dar­an nichts ändern konn­te (abge­se­hen davon, daß eine Unter­rich­tung zu unter­las­sen ist, wenn sie mit eini­ger Sicher­heit zur Ver­schlech­te­rung der Gewis­sens­si­tua­ti­on beiträgt)?

Ist es dann nicht inkon­se­quent und unge­recht, bei nur objek­tiv schwe­rer Schuld die Sakra­men­ten­spen­dung eben nicht nur öffent­lich (zumal zur Ver­mei­dung des Ärger­nis­ses) zu ver­wei­gern, son­dern gene­rell? – Nun, hier muß ich mei­ne Ver­le­gen­heit ein­ge­ste­hen, was näm­lich die rech­te Inter­pre­ta­ti­on der ein­schlä­gi­gen Wei­sun­gen des höch­sten Lehr- und Hir­ten­am­tes aus jün­ge­rer Zeit angeht. Ob sie näm­lich so ver­stan­den wer­den wol­len, daß die objek­ti­ve Situa­ti­on Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ner schon für sich allein (‚iam per se solam‘) von den Sakra­men­ten aus­schließt. Von daher könn­te ich mei­ner­seits und bis­lang zu die­sem Ein­wand nur sagen: Ich mag schon an sehr grenz­wer­ti­ge Fäl­le den­ken, über die zu urtei­len ich mich nicht kom­pe­tent genug weiß, um sol­ches den Spe­zia­li­sten zu über­las­sen; zu urtei­len, was die inne­re Mög­lich­keit sol­cher Fäl­le (ob damit nicht eigent­lich schon Unsin­ni­ges postu­liert wür­de) und den legi­ti­men sakra­men­ten­pa­sto­ra­len Umgang mit sol­chen Fäl­len angeht.

Vor dem inne­ren Auge ste­hen mir zum Bei­spiel Men­schen, die sehr wohl eine katho­lisch-kirch­li­che Bin­dung haben, aber bela­stet sind durch eine psy­cho­so­zia­le Prä­gung, die gekenn­zeich­net ist durch schwe­re (gera­de auch milieu­be­ding­te) Ver­wer­fun­gen in der Lebens­ge­schich­te, die die Fra­ge auf­wer­fen, ob durch sol­che Bela­stun­gen nicht auch die mora­lisch rele­van­te Ent­schei­dungs­frei­heit erheb­lich ein­ge­schränkt sein kann, auf daß man eben auch den Anfor­de­run­gen der Leh­re der Kir­che nicht durch­wegs ent­spre­chen kann. Da Ent­schei­dungs­frei­heit wesent­lich an der Urteils­fä­hig­keit hängt, wäre hier die Fra­ge auf­ge­wor­fen, ob und inwie­weit sol­che Men­schen trotz (auf­rich­ti­ger) kirch­li­cher Bin­dung dar­an gehin­dert sein kön­nen, dar­aus ein Urteil über Recht und Unrecht ihrer kon­kre­ten Lebens­pra­xis abzu­lei­ten. Es liegt außer mei­ner Kom­pe­tenz, das näher zu erör­tern und zu ent­schei­den; ich muß mich damit begnü­gen, die Fra­ge ehr­lich anzu­spre­chen, um ihre Beant­wor­tung – auch was die sakra­men­ten­pa­sto­ra­len Kon­se­quen­zen angeht – den Fach­leu­ten zu über­las­sen, eine Beant­wor­tung frei­lich nach den bewähr­ten Prin­zi­pi­en gemäß der Leh­re der Kir­che. Nur zur Ein­gren­zung und rech­ten Ein­ord­nung zwei Hin­wei­se mei­ner­seits dazu:

  1. Mit Blick auf mei­ne wei­te­ren Aus­füh­run­gen: Sol­che Unfä­hig­kei­ten, Got­tes Gebot zu hal­ten, auch bei Gerecht­fer­tig­ten (wie zu unter­stel­len) wären per acci­dens sol­che, umstands­be­ding­te, beru­hend auf „Ver-un-fal­lun­gen“ in der Lebens­ge­schich­te; dahin­ge­hend, daß die Vor­aus­set­zun­gen für die vol­le Wirk­sam­keit der Gna­de Got­tes beein­träch­tigt wären, kon­kret durch die defek­ti­ve Ver­faßt­heit des Urteils­ver­mö­gens, wie es für die sitt­lich rele­van­te freie Ent­schei­dung kon­sti­tu­tiv ist. Per se sind jedoch sol­che Unfä­hig­kei­ten (zumal) für den Gerecht­fer­tig­ten aus­ge­schlos­sen. (Davon abge­se­hen: Sub­jek­ti­ves Ver­pflich­tet-Sein, dem die Anre­chen­bar­keit der Über­tre­tung kor­re­spon­diert, könn­te in solch einem Fall des Nicht-Kön­nens ohne­dies nicht vorliegen.)
  2. Wenn die Mög­lich­keit oder gar die Tat­säch­lich­keit sol­cher Fäl­le zuzu­ge­ben ist und wenn dies auch bedeu­tet, daß bei sol­chen Fäl­len ein Sakra­men­ten­emp­fang unter Aus­schluß des Ärger­nis­ses mög­lich ist, dann han­delt es sich um „Aus­nah­men“ nur im unei­gent­li­chen, prag­ma­ti­schen Sin­ne. In Wahr­heit geht es dabei nur um die exak­te­re Bestim­mung der Prin­zi­pi­en und ihrer Trag­wei­te, was damit (wonach z.B. Geschie­den-Wie­der­ver­hei­ra­te­te nicht zu den Sakra­men­ten gehen dür­fen) exakt gesagt sein will und was nicht (so ist z.B. mit dem, was per se gilt, nicht schon prä­ju­di­ziert, was per acci­dens gilt). Und ein ganz wesent­li­cher Sinn sol­cher Prä­zi­sie­run­gen ist es, Unge­rech­tig­kei­ten zu ver­mei­den, die unnö­tig sind und dabei zu unnö­ti­gen Skan­da­li­sie­run­gen der kirch­li­chen Leh­re führen.

Ich deu­te damit auch an, daß ich mich bei allem Mühen um Akri­bie kei­ner kal­ten Sach­lich­keit ver­pflich­tet weiß, wel­che die Nöte der Men­schen zynisch über­geht. Akri­bie in der Pro­blem­ma­te­rie und Sen­si­bi­li­tät für die Nöte der Men­schen müs­sen nicht ein­an­der aus­schlie­ßen. – Aller­dings: So wenig ich die­ses Pro­blem anzu­den­ken­der grenz­wer­ti­ger Fäl­le ein­fach über­ge­hen woll­te, wirk­lich dis­kurs­re­le­vant ist es in Sachen „Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ne und Sakra­men­te“ nicht. Denn von sol­chen Ein­schrän­kun­gen in der sub­jek­ti­ven Ver­faßt­heit, die womög­lich auch eine modi­fi­zier­te Pra­xis nach sich zie­hen müß­ten, kann für den Regel­fall schlicht nicht aus­ge­gan­gen werden.

Und des­halb läßt sich für den Regel­fall die sub­jek­ti­ve Gewis­sens­si­tua­ti­on eben nicht als eine Instanz anfüh­ren, die gegen den objek­ti­ven Anspruch der Leh­re auf­kom­men könn­te. War­um? Denn, wenn für den Regel­fall die Ein­schrän­kung der Ent­schei­dungs­frei­heit (aus psy­cho­so­zia­len Grün­den etc.) schlicht nicht in Betracht kommt, so bleibt nur die Mög­lich­keit, daß er oder sie erklärt, er oder sie sehe sich in sei­nem Gewis­sen nicht an die Leh­re der Kir­che von der unauf­lös­li­chen Ehe und den damit ver­bun­de­nen Ver­pflich­tun­gen gebun­den. Wer aber dies erklärt, für den gilt eines von bei­dem: Ent­we­der arti­ku­liert er eine will­kür­li­che Postu­la­ti­on oder er weist die Lehr­au­tori­tät der Kir­che zurück.

Denn, ob nun förm­li­ches Dog­ma oder nicht: Die Leh­re von der Unauf­lös­lich­keit der Ehe und ihren Ver­pflich­tun­gen ist so eng mit der ordent­li­chen Ver­kün­di­gung des ober­sten Lehr­am­tes ver­bun­den, daß ent­we­der das behaup­te­te sub­jek­ti­ve Bewußt­sein der Nicht­ver­pflich­tung kei­nen Bestand hat und bloß sich sozu­sa­gen selbst ein­ge­re­det ist (man kann in Wahr­heit nicht zugleich das Lehr­amt unbe­dingt aner­ken­nen und sich die­ser Kon­se­quenz ent­zie­hen wol­len) oder die prin­zi­pi­el­le Nicht­an­er­ken­nung des Lehr­am­tes sel­ber offen­bart. Also ist der­je­ni­ge, der sol­ches erklärt, in Wahr­heit mit sei­nem kirch­lich gebun­de­nen Gewis­sen gera­de nicht im rei­nen (und will es bloß nicht zuge­ben) oder er setzt sich ‚aus-drück­lich‘ in ein Nega­tiv­ver­hält­nis zur Lehr­au­tori­tät der Kir­che, was aber eine Sakra­men­ten­ge­mein­schaft mit ihr nicht mehr zuläßt.

Mit­hin läßt der Regel­fall einer Lebens­si­tua­ti­on, die öffent­lich mit der nach­drück­li­chen Leh­re der Kir­che kon­f­li­giert, a limi­ne kei­ne Fest­stel­lung der per­sön­li­chen Gewis­sens­si­tua­ti­on bzw. sub­jek­ti­ven Befind­lich­keit durch den mit der cura ani­ma­rum betrau­ten Prie­ster zu, die eine Zulas­sung zum (nicht­öf­fent­li­chen) Sakra­men­ten­emp­fang (unter Aus­schluß des Ärger­nis­ses) ermög­li­chen wür­de. – Von daher: Ob die objek­ti­ve Schuld Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ner per se solam den Zugang zum Sakra­ment ver­wehrt oder nicht (unser Aus­gangs­pro­blem); für den Regel­fall (also jen­seits sehr grenz­wer­tig anzu­den­ken­der Beschnei­dun­gen der Ent­schei­dungs­frei­heit) bringt, aus besag­ten Grün­den, die objek­ti­ve Situa­ti­on die­ser Grup­pe den Aus­schluß von den Sakra­men­ten zwangs­läu­fig mit sich: Denn die Bekun­dung, sich nicht gebun­den zu wis­sen, muß ent­we­der einer Selbst­täu­schung auf­ru­hen oder just jene Nicht­an­er­ken­nung des Lehr­am­tes arti­ku­lie­ren, die als ad extra geäu­ßer­te vom Sakra­men­ten­emp­fang ohne­dies aus­schließt. – Über­dies als metho­di­sche Zwi­schen­be­mer­kung: Mit Blick dar­auf, daß der Regel­fall die ange­dach­ten (habi­tu­el­len) Ein­schrän­kun­gen der, gera­de auch mora­lisch rele­van­ten, Ent­schei­dungs­frei­heit wie gesagt ja gera­de nicht kennt, wer­de ich ihn nach­fol­gend igno­rie­ren. Mei­ne Refle­xio­nen wer­den davon absehen.

Noch ein wei­te­res: Mei­ne Ein­las­sun­gen gehen aus von jenem Rekurs auf die sub­jek­ti­ve Gewis­sens­in­stanz, wel­cher die quae­stio iuris betrifft (Gel­tung und Trag­wei­te der Norm, wonach die ein­mal geschlos­se­ne und voll­zo­ge­ne wie über­dies sakra­men­ta­le Ehe unbe­dingt und unwi­der­ruf­lich ver­pflich­tet). Auf das Pro­blem „Gewis­sen und quae­stio fac­ti“, das die Über­zeu­gung über den Bestand oder Nicht­be­stand einer gül­tig geschlos­se­nen und so ver­pflich­ten­den Ehe betrifft, gehe ich hier nicht ein. Dazu ist in den ein­schlä­gi­gen Doku­men­ten und Wort­mel­dun­gen (wie jüngst von Erz­bi­schof Mül­ler) genug gesagt. Und es ist klar, daß der gläu­bi­ge Katho­lik eben­so­we­nig Grund haben kann, sich über die Rechts­nor­men, an die die Kir­che den gül­ti­gen Ehe­ab­schluß bin­det, hin­weg­zu­set­zen („für mich war das damals gar kei­ne wirk­li­che Ehe, und mei­ne jet­zi­ge Ver­bin­dung ist für mich eine sol­che: also darf ich …“). Dies offen­bart die­sel­be unka­tho­li­sche Hal­tung wie die Wei­ge­rung, die Leh­re der Kir­che in bezug auf das unlös­li­che Ehe­band anzu­er­ken­nen, wel­che Hal­tung als bekun­de­te den Zutritt zu den Sakra­men­ten verweigert.

2. Zum Hintergrund: Autonomie versus Theonomie

In der theo­lo­gi­schen Dis­kus­si­on schei­nen die Hin­ter­grün­de der Beru­fung auf die sub­jek­ti­ve Instanz des Gewis­sens eher zu wenig reflek­tiert zu wer­den; Pathos und Rhe­to­rik erset­zen nur zu oft die kri­ti­sche Rechen­schaft über die ein­ge­for­der­te Respek­tie­rung der „Gewis­sens­au­to­no­mie“. Das Insi­stie­ren auf neu­zeit­li­chen Stan­dards, hin­ter die es nicht mehr zurück­zu­fal­len gäl­te, wird dabei von nur weni­gen theo­re­tisch geschul­tert. Kon­se­quent zu Ende gedacht, läuft die­se Rechen­schaft jedoch in der Tat auf fol­gen­des hin­aus: Dem­nach ist die besag­te Auto­no­mie damit gege­ben, daß das Sub­jekt kraft sei­ner (streng ver­stan­de­nen) „Selbstur­sprüng­lich­keit“, als eine Frei­heit (die es nicht nur hat, son­dern ist!) auch die for­mel­le Ver­pflich­tungs­in­stanz ist. Mit ande­ren Wor­ten: Nur das­je­ni­ge ver­pflich­tet mich unbe­dingt und nur des­halb, auf das ich mich und weil ich mich dar­auf selbst ver­pflich­te; ja anders, sagt man, kön­ne die „Unbe­dingt­heit“ sol­cher Ver­pflich­tung nicht gewahrt wer­den. – Wenn man nun sagt, damit sei kei­nes­wegs der Gewis­sens­spruch zu einer Funk­ti­on der Will­kür gemacht, eben weil es Maß­stä­be für gelun­ge­ne oder eben miß­lun­ge­ne Selbst­ver­pflich­tun­gen der Frei­heit gäbe (die letzt­lich im Wesen der Frei­heit lie­gen sol­len), dann hat man jedoch, wie ich über­zeugt bin, am Ent­schei­den­den vor­bei­ge­se­hen: Wie kann es denn sein, daß sol­che Maß­stä­be sich unbe­dingt gel­tend machen, wofür man ja nicht noch­mals die Selbst­ver­pflich­tung der Frei­heit anru­fen kann (ohne in einen Regreß zu gera­ten)? Wor­an sich auch zeigt, daß die Rede von der „Unbe­dingt­heit“ mit einer Äqui­vo­ka­ti­on die­ses Wor­tes arbei­tet (die zu über­sprin­gen hier metho­disch schier unum­gäng­lich ist): die „Unbe­dingt­heit“ unre­la­ti­vier­ba­rer Ver­pflich­tung ist von der „Unbe­dingt­heit“ qua Unab­leit­bar­keit her nicht trans­pa­rent zu machen.

Mit Blick auf weni­ger sophi­sti­zier­te Leser kann ich dies nicht wei­ter ent­fal­ten. Aber ich glau­be, daß mit den vor­an­ste­hen­den Hin­wei­sen wich­ti­ge Indi­ka­to­ren auf­ge­ru­fen sind dafür, daß unbe­ding­te Ver­pflich­tung und das Bewußt­sein davon nicht förm­lich als Funk­ti­on der Selbst­bin­dung von Frei­heit genom­men wer­den kön­nen. Gewis­sen qua Wis­sen um die unbe­ding­te Ver­pflich­tung ist wesent­lich kon­sti­tu­iert als Ver­neh­men des Anspruchs eines unbe­dingt Ver­pflich­ten­den, eines unre­la­ti­vier­bar abso­lut Ver­pflich­ten­den, das nur Gott sein kann. Die an sich wich­ti­ge Fra­ge des Wie, des Zusam­men­hangs von Got­tes­er­kennt­nis und Wis­sen um mora­li­sche Ver­pflich­tet­heit ist hier nicht zu entfalten.

Aller­dings: Wenn dies so ist, dann ist auch klar, daß es zutiefst dem Gewis­sen gemäß ist, sich an eine Insti­tu­ti­on gebun­den zu wis­sen, die die von Gott legi­ti­mier­te Ver­bür­ge­rin sei­ner (durch die Stim­me der Natur und die Offen­ba­rung mani­fe­stier­ten) Gebo­te und deren Trag­wei­te ist; gebun­den zu wis­sen durch die Ver­ge­wis­se­rungs­funk­ti­on des Glau­bens. Mit­hin im Klar­text: Die Bin­dung an die Kir­che und ihr Lehr­amt ist die kon­kre­te (des­halb nicht exklu­si­ve) Gestalt der Stüt­zung des Gewis­sens auf Gott; und dar­in darf das gött­lich legi­ti­mier­te Lehr­amt der Kir­che eben nicht zu einer Ent­schei­dungs­hil­fe des ulti­ma­tiv aut­ar­ken Gewis­sens degra­diert wer­den. – Soge­nann­te „Auto­no­mie“, als gewis­sens­ge­mä­ße, gegen die „Hete­ro­no­mie“, als gewis­sens­frem­de, aus­spie­len zu wol­len, macht von daher schlicht kei­nen Sinn.

Etwas ande­res ist der Unter­schied von hete­ro- und auto­no­mem Han­deln und Ent­schei­den, den auch die theo­lo­gi­sche Tra­di­ti­on kennt: Gewis­ser­ma­ßen nur gezwun­gen, sozu­sa­gen „erpreßt“, han­delt der­je­ni­ge, der, obgleich er in der Stim­me sei­nes Gewis­sens (!) das Gebot kennt bzw. dar­in um die Ver­pflich­tung weiß, sich den­noch nur aus der Angst vor der Stra­fe, der inkom­mo­den Kon­se­quenz ent­spre­chend ver­hält, er also an sich die Gebots­über­tre­tung dem Gehor­sam vor­zie­hen wür­de; wirk­lich frei (über die Frei­heit der Zure­chen­bar­keit hin­aus) agiert jedoch der, der die Norm und vor allem die sie begrün­den­de Instanz sel­ber bejaht und des­halb gebots­ge­mäß han­delt, kon­kret: die Kon­for­mi­tät mit dem Wil­len Got­tes als Selbst­zweck sucht. Dann aber ist das Gebo­te­ne sel­ber der­art in Frei­heit ange­eig­net, daß der das Gebot unter Zustim­mung Befol­gen­de dar­in gleich­sam „auto­nom“ ist, inso­fern er das Zu-Tuen­de aus der beja­hen­den und von daher sich damit iden­ti­fi­zie­ren­den Frei­heit her­aus tut. In die­sem Sin­ne ist die Got­tes­lie­be die Instanz der Auto­no­mie. (Cf. hl. Tho­mas: Sum­ma con­tra gen­tes IV,22 n.3588)

Das war jetzt ein wenig weit aus­ge­holt, um jedoch eines knapp zu doku­men­tie­ren: Im Kon­flikt der Posi­tio­nen über den Umgang mit Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­nen arti­ku­liert sich ein grund­le­gen­der Dis­sens dar­über, was nor­ma­ti­ve Bin­dung, sitt­li­che Ver­pflich­tung zutiefst aus­macht. Im letz­ten geht es um die Fra­ge: Ist Moral radi­kal (d.h. direkt und förm­lich) kon­sti­tu­iert als Auto-Nomie oder als Theo-Nomie? Jedes bibel­treue Chri­sten­tum muß sich aber für letz­te­res ent­schei­den (cf. Psalm 50/​51, 6). – Die­je­ni­gen in der Kir­che, die im Set­zen der Maß­stä­be für die Geschie­de­nen­pa­sto­ral in die Pflicht genom­men sind, soll­ten daher wis­sen, was auf dem Spiel steht. Ein blo­ßer Pasto­ral­prag­ma­tis­mus ist da völ­lig fehl am Platz, wie es eben­so­we­nig angeht, die Pro­ble­me mit ideo­lo­gi­schen Flos­keln zu über­spie­len. (Und zur Zeit droht „Barm­her­zig­keit“ zu solch einer ideo­lo­gi­schen Voka­bel zu werden.)

3. Norm und „konkrete Situation“

Ande­re Ansät­ze, um eine anvi­sier­te Locke­rung der kir­chen­amt­li­chen Sakra­ments­pra­xis zu legi­ti­mie­ren, sind von ver­gleichs­wei­se gerin­ge­rer Trag­wei­te; des­halb jedoch alles ande­re als bedeu­tungs­los. Sie ope­rie­ren nicht so sehr mit dem Gegen­satz zwi­schen der vor­ge­ge­be­nen, „objek­ti­ven“ Norm und dem sub­jek­ti­ven Gewis­sen als eigent­li­cher Ver­pflich­tungs­in­stanz; sie han­tie­ren viel­mehr mit der Span­nung zwi­schen der, gleich­wol objek­tiv vor­ge­ge­be­nen, Norm und der „kon­kre­ten Situa­ti­on“ der (an sich davon) Betrof­fe­nen. Und die­se Situa­ti­on arbei­tet man in unter­schied­li­cher oder auch unter­schied­lich radi­ka­ler Wei­se her­aus in ihrer Funk­ti­on, für die Betrof­fe­nen, kon­kret die Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­nen, ein Ent­la­stungs­po­ten­ti­al bereitzustellen.

Bewußt ver­zich­te ich auf Namens­nen­nung: Jedoch glaub­te ich, aus den, ins­ge­samt sehr vor­sich­tig gehal­te­nen, Aus­füh­run­gen eines pro­mi­nen­ten römi­schen Prä­la­ten im Ruhe­stand (im Rah­men einer Pre­digt) etwa fol­gen­des Kon­zept her­aus­hö­ren zu kön­nen, das auch in ande­ren Wort­mel­dun­gen greif­bar wird:

Dem­nach gäl­te es, für die Per­so­nen­grup­pe der Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­nen das Sakra­ment der Buße neu zu ent­decken; den Men­schen mit einer „gebro­che­nen Bio­gra­phie“ soll ein Neu­an­fang ermög­licht wer­den unter Rück­griff auf die von den Kir­chen­vä­tern gepräg­te Rede­wei­se von der „zwei­ten Blan­ke nach dem Schiff­bruch“ („secun­da post nauf­ra­gi­um tabu­la“: cf. DS 1542 et 1702). Im Sin­ne eines Neu­an­sat­zes zugun­sten der „Lösung“ des Pro­blems der Geschie­den-Wie­der­ver­hei­ra­te­ten wird dabei offen­sicht­lich vor­aus­ge­setzt, daß die neu ein­ge­tre­te­ne Situa­ti­on irgend­wie irrever­si­bel ist, ihre Revi­si­on sozu­sa­gen mora­lisch unmög­lich ist. Und dies soll dann offen­sicht­lich nicht nur die staat­li­che Ehe­schei­dung betref­fen, son­dern auch die zivi­le Wie­der­ver­hei­ra­tung, das Leben in der Zweit­ehe. Zugleich will die­ser Ansatz an der Unauf­lös­lich­keit der Ehe nicht gerüt­telt haben, an ihr soll fest­ge­hal­ten wer­den. – Man kommt dann aber an fol­gen­der Kon­se­quenz kaum her­um: Obgleich die unauf­lös­li­che Ehe wei­ter­be­steht, ist sie in der Rea­li­sie­rung ihres Ver­pflich­tungs­cha­rak­ters für die Betrof­fe­nen eine (mora­li­sche) Unmög­lich­keit gewor­den; in ihrem Ver­pflich­tungs­cha­rak­ter auch nach sei­nem Mini­mum nega­ti­ver Art (näm­lich kei­ne Geschlechts­ge­mein­schaft mit einer drit­ten Per­son zu unter­hal­ten). Die unter­stell­te Irrever­si­bi­li­tät der neu­en Situa­ti­on Geschie­den-Wie­der­ver­hei­ra­te­ter ist dabei offen­sicht­lich als im stren­gen Sin­ne sol­che zu neh­men, also als dau­er­haf­te Irrever­si­bi­li­tät, so daß (mehr oder min­der) a limi­ne kein Umstand mehr zu erwar­ten ist, der an die­sem postu­lier­ten Nicht-anders-Kön­nen etwas ändern könnte.

Im Gegen­zug: Die erwo­ge­ne Zulas­sung zu den Sakra­men­ten, final und allem vor­an zur hei­li­gen Kom­mu­ni­on, für die Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­nen impli­ziert jedoch im Rah­men die­ses, soeben knapp umris­se­nen, Kon­zepts und sei­ner Unter­stel­lun­gen, daß der Zustand der Recht­fer­ti­gung und des Frie­dens bzw. der Freund­schaft mit Gott, der Gna­den­stand, damit ver­ein­bar ist, daß jemand der Ver­pflich­tung vor Gott in bezug auf sei­ne „erste“ und blei­bend gül­ti­ge Ehe nicht nach­kom­men kann. Also wären dem­nach der Gna­den­stand und das Nicht­hal­ten-Kön­nen der Gebo­te Got­tes (und der Kir­che), wenig­stens in bezug auf eines davon, ver­ein­bar. – Die Ver­tre­ter die­ses ohne­dies anonym skiz­zier­ten Ansat­zes per­sön­lich zu zen­su­rie­ren, dazu will ich mich nicht ver­stei­gen; böser Wil­le sei nie­man­dem unter­stellt. Um so mehr gilt in der Sache: Die benann­te Auf­stel­lung ist eine Häre­sie oder kommt zumin­dest doch in die näch­ste Nähe einer sol­chen (inso­fern man ja kei­ne „gene­rel­le“ Aus­sa­ge machen will). Ich darf das Kon­zil von Tri­ent zitieren:

„Wenn jemand sagt, Got­tes Gebo­te sei­en auch dem gerecht­fer­tig­ten und unter der Gna­de befind­li­chen Men­schen zur Befol­gung unmög­lich: der sei im Ban­ne.“ (DS 1568; cf. eti­am 1536sq. nec­non 1569–1572)

Ent­spre­chend fin­det sich in den Lehr­bü­chern der Satz, daß „Gott allen Gerecht­fer­tig­ten hin­rei­chen­de Gna­de zur Beob­ach­tung der gött­li­chen Gebo­te gibt“, und zwar als stren­ger Glau­bens­satz, als förm­li­ches Dog­ma (vgl. u.a. Lud­wig Ott, Grund­riß der Dog­ma­tik, vier­tes Haupt­stück, §11, 2a; Bonn 11 Aufl. 2005, 343f.). – Mit die­ser mei­ner Fest­stel­lung ist nun aber vor allem eines deut­lich mar­kiert: Ein Plä­doy­er für eine ande­re Pra­xis ist auch unter theo­re­ti­schem bzw. dok­tri­na­lem Gesichts­punkt kei­ne harm­lo­se Ange­le­gen­heit, son­dern betrifft offen­sicht­lich dog­ma­ti­sches Kern­ge­biet (die Leh­re von der Gna­de und der Recht­fer­ti­gung ist zwei­fels­oh­ne ein solches).

Zur sach­li­chen Ver­voll­stän­di­gung: Die Not des Nicht-Hal­ten-Kön­nens der Gebo­te ist der katho­li­schen Leh­re zufol­ge die Not des Nicht-Gerecht­fer­tig­ten, des Sün­ders, der in der Abge­kehrt­heit von Gott lebt. Und, genau­er bese­hen, bedeu­tet sie nicht die Unfä­hig­keit für den jewei­li­gen Ein­zel­fall (was die mora­lisch rele­van­te Frei­heit auf­he­ben wür­de), son­dern die (mora­li­sche) Unmög­lich­keit für die Gesamt­heit eines län­ge­ren Zeit­rau­mes (der Tod­sün­der, der von Gott Abge­kehr­te, kommt nicht umhin, immer wie­der Tod­sün­den zu bege­hen). Und inso­fern auch der Sün­der (immer wie­der) unter dem Anruf jener erwecken­den Gna­de Got­tes steht, die es ihm ermög­licht, das zu tun, „was an ihm liegt“, infol­ge des­sen ihm die Gna­de der Recht­fer­ti­gung und mit ihr das voll­gül­ti­ge Kön­nen in bezug auf das Gebo­te-Hal­ten von Gott her zuteil wird, muß von einem ent­fern­ten Gebo­te-Hal­ten-Kön­nen im umfas­sen­den Sin­ne auch des Sün­ders die Rede sein. [1]Cf. S. Tho­mas I/​II, 109,4 /​ 6 arg/​ad2 /​ 8; ibd. 112,3 Daß man sich also durch die Untat der eige­nen Frei­heit in einen Zustand ver­set­zen könn­te, durch den man sich vom Hal­ten eines Gebo­tes (durch Ver­un­mög­li­chung) qua­si defi­ni­tiv ver­ab­schie­det hät­te: dies anzu­neh­men ist ein dog­ma­ti­sches Unding.

Unter Umstän­den könn­te man mir ent­ge­gen­hal­ten, ich ver­sün­dig­te mich gegen die intel­lek­tu­el­le Red­lich­keit, indem ich, bei Licht bese­hen, dem Geg­ner etwas unter­stell­te, das ohne­dies eine logi­sche Inkon­si­stenz besagt, ohne daß dies zur Wah­rung sei­ner Posi­ti­on zwin­gend sei. Inwie­fern? Man könn­te ja sagen: Ultra pos­se nemo tenetur – über sein Kön­nen hin­aus ist nie­mand zu etwas ange­hal­ten. Da aber der von mir kri­ti­sier­te Ansatz annimmt, die Befol­gung der in der ersten Ehe ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tung sei durch die Wie­der­hei­rat eben eine Unmög­lich­keit gewor­den, impli­zie­re er ja gera­de, daß das Gebot für die betrof­fe­ne Fall­grup­pe kein Gebot mehr ist, da kei­nen Ver­pflich­tungs­cha­rak­ter mehr habend. – Will oder woll­te man wirk­lich so ant­wor­ten, müß­te man schon fra­gen: Quid haec sibi volunt /​ was soll das denn sein? Ist das ein halt­ba­res Kon­zept mora­li­scher Ver­pflich­tung, das annimmt, man kön­ne ein­mal ein­ge­gan­ge­ner Pflich­ten dadurch ent­le­digt wer­den, daß man schwer gegen sie ver­stößt? Dis­pens durch Über­tre­tung? Sicher: Durch Schuld kann ich die Erfül­lung posi­ti­ver Ver­pflich­tun­gen unmög­lich machen (aber auch dann bleibt die Pflicht zur Resti­tu­ti­on durch Ersatz­lei­stung, frei­lich im Rah­men des Mög­li­chen und Ver­hält­nis­mä­ßi­gen); aber für nega­ti­ve Ver­pflich­tun­gen (sprich: etwas zu unter­las­sen) kann dies gera­de nicht gel­ten. Und um nega­ti­ve Ver­pflich­tun­gen geht es in unse­rem Fall nun ein­mal in aus­schlag­ge­ben­der Instanz.

Und damit kom­me ich wie von selbst zu einem wei­te­ren, ein wenig ver­tief­ter anset­zen­den Theo­rem, zu dem Plä­doy­an­ten für eine ande­re Wie­der­ver­hei­ra­te­ten­pa­sto­ral in punc­to Sakra­men­te gele­gent­lich grei­fen: die Unter­schei­dung zwi­schen der Ver­pflich­tung „im Prin­zip“ einer­seits und „im kon­kre­ten Fall“ ande­rer­seits. Die­ser Ansatz prä­zi­siert und ver­tieft eigent­lich nur die soeben ins Feld geführ­te Ant­wort­mög­lich­keit, wonach Nicht-mehr-Kön­nen den Ver­pflich­tungs­cha­rak­ter auf­he­be. Man rekur­riert nicht nur auf einen ent­la­sten­den Fak­tor, der inso­weit ent­pflich­tet, als die Nicht-Erbrin­gung des­sen, was eben nicht mehr erbracht wer­den kann, (an sich sel­ber) nicht anre­chen­bar ist; man modi­fi­ziert sozu­sa­gen auch den Cha­rak­ter der objek­ti­ven Ver­pflich­tung, inso­fern die­se ihrer­seits eben zwei Modi haben soll: den des „im Prin­zip“ und den des „im kon­kre­ten Fall“.

Ent­spre­chend ist bei Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­nen eben zu unter­schei­den zwi­schen den dau­er­haf­ten Ver­pflich­tun­gen, wie sie an der geschlos­se­nen Ehe „im Prin­zip“ hän­gen, und den­sel­ben, wie sie an der geschlos­se­nen Ehe „im kon­kre­ten Fall“ hän­gen. Und der kon­kre­te Fall des Wie­der­ver­hei­ra­te­ten bringt es dem­nach mit sich, daß die ein­mal geschlos­se­ne Ehe ihre Ver­pflich­tungs­kraft nicht mehr ent­fal­ten kön­ne. – Natür­lich bleibt hier einer­seits obi­ge Vor­hal­tung in Kraft, hier wer­de der mensch­li­chen Frei­heit die Kom­pe­tenz zuge­spro­chen, durch die Über­tre­tung (in Form des Schaf­fens „voll­ende­ter Tat­sa­chen“: Wie­der­hei­rat etc.) eines Gebo­tes das­sel­be für sich außer Kraft zu set­zen; ja, gilt er sogar ver­stärkt (durch Schaf­fung der neu­en Situa­ti­on ändert sich nach der Logik die­ses Ansat­zes ja etwas an der objek­ti­ven Verpflichtung).

Dar­über hin­aus gilt für besag­te Distink­ti­on zwi­schen „im Prin­zip“ und „im kon­kre­ten Fall“: Sie leuch­tet in ihrer Trag­fä­hig­keit nicht ein, mir jeden­falls nicht und vie­len ande­ren auch nicht. In der Moral­theo­lo­gie und ‑phi­lo­so­phie wird sol­ches lon­ge late­que ven­ti­liert und ent­spre­chend auch im Rah­men aktu­el­ler Debat­ten dis­pu­tiert. Nur ganz knapp: Ich hal­te es mit unzäh­li­gen ande­ren für evi­dent, daß das Gebot qua nor­ma­ti­ves Prin­zip, gleich­sam gut „ari­sto­te­lisch“, (zumin­dest) in sei­ner (nega­ti­ven) Ver­pflich­tungs­kraft nicht ist, es sei denn in bezug auf die unzäh­li­gen rele­van­ten Ein­zel­fäl­le ohne Aus­nah­me (so daß „im Prin­zip“ zwin­gend impli­ziert: „in jedem rele­van­ten Ein­zel­fall oder gar nicht“); die Postu­la­ti­on eines nor­ma­ti­ven Prin­zips, das sich, qua­si gut „pla­to­nisch“, in einem An-sich hal­ten könn­te, ohne sich (zumin­dest in nega­ti­ver Instanz) in jedem rele­van­ten Ein­zel­fall zwin­gend gel­tend zu machen, ver­kennt das Ver­hält­nis von All­ge­mei­nem und Ein­zel­fall in sei­ner Anwen­dung auf die nor­ma­ti­ve Ebe­ne. (Die gött­li­chen Dis­pen­sen, wel­che die Theo­lo­gie der Ver­gan­gen­heit kennt, berüh­ren die­sen Sach­ver­halt nicht. Sie besa­gen nur: Von einem bestimm­ten Sach­ver­halt geht aus­nahms­los für jeden Ein­zel­fall eine Ver­pflich­tung vor Gott aus, solan­ge Gott sel­ber nichts ande­res vor­sieht. Die kon­kre­ten Situa­tio­nen, von denen unser kri­ti­sier­tes Theo­rem aus­geht, las­sen sich jedoch nicht als Fäl­le gött­li­cher Dis­pen­sen ausgeben.)

Und ganz sicher hat das Triden­ti­num sei­nen besag­ten Lehr­satz vom Hal­ten-Kön­nen der Gebo­te sei­tens des Gerecht­fer­tig­ten in bezug auf Gebo­te ver­stan­den, die (zumin­dest in ihrer nega­ti­ven Trag­wei­te) aus­nahms­los in jeder rele­van­ten Situa­ti­on gel­ten; der Gedan­ke, der Sün­der kön­ne (zumal durch Über­tre­tung) eine Situa­ti­on schaf­fen, die die­sen Ver­pflich­tungs­cha­rak­ter auf­hebt, ist den Grund­ent­schei­den die­ses Kon­zils völ­lig zuwi­der, Grund­ent­schei­de, die so selbst­ver­ständ­lich waren, daß sie gar nicht erst aus­ge­spro­chen wer­den muß­ten. Von daher ist es nicht über­trie­ben zu sagen, daß die The­se von der Ver­ein­bar­keit von Gerech­ter-Sein und Nicht-Hal­ten-Kön­nen des Gebo­tes dahin­ge­hend, daß letz­te­res durch Schaf­fung „voll­ende­ter Tat­sa­chen“ durch den Sün­der „in con­cre­to“ ja sei­ne Ver­pflich­tungs­kraft ver­lo­ren hät­te, (zumin­dest) vir­tu­ell mit­an­a­the­ma­ti­siert ist.

4. Sakramententheologische Aspekte

Auch ein paar sakra­men­ten­theo­lo­gi­sche Erwä­gun­gen schei­nen mir ange­zeigt. Auch dazu muß ein klein wenig näher aus­ge­holt wer­den: Die Theo­lo­gie kennt das sog. „Wie­der­auf­le­ben der Sakra­men­te“ („revi­vis­cen­tia sacra­men­torum“). Dem­nach ent­fal­ten sicher die abso­lut unwie­der­hol­ba­ren Sakra­men­te (Tau­fe, Fir­mung, Ordo), sehr wahr­schein­lich auch die rela­tiv unwie­der­hol­ba­ren (Letz­te Ölung oder Kran­ken­sal­bung und Ehe), ihre Wir­kung auch noch nach dem aktu­el­len Emp­fang; näm­lich bei Auf­he­bung des sitt­li­chen Hin­der­nis­ses kraft Reue und Buß­sa­kra­ment. Rela­tiv aus­gie­big reflek­tiert wor­den ist dies von der Theo­lo­gie (seit Augu­sti­nus schon mit Blick auf die Tau­fe) für den Fall, daß jemand ein sol­ches Sakra­ment zwar gül­tig, jedoch unfrucht­bar (da indis­po­niert) emp­fan­gen hat.

Weit weni­ger im Blick gewe­sen ist der für unse­re Belan­ge beson­ders wich­ti­ge zwei­te Fall: wonach das Sakra­ment zwar frucht­bar (da mit ent­spre­chen­der Dis­po­si­ti­on) emp­fan­gen wur­de, der dama­li­ge Emp­fän­ger jedoch durch Fall in die Tod­sün­de die Gna­de und damit auch die spe­zi­fi­sche Gna­de des Sakra­ments ver­lo­ren hat. Auch dann „lebt“ im Fal­le voll­kom­me­ner Reue und Emp­fang des Buß­sa­kra­ments die spe­zi­fi­sche Gna­de des Sakra­ments „wie­der auf“ (solan­ge die Unwie­der­hol­bar­keit des Sakra­men­tes gilt): der durch Buße mit Gott Ver­söhn­te lebt sein Gna­den­le­ben jetzt wie­der auch aus den unwie­der­hol­ba­ren Sakramenten.

„Weit weni­ger im Blick“: Er wur­de mehr oder min­der als selbst­ver­ständ­li­che Kon­se­quenz aus der „Revi­vis­zenz“ im ersten Sin­ne behan­delt bzw. ange­führt. – Das Wie die­ses Wie­der­auf­le­bens ist unter den Theo­lo­gen tra­di­tio­nell umstrit­ten (was eng­stens zusam­men­hängt mit den ver­schie­de­nen Wei­sen, die instru­men­tel­le Wirk­sam­keit der Sakra­men­te zu plau­si­bi­li­sie­ren). Mit eini­ger Sicher­heit kann man jedoch sagen, daß die­ses Wie­der­auf­le­ben gene­rell eng zusam­men­hängt mit der Dua­li­tät des Sakra­ments als äußer­li­chem Zei­chen („sacra­men­tum tan­tum“) und des Sakra­ments als sozu­sa­gen ver­in­ner­lich­ter, nur ver­mit­tels des äuße­ren Zei­chens sicht­ba­rer Grö­ße, die (außer in der Eucha­ri­stie) den Emp­fän­ger sel­ber (phy­sisch oder mora­lisch) prägt („res et sacramentum“).

Es ist dies jene Wir­kung des äuße­ren sakra­men­ta­len Zei­chens, die mit des­sen (aktiv und pas­siv) gül­ti­ger Set­zung abso­lut untrenn­bar ver­bun­den ist. Und bei den (abso­lut oder nur rela­tiv) unwie­der­hol­ba­ren Sakra­men­ten ist besag­te Prä­gung eben eine blei­ben­de. Es sind dies kon­kret: der unaus­lösch­li­che sakra­men­ta­ler Cha­rak­ter (bei Tau­fe, Fir­mung und Ordo) oder (in etwa) die Über­eig­net­heit an den ret­ten­den Gott bzw. das Ehe­band o.ä. (bei der hl. Ölung und der Ehe). Die­se Prä­gun­gen qua Ver­in­ner­li­chun­gen des Sakra­ments rufen gleich­sam nach ihrer Voll­endung durch die hei­li­gen­de und hei­len­de Gna­de (die „res tan­tum sacra­men­ti“), auf daß die­se Gna­de von Gott unaus­bleib­lich gege­ben ist, und zwar kraft des Sakra­ments (auf wel­che Wei­se auch immer) und unter der Bedin­gung, daß kein Hin­der­nis dage­gen gesetzt ist. – Daß jen­seits des zwi­schen­zei­ti­gen Ver­lu­stes der Gna­de oder des Gar-nicht-erst-emp­fan­gen-Habens der­sel­ben das blei­bend inter­na­li­sier­te Sakra­ment auch bei „bloß“ ver­tief­ter (statt nach­träg­lich bzw. erneut rea­li­sier­ter) Dis­po­si­ti­on eben auf die Ver­tie­fung des Gna­den­le­bens hin erneut wirk­sam wird, die­se Vor­stel­lung wur­de im Kon­text ein­schlä­gi­ger Erör­te­rung als eine abwe­gi­ge Ent­le­gen­heit bewer­tet. Jedoch bin ich mir (einer gründ­li­chen Refle­xi­on vor­weg und dies­seits ver­we­ge­ner Spe­ku­la­ti­on) kei­nes­wegs so sicher dar­über, daß ein solch ver­tief­tes statt nur nach­träg­li­ches oder (ein­fach­hin) erneu­tes Gna­den­le­ben (auch) aus dem Sakra­ment ein Unding abge­ben soll. [2]Zum Vor­an­ste­hen­den in gene­re kon­sul­tie­re man die bewähr­te Manua­li­en­li­te­ra­tur sowie die ein­schlä­gi­gen Lexi­kon­ar­ti­kel. Außer­dem ver­wei­se ich eigens auf: F. Suá­rez, In ter­ti­am par­tem, qu. 62,4 disp. … Con­ti­n­ue rea­ding

Als Ergeb­nis für unse­re Belan­ge: Mit dem sakra­men­ta­len Ehe­band zwi­schen zwei Getauf­ten ist bei­den die Gna­de des Sakra­ments ver­bürgt für die Dau­er die­ses Ban­des, sobald sie nur für die­se Gna­de geöff­net sind, und sei letz­te­res erst nach dem Emp­fang des Sakra­men­tes der Fall. Ent­spre­chend ist ihnen für die Dau­er die­ses Ban­des garan­tiert, (gege­be­nen­falls) auch immer wie­der neu aus dem Sakra­ment geist­lich zu leben; zumin­dest dahin­ge­hend, daß die je neue Ver­söh­nung mit Gott auch je neu die dem Ehe­sa­kra­ment spe­zi­fi­sche Begna­dung mit sich bringt (wenn nicht gar dahin­ge­hend, daß sie bei ver­tief­te­rer Dis­po­si­ti­on auch ver­tief­ter aus dem Sakra­ment leben).

Nun bringt aber die Gna­de des Ehe­sa­kra­men­tes die Befä­hi­gung mit sich, die Ver­pflich­tun­gen der ein­ge­gan­ge­nen Ehe hal­ten zu kön­nen. Von daher zwangs­läu­fig der simp­le Schluß: Die Opti­on, die zugleich an der Unauf­lös­lich­keit der Ehe fest­hal­ten und ein im stren­gen Sin­ne irrever­si­bles Nicht-mehr-Hal­ten-Kön­nen (und somit Auf­hö­ren) der mit dem Ehe­band gege­be­nen Ver­pflich­tun­gen als mög­lich anneh­men will, ist mit Blick auf die Sakra­men­ta­li­tät des Ehe­ban­des bei Getauf­ten inner­lich inkon­si­stent. Denn: Mit der even­tu­el­len Bekeh­rung lebt doch die Gna­de des Sakra­ments wie­der auf, die ja gera­de das Hal­ten-Kön­nen impliziert.

Für jene, die auf den Unter­schied zwi­schen Prin­zip und Kon­kre­ti­on (s.o.) rekur­rie­ren, bleibt mei­nes Erach­tens hier nur ein kon­se­quen­ter Aus­weg: Das Sakra­ment der Ehe muß in dem postu­lier­ten Fall, der Nicht-mehr-Kön­nen bis hin zum Nicht-mehr-ver­pflich­tet-Sein besa­gen soll, in bezug auf die bei­den (bis dato) Ehe­part­ner erlo­schen sein; dadurch, daß das sakra­men­ta­le Ehe­band pro hoc sin­gu­la­ri casu zer­ris­sen ist. Dann aber ist in die­sem Fall das Sakra­ment (als blei­ben­de Grö­ße, „sacra­men­tum et res“) in die Will­kür des Men­schen ent­las­sen: nicht Gott ver­fügt über des­sen Dau­er, son­dern der Mensch. Ein­mal abge­se­hen von Mt 19,6 par­all.: Die Rede von der Treue Got­tes, wenn wir untreu wer­den (2 Tim 2,13), wird hier schlicht Lügen gestraft. Über­dies: Was wäre dann aber mit jenem Ehe­part­ner (aus erster Ehe), der unschul­dig ist und gegen des­sen Wil­len die­se Ehe erlo­schen wäre? Und der sich oben­drein ent­schließt, sei­nem Part­ner bewußt (nega­tiv) treu zu blei­ben? Er gin­ge dann zwangs­läu­fig der blei­ben­den Ver­bür­gung der Gna­de Got­tes durch das (dann ja nicht mehr) blei­ben­de Ehe­sa­kra­ment ver­lu­stig, und zwar durch die Schuld des ande­ren; hängt doch das blei­ben­de Ehe­sa­kra­ment am blei­ben­den Ehe­band (das beid­sei­tig besteht oder gar nicht).

5. Zusammenfassung

Noch­mals in ganz knap­per Zusam­men­fas­sung: Die For­de­rung, Wie­der­ver­hei­ra­tet-Geschie­de­ne zu den Sakra­men­ten zuzu­las­sen, ist aus sach­li­chen Grün­den unhalt­bar, mit­hin die „gegen­wär­ti­ge“ Leh­re und Pra­xis auch (!) sach­lo­gisch als irre­for­ma­bel aus­weis­bar. Und dies aus meh­re­ren Gründen:

  1. Für den (dis­kurs­prag­ma­tisch allein rele­van­ten) Regel­fall ist die sub­jek­ti­ve Gewis­sens­si­tua­ti­on als Fun­da­ment einer Zulas­sung unhalt­bar. Denn das wäre nur mög­lich durch Beru­fung auf ein abwei­chen­des Gewis­sen­s­ur­teil. Bei der hohen Ver­bind­lich­keit der Leh­re der Kir­che zur unauf­lös­li­chen Ehe und ihren Ver­pflich­tun­gen bekun­det die­se Beru­fung nun aber ent­we­der nichts ande­res als einen Selbst­be­trug oder die Zurück­wei­sung des Lehr­am­tes selbst; erste­res läßt die­se Beru­fung hin­fäl­lig wer­den, letz­te­res schließt vom Sakra­men­ten­emp­fang zwangs­läu­fig aus.
  2. Dort, wo man die Gewis­sens­au­to­no­mie gegen die Auto­ri­täts­bin­dung ins Feld führt, legt man, kon­se­quent zu Ende gedacht, ein Ver­ständ­nis des­sen, was die mora­li­sche Ver­pflich­tung und deren Gewiß­heit im Gewis­sen förm­lich aus­macht, zugrun­de, das sich nicht nur (bei nähe­rem Hin­se­hen) als nicht trag­fä­hig erweist, son­dern als unver­ein­bar mit jener The­o­no­mie der Ver­pflich­tung, die für die bibli­sche Sicht unauf­gebbar ist.
  3. Plä­doy­an­ten für eine ande­re Pra­xis, die (in je ver­schie­de­ner Wei­se) mit dem Unter­schied von prin­zi­pi­ell gel­ten­der Norm und kon­kre­ter Situa­ti­on arbei­ten, behaup­ten ent­we­der (impli­zit) die Unfä­hig­keit auch des Gerecht­fer­tig­ten, Got­tes Gebo­te zu hal­ten (was von Tri­ent unter Ana­them ver­wor­fen wur­de), oder sie spre­chen dem Sün­der letzt­lich die Kom­pe­tenz zu, durch Über­tre­tung eine Situa­ti­on „voll­ende­ter Tat­sa­chen“ zu schaf­fen, in der die Gel­tung der Norm für sie auf­ge­ho­ben ist (man „kann“ halt nicht mehr anders, „kon­kre­te Situa­ti­on“). Über­dies ist die Unter­schei­dung jener bei­den Modi des Gebo­tes, wonach es „im Prin­zip“ sei­ne Gel­tung ent­fal­ten kann, ohne dies auch „in der kon­kre­ten Situa­ti­on“ zu tun, mit den größ­ten Schwie­rig­kei­ten bela­stet bzw. intransparent.
  4. Sakra­men­ten­theo­lo­gisch: Die mit dem Ehe­band blei­bend ver­bürg­te Gna­de des Ehe­sa­kra­ments beinhal­tet gera­de die gött­li­che Befä­hi­gung zum Hal­ten der mit dem Ehe­band gege­be­nen Ver­pflich­tun­gen. Von daher postu­liert man dann, wenn man an der Unauf­lös­lich­keit der sakra­men­ta­len Ehe fest­hal­ten will, um zugleich zu behaup­ten, die Erfül­lung der ein­ge­gan­ge­nen (letzt­lich nega­ti­ven) Ver­pflich­tun­gen könn­te „kon­kret unmög­lich“ wer­den, und zwar defi­ni­tiv unmög­lich, etwas inner­lich Inkon­si­sten­tes; oder man postu­liert für die neue Situa­ti­on, in der „kon­kret“ nicht mehr gilt, was „im Prin­zip“ gleich­wohl gel­ten soll, das Auf­hö­ren des sakra­men­ta­len Ehe­ban­des. Damit wäre aber des­sen Dau­er in die mensch­li­che Ver­fü­gung gestellt.

Daß einem, zumal als Nicht­spe­zia­li­sten und im Rah­men eines Essays, trotz aller Bemü­hung um Sorg­falt in der Pro­blem­er­fas­sung dar­in doch eini­ges ent­ge­hen und ent­glei­ten kann, des­sen bin ich mir wohl bewußt. Aber ich glau­be, eine Rei­he stich­hal­ti­ger Punk­te benannt zu haben, wel­che die Postu­la­ti­on einer ande­ren Pra­xis – über die for­ma­le Ver­bind­lich­keit der gel­ten­den Leh­re und Pra­xis hin­aus – auch theo­re­tisch erheb­lich anfech­ten. Eine sach­ad­äqua­te Argu­men­ta­ti­on für eine Ände­rung der Pra­xis müß­te sich an die­sen Punk­ten erst ein­mal gehö­rig abar­bei­ten. Kei­nes­falls will ich mich zu Pau­schal­ur­tei­len über den gegen­wär­ti­gen theo­lo­gi­schen Dis­kurs im deut­schen Sprach­raum hin­rei­ßen las­sen. Aber ich glau­be wahr­zu­neh­men, daß man sich nur zu oft wei­gert, sich auf die Nie­de­run­gen des Sach­pro­blems ein­zu­las­sen. Und so wer­den nicht sel­ten Anfra­gen sach­kun­di­ger Auto­di­dak­ten ziem­lich sno­bi­stisch über­gan­gen, indem man sich auf sei­ne Elo­quenz ver­läßt. Man über­sieht dabei, daß der­je­ni­ge, der in Tuch­füh­lung mit den Plau­si­bi­li­tä­ten der Gegen­wart ist, sozu­sa­gen ein Heim­spiel hat. Aber gedie­ge­ne theo­lo­gi­sche Argu­men­ta­ti­on ist mehr als zeit­geist­ge­mä­ße ideo­lo­gi­sche Postu­la­ti­on mit den „pas­sen­den Wor­ten“ dazu.

Dr. theol. Klaus Oben­au­er ist Pri­vat­do­zent an der Katho­lisch-theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni­ver­si­tät Bonn.

Bild: Ale­teia

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1 Cf. S. Tho­mas I/​II, 109,4 /​ 6 arg/​ad2 /​ 8; ibd. 112,3
2 Zum Vor­an­ste­hen­den in gene­re kon­sul­tie­re man die bewähr­te Manua­li­en­li­te­ra­tur sowie die ein­schlä­gi­gen Lexi­kon­ar­ti­kel. Außer­dem ver­wei­se ich eigens auf: F. Suá­rez, In ter­ti­am par­tem, qu. 62,4 disp. 8,3 n.1 sowie qu. 69,10 disp. 28,4 bes. n.17: Ope­ra omnia, Paris 1860, 133b, 513–522 bes. 520a; Juan de Lugo, Dis­pu­ta­tio­nes scho­la­sti­cae et mora­les, disp. IX,5 nn.81sq. u. 83sq.: tomus 3, Paris 1892, 555b/​556a.
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