„Er liebt es von allen geliebt zu werden“ – Dramatischer Brief einer Katholikin an Papst Franziskus


Lucrecia Rego de Planas: Brief an Papst Franziskus von einer Christin und neunfachen Mutter(Mexi­ko-Stadt) Die mexi­ka­ni­sche Katho­li­kin Lucre­cia Rego de Pla­nas, mehr­fa­che Fami­li­en­mut­ter und lang­jäh­ri­ge Bekann­te von Papst Fran­zis­kus schrieb dem Papst am 23. Sep­tem­ber einen ganz per­sön­li­chen und lan­gen Brief. Dar­in klagt sie ihm ihr gan­zes Leid über sein Pon­ti­fi­kat und die Art, wie er das Petrus­amt aus­füllt. Ein dra­ma­ti­sches Zeit­do­ku­ment, das den Schrei­ben der Hei­li­gen Hil­de­gard von Bin­gen oder Katha­ri­na von Sie­na an Bedeu­tung um nichts nachsteht.

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Rego de Pla­nas nennt zunächst die mehr­fa­chen Begeg­nun­gen mit Jor­ge Mario Kar­di­nal Berg­o­glio in den „ver­gan­ge­nen zwölf Jah­ren“ bei Tagun­gen, Kir­chen­ver­samm­lun­gen und Ein­kehr­ta­gen in ver­schie­de­nen Städ­ten Mit­tel- und Süd­ame­ri­kas, „die mir die Gele­gen­heit boten, mit Dir ver­schie­de­ne Tage unter dem­sel­ben Dach zu schla­fen, den­sel­ben Tisch und sogar den­sel­ben Schreib­tisch zu teilen.“

Nach­dem der Brief an den Vati­kan abge­gan­gen war, ver­öf­fent­lich­te Rego de Pla­nas das Schrei­ben inzwi­schen auf ihrem Blog. Eine Ant­wort aus Rom hat sie bis­her noch nicht erhal­ten. Hier der voll­stän­di­ge Brief in deut­scher Über­set­zung. Titel und Zwi­schen­ti­tel wur­den von der Redak­ti­on gewählt.

Hui­x­qui­lucan, Mexi­ko, 23. Sep­tem­ber 2013

Liebster Papst Franziskus!

(…) Damals warst Du Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und ich war Direk­to­rin eines der füh­ren­den katho­li­schen Medi­en. Heu­te bist Du nichts mehr und nichts weni­ger als der Papst und ich bin … nur eine Mut­ter, Chri­stin, ver­hei­ra­tet mit einem guten Mann und neun Kin­dern, die an der Uni­ver­si­tät Mathe­ma­tik lehrt und die ver­sucht, so gut sie kann, mit der Kir­che zusam­men­zu­ar­bei­ten, dort, wo Gott mich hin­ge­stellt hat.

In den Begeg­nun­gen der ver­gan­ge­nen Jah­re hast Du mich mehr­fach auf­ge­for­dert: „Mäd­chen, nenn mich Jor­ge Mario. Wir sind Freun­de!“. Ich ant­wor­te­te erschrocken: „Abso­lut nicht, Herr Kar­di­nal! Gott möge mich davor bewah­ren, zu einem Sei­ner Für­sten auf Erden Du zu sagen!“

Jetzt aber erlau­be ich mir, Du zu sagen, weil Du nicht mehr der Kar­di­nal Berg­o­glio bist, son­dern der Papst, mein Papst, der süße Chri­stus auf Erden, an den ich mich ver­trau­ens­voll zu wen­den wage, wie an mei­nen Vater.

Ich habe beschlos­sen, Dir zu schrei­ben, weil ich lei­de und ich es brau­che, daß Du mich trö­stest. (…) Ich weiß, daß es Dir gefällt, jene zu trö­sten, die lei­den, und jetzt bin ich eine von ihnen.

Als ich diese Dinge sah, dachte ich mir: „Uff, was für ein Drang die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken!“

Als ich Dich bei die­sen Ein­kehr­ta­gen ken­nen­lern­te, als Du noch Kar­di­nal Berg­o­glio warst, war ich erstaunt über die Tat­sa­che, daß Du Dich nie so ver­hal­ten hast, wie sich die ande­ren Kar­di­nä­le und Bischö­fe ver­hiel­ten. Um eini­ge Bei­spie­le zu nen­nen: Du warst dort der Ein­zi­ge, der vor dem Taber­na­kel oder wäh­rend der Wand­lung kei­ne Knie­beu­ge mach­te; wenn alle Bischö­fe in Sou­ta­ne erschie­nen, weil es so die Vor­schrif­ten ver­lan­gen, bist Du in Stra­ßen­klei­dung und Kol­lar gekom­men. Wenn alle sich auf die für die Bischö­fe und Kar­di­nä­le reser­vier­ten Plät­ze setz­ten, hast Du den Platz des Kar­di­nal Berg­o­glio leer gelas­sen und Dich irgend­wo hin­ten hin­ge­setzt mit den Wor­ten „hier sit­ze ich gut, hier füh­le ich mich wohl“; wenn ande­re mit einem Auto anka­men, das der Wür­de eines Bischofs ent­spricht, dann kamst Du nach allen ande­ren, ganz geschäf­tig und in Eile und erzähl­test mit lau­ter Stim­me von Dei­nen Begeg­nun­gen im öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel, das Du benützt hat­test, um zur Ver­samm­lung zu kom­men. Als ich die­se Din­ge sah – und ich schä­me mich, es Dir zu sagen – dach­te ich mir: „Uff, was für ein Drang die Auf­merk­sam­keit auf sich zu len­ken! Denn, wenn man wirk­lich demü­tig und ein­fach sein will, ist es dann nicht bes­ser, sich wie die ande­ren Bischö­fe zu ver­hal­ten, um nicht aufzufallen?“

Er liebt es von allen geliebt zu werden

Auch eini­ge mei­ner argen­ti­ni­schen Freun­de, die an den Tref­fen teil­nah­men, bemerk­ten irgend­wie mei­ne Ver­wir­rung und sag­ten zu mir: „Du bist nicht die ein­zi­ge. Er befrem­det uns alle immer, aber wir wis­sen, daß er kla­re Kri­te­ri­en hat und in sei­nen Reden ver­tritt er Über­zeu­gun­gen, die immer treu zum Lehr­amt und zur Tra­di­ti­on der Kir­che sind, er ist ein muti­ger, treu­er Ver­tei­di­ger der rech­ten Leh­re … Wie es aller­dings scheint, liebt er es von allen geliebt zu wer­den und will allen gefal­len. Und in die­sem Sinn könn­te er an einem Tag im Fern­se­hen gegen die Abtrei­bung spre­chen und am Tag dar­auf in der­sel­ben Fern­seh­sen­dung die Abtrei­bungs­fe­mi­ni­stin­nen der Pla­za de Mayo seg­nen; könn­te er eine wun­der­ba­re Rede gegen die Frei­mau­rer hal­ten und Stun­den spä­ter mit ihnen im Club essen und trinken.“

Mein lie­ber Papst Fran­zis­kus, es stimmt, das war Kar­di­nal Berg­o­glio, den ich aus der Nähe ken­nen­ge­lernt habe: An einem Tag damit beschäf­tigt, ange­regt mit Bischof Duar­te Aguer für die Ver­tei­di­gung des Lebens und die Lit­ur­gie zu reden und am sel­ben Tag, beim Abend­essen, immer ange­regt mit Msgr. Ysern und Msgr. Rosa Cha­vez für die Basis­ge­mein­schaf­ten und die schreck­li­chen Hür­den der „dog­ma­ti­schen Leh­re“ der Kir­che. An einem Tag Freund von Kar­di­nal Cipria­ni und Kar­di­nal Rodri­guez Mara­dia­ga, der über Unter­neh­mens­ethik und gegen die New Age-Ideo­lo­gien spricht, und wenig spä­ter Freund von Casa­ld­a­li­ga und Boff, der über Klas­sen­kampf und den „Reich­tum“ spricht, den die öst­li­chen Prak­ti­ken der Kir­che schen­ken könnten.

Von diesem Augenblick an habe ich für Dich und für meine geliebte Kirche gebetet

Auf­grund die­ser Prä­mis­sen wirst Du ver­ste­hen, wie sehr ich die Augen auf­ge­ris­sen habe, als ich Dei­nen Namen nach dem Habe­mus Papam hör­te und von die­sem Augen­blick an (noch bevor Du dar­um gebe­ten hast) habe ich für Dich und für mei­ne gelieb­te Kir­che gebe­tet. Und es seit­her nicht einen Tag ausgelassen.

Als ich Dich auf dem Bal­kon ohne Mozet­ta sah und Du das Pro­to­koll für den ersten Gruß und den latei­ni­schen Text miß­ach­tet hast, um Dich dadurch lächelnd von den ande­ren Päp­sten der Geschich­te zu unter­schei­den, sag­te ich besorgt zu mir selbst: „Ja, ohne Zwei­fel: das ist Kar­di­nal Bergoglio“.

In den Tagen nach Dei­ner Wahl hast Du mir ver­schie­de­ne Gele­gen­hei­ten gebo­ten, die mir bestä­tig­ten, daß Du immer noch die­sel­be Per­son bist, die ich aus der Nähe ken­nen­ge­lernt hat­te, immer auf der Suche anders zu sein: Du woll­test ande­re Schu­he, einen ande­ren Ring, ein ande­res Kreuz, einen ande­ren Stuhl und sogar ein ande­res Zim­mer als alle ande­ren Päp­ste, die sich immer demü­tig und ohne „Son­der­wün­sche“ mit den Din­gen zufrie­den gaben, die für sie vor­ge­se­hen waren.

Durch den Rücktritt meines geliebten Papstes Benedikt XVI. fühlte ich mich wie verlassen, inmitten des Krieges, des Erdbebens, des wildesten Orkans, und plötzlich bist Du gekommen

In jenen Tagen ver­such­te ich mich von jenem immensen Schmerz zu erho­len, den ich durch den Rück­tritt mei­nes gelieb­ten und sehr ver­ehr­ten Pap­stes Bene­dikt XVI. erlit­ten hat­te, mit dem ich mich von Anfang an iden­ti­fi­zier­te wegen der Klar­heit sei­ner Unter­wei­sung (der beste Lehr­mei­ster der Welt), wegen sei­ner Treue zur Lit­ur­gie, wegen sei­nes Mutes, die rech­te Leh­re inmit­ten der Fein­de der Kir­che zu ver­tei­di­gen und tau­send ande­rer Din­ge, die ich hier nicht auf­zäh­len will. (…) aber ich habe ver­stan­den, daß die Win­de wirk­lich stür­misch waren und das Papst­tum etwas zu Beweg­tes für sei­ne Kräf­te wur­de, die mit dem Alter im har­ten und bru­ta­len Kul­tur­kampf den er führ­te, geschwun­den waren.

In die­sem Augen­blick fühl­te ich mich wie ver­las­sen, inmit­ten des Krie­ges, des Erd­be­bens, des wil­de­sten Orkans, und plötz­lich bist Du gekom­men, um ihn am Steu­er­rad zu erset­zen. Wir haben einen neu­en Kapi­tän, dan­ken wir Gott dafür! Ich ver­trau­te voll­kom­men (ohne den Schat­ten eines Zwei­fels), daß Papst Fran­zis­kus mit dem Bei­stand des Hei­li­gen Gei­stes, mit dem Gebet der Gläu­bi­gen, mit der Last der Ver­ant­wor­tung, mit der Hil­fe sei­ner Mit­ar­bei­ter im Vati­kan und dem Bewußt­sein, von der gan­zen Welt beob­ach­tet zu wer­den, die Son­der­we­ge und Zwei­deu­tig­kei­ten des Kar­di­nals Berg­o­glio hin­ter sich las­sen und unver­züg­lich das Kom­man­do des Hee­res über­neh­men wür­de, um mit neu­em Wil­len den Kampf fort­zu­set­zen, den sein Vor­gän­ger begon­nen hatte.

Anstatt die Waffen zu ergreifen, begann mein General sein Mandat damit, mit seinem Friseur und seinem Zahnarzt zu telefonieren …

Zu mei­ner Über­ra­schung und Ver­wir­rung begann mein Gene­ral sein Man­dat, anstatt die Waf­fen zu ergrei­fen, lei­der damit, mit sei­nem Fri­seur und sei­nem Zahn­arzt zu tele­fo­nie­ren, mit sei­nem Milch­mann und sei­nem Zei­tungs­händ­ler, und so lenk­te er die Blicke auf sei­ne Per­son und nicht auf die Bedeu­tung des Papsttums.

Seit­her sind sechs Mona­te ver­gan­gen und ich erken­ne mit Lie­be und Emo­tio­nen an, daß Du Tau­sen­de von guten Din­gen getan hast. Mir gefal­len Dei­ne offi­zi­el­len Anspra­chen sehr (die an die Poli­ti­ker, die Gynä­ko­lo­gen, die Jour­na­li­sten, zum Welt­frie­dens­tag usw.) und Dei­ne Pre­dig­ten an den Fest­ta­gen, denn in ihnen erkennt man eine minu­tiö­se Vor­be­rei­tung und eine tie­fe Medi­ta­ti­on in jedem dar­in gebrauch­ten Wort. Dei­ne Wor­te und die­se Reden und Pre­dig­ten waren eine wah­re Nah­rung für mei­nen Geist und mei­ne See­le. Mir gefällt es sehr, daß die Men­schen Dich lie­ben und Dir applau­die­ren. Du bist mein Papst, das Ober­haupt mei­ner Kir­che auf Erden, der Kir­che Christi.

Den­noch – und das ist der Grund mei­nes Schrei­bens – muß ich sagen, daß ich auch gelit­ten habe (und lei­de), wegen vie­ler Dei­ner Wor­te, weil Du Din­ge sagst, die ich wie Stock­schlä­ge in mei­nen Unter­leib ver­spü­re, wäh­rend mei­ner stän­di­gen Bemü­hun­gen dem Papst und dem Lehr­amt treu zu sein. Ich füh­le mich trau­rig, ja, aber das Wort, um mei­ne Gefüh­le am besten zum Aus­druck zu brin­gen ist: Ratlosigkeit.

Ich brauche von Dir Orientierung, lieber Papst Franziskus

Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll und was ich nicht sagen soll, ich weiß nicht mehr, wo ich behar­ren soll und wo ich die Din­ge lau­fen­las­sen soll. Ich brau­che von Dir Ori­en­tie­rung, lie­ber Papst Fran­zis­kus. Ich lei­de wirk­lich und sehr wegen die­ser Rat­lo­sig­keit, die mich lähmt. Mein gro­ßes Pro­blem ist, daß ich gro­ße Tei­le mei­nes Lebens dem Stu­di­um der Hei­li­gen Schrift, der Tra­di­ti­on und dem Lehr­amt gewid­met habe, so daß ich über eine kla­re Grund­la­ge ver­fü­ge, um mei­nen Glau­ben zu ver­tei­di­gen. Und nun ste­hen vie­le von die­sen siche­ren Fun­da­men­ten in Wider­spruch zu dem, was mein gelieb­ter Papst tut und sagt. Ich bin schockiert und brau­che, daß Du mir sagst, was ich tun soll.

Ich will das anhand eini­ger Bei­spie­le bes­ser erklären.

Ich kann nicht einem Papst applau­die­ren, der sich weder vor dem Taber­na­kel noch wäh­rend der Wand­lung nie­der­kniet wie es der Ritus der Hei­li­gen Mes­se lehrt; aber ich kann ihn auch nicht kri­ti­sie­ren, weil er der Papst ist!

Soll ich die Anweisungen unseres emeritierten Papstes mißachten?

Bene­dikt XVI. hat uns in Redemp­tio­nis Sacra­men­tum gebe­ten, daß wir den Bischof über lit­ur­gi­sche Untreue und Miß­bräu­che, denen wir bei­woh­nen, infor­mie­ren. Aber… wen soll ich infor­mie­ren, wenn der Papst selbst die Lit­ur­gie nicht respek­tiert? Ich weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich die Anwei­sun­gen unse­res eme­ri­tier­ten Pap­stes mißachten?

Ich kann nicht glück­lich sein über die Eli­mi­nie­rung der Pate­ne und der Knie­bän­ke für die Kom­mu­ni­kan­ten und es kann mir auch nicht gefal­len, daß Du Dich nie ernied­rigst, den Gläu­bi­gen die Kom­mu­ni­on zu spen­den; daß Du Dich nicht selbst als „Papst“ bezeich­nest, son­dern nur als „Bischof von Rom“; oder daß Du nicht den Ring des Fischers trägst. Aber ich kann nicht ein­mal dar­über kla­gen, weil Du der Papst bist!

Ich bin nicht stolz dar­auf, daß Du am Grün­don­ners­tag einer Mus­li­min die Füße gewa­schen hast, weil das eine Ver­let­zung des lit­ur­gi­schen Geset­zes dar­stellt. Aber ich kann nichts sagen, weil Du der Papst bist, dem ich treu sein muß!

Aber wem kann ich meinen Schmerz klagen? Du bist der Papst!

Du hast mir schreck­lich weh­ge­tan, als Du die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta bestraft hast, weil sie mit aus­drück­li­cher Erlaub­nis Dei­nes Vor­gän­gers in Sum­morum Pon­ti­fi­cum die Hei­li­ge Mes­se im über­lie­fer­ten Ritus zele­brier­ten. Sie zu bestra­fen, bedeu­tet gegen die Leh­re der Vor­gän­ger­päp­ste vor­zu­ge­hen. Aber wem kann ich mei­nen Schmerz kla­gen? Du bist der Papst!

Ich wuß­te nicht, was ich den­ken oder sagen soll­te, als Du Dich öffent­lich über eine Grup­pe lustig gemacht hast, die für Dich Rosen­krän­ze gebe­tet hat, indem Du sie „die, die Gebe­te zäh­len“, genannt hast. Der Rosen­kranz ist eine wun­der­ba­re Tra­di­ti­on der Kir­che, was soll ich also den­ken, wenn mei­nem Papst jene nicht gefal­len und er sich über sie lustig macht, die die­sen für ihn aufopfern?

Ich habe vie­le Freun­de, die Lebens­schüt­zer sind, die Du vor weni­gen Tagen betrübt hast, indem Du sie „ver­ses­sen und beses­sen“ nann­test. Was soll ich tun? Sie trö­sten, indem ich Dei­ne Wor­te ver­fäl­schend abzu­schwä­chen ver­su­che, oder sie noch mehr ver­let­zen, indem ich wie­der­ho­le, was Du ihnen gesagt hast, um dem Papst und sei­ner Leh­re treu sein zu wollen?

Am Welt­ju­gend­tag hast Du die Jugend­li­chen auf­ge­for­dert, „auf den Stra­ßen Lärm zu machen“. Das von Dir gebrauch­te Wort ist, soweit ich weiß, ein Syn­onym für „Durch­ein­an­der“, „Cha­os“, „Kon­fu­si­on“. Ist es wirk­lich das, was Du willst, daß jun­ge Chri­sten auf den Stra­ßen machen sol­len? Herrscht nicht schon genü­gend Durch­ein­an­der und Unord­nung in der Welt?

Viele ehelose und alte Frauen, die sehr freundlich, sympathisch und großzügig sind, haben sich wirklich wie Abfall gefühlt …

Ich weiß, daß vie­le ehe­lo­se und alte Frau­en, die sehr freund­lich, sym­pa­thisch und groß­zü­gig sind, sich wirk­lich wie Abfall gefühlt haben, als Du zu den Ordens­schwe­stern gesagt hast, sie sol­len nicht wie „alte Jung­fern“ [1]Papst Fran­zis­kus gebrauch­te am 8. Mai 2013 in sei­ner Anspra­che an die Gene­ral­obe­rin­nen katho­li­scher Frau­en­or­den das ita­lie­ni­sche Wort „zit­tel­le“, das sowohl „ehe­lo­se“ Frau­en als auch „alte Jung­fern“ … Con­ti­n­ue rea­ding drein­schau­en. Du hast damit mei­ne Freun­din­nen und mich schlecht füh­len las­sen. Es hat mir für sie in der See­le weh­ge­tan, weil nichts Schlim­mes dar­an ist, ehe­los geblie­ben zu sein und das Leben guten Wer­ken auf­zu­op­fern (des­halb wird das Allein­sein vom Kate­chis­mus auch als eine Beru­fung bezeich­net). Was soll ich mei­nen ehe­lo­sen „Alten Jungfern“-Freundinnen sagen? Daß der Papst das nicht ernst­ge­meint hat (so etwas darf der Papst nicht tun), oder soll ich den Papst dar­in unter­stüt­zen, daß für ihn alle Ehe­lo­sen den Gesichts­aus­druck einer ver­bit­ter­ten Ordens­frau haben?

Wenn der Kapitän nicht den Eisberg sieht, auf den wir zusteuern, ist es sehr wahrscheinlich, daß es zur Kollision kommt

Vor eini­gen Wochen hast Du gesagt, daß „es der Kir­che nie so gut ging wie heu­te“. Wie kann das ein Papst sagen, wenn wir alle wis­sen, daß Mil­lio­nen von jun­gen Katho­li­ken im Kon­ku­bi­nat leben und in Mil­lio­nen von katho­li­schen Ehen die Pil­le gebraucht wird; wenn die Schei­dung „unser täg­li­ches Brot ist“ und Mil­lio­nen von katho­li­schen Müt­tern mit Hil­fe von katho­li­schen Ärz­ten ihre unge­bo­re­nen Kin­der töten las­sen; wenn Mil­lio­nen von katho­li­schen Unter­neh­mern nicht von der Sozi­al­leh­re der Kir­che gelei­tet sind, son­dern von Raff­gier und Geiz; wenn Tau­sen­de von Prie­stern lit­ur­gi­schen Miß­brauch betrei­ben; wenn Hun­der­te von Mil­lio­nen Chri­sten nie wirk­lich Chri­stus begeg­net sind und nicht ein­mal grund­le­gen­de Din­ge der Glau­bens­leh­re ken­nen; wenn Bil­dung und Regie­run­gen in der Hand der Frei­mau­rer sind und die Welt­wirt­schaft in der Hand des Zio­nis­mus? Ist das der Zeit­punkt, in dem es der Kir­che nie so gut ging wie heute?

Als Du das gesagt hast, gelieb­ter Papst, wur­de ich von Panik erfaßt. Wenn der Kapi­tän nicht den Eis­berg sieht, auf den wir zusteu­ern, ist es sehr wahr­schein­lich, daß es zur Kol­li­si­on kommt. Glaubst Du das denn wirk­lich oder ist das nur so eine Redens­art, lie­ber Papst?

Sollen wir die Sünder hätscheln und ihnen honigsüß sagen, daß sie ja den Katechismus lesen können?

Vie­le gro­ße Pre­di­ger fühl­ten sich ver­nich­tet, als sie hör­ten, daß Du gesagt hast, daß man jetzt nicht mehr über The­men spre­chen soll, über die die Kir­che bereits gespro­chen hat und die im Kate­chis­mus geschrie­ben ste­hen. Sag mir, lie­ber Papst Fran­zis­kus, was sol­len wir Chri­sten tun, die wir dem Papst und auch dem Lehr­amt und der Über­lie­fe­rung treu sein wol­len? Hören wir auf zu pre­di­gen, obwohl der Hei­li­ge Pau­lus uns sagt, daß man es immer tun soll? Machen wir Schluß mit den muti­gen Pre­di­gern, zwin­gen wir sie zum Schwei­gen, wäh­rend wir die Sün­der hät­scheln und ihnen honig­süß sagen, daß sie, wenn sie wol­len, ja den Kate­chis­mus lesen kön­nen, um zu wis­sen, was die Kir­che sagt?

Ich will keine Hirten, die wie Schafe riechen, sondern Schafe, die nicht nach Mist riechen, weil ihr Hirte sie pflegt

Jedes Mal, wenn Du von den „Hir­ten mit dem Geruch der Scha­fe“ sprichst, den­ke ich an all die Prie­ster, die sich von den Din­gen die­ser Welt anstecken haben las­sen und die ihren prie­ster­li­chen Geruch ver­lo­ren haben, um einen gewis­sen Geruch der Ver­we­sung anzu­neh­men. Ich will kei­ne Hir­ten, die wie Scha­fe rie­chen, son­dern Scha­fe, die nicht nach Mist rie­chen, weil ihr Hir­te sie pflegt und sie immer sauberhält.

Vor eini­gen Tagen hast Du von der Beru­fung des Mat­thä­us gespro­chen mit den Wor­ten: „Mich beein­druckt die Geste des Mat­thä­us. Er klam­mert sich ans Geld, als wür­de er sagen: ‚Nein, nicht mir! Die­ses Geld gehört mir!“ Man kann nicht anders, lie­ber Papst, als Dei­ne Wor­te über das Evan­ge­li­um (Mat­thä­us 9,9) mit dem zu ver­glei­chen, was Mat­thä­us selbst über sei­ne Bekeh­rung sagt: „Als Jesus wei­ter­ging, sah er einen Mann namens Mat­thä­us am Zoll sit­zen und sag­te zu ihm: Fol­ge mir nach! Da stand Mat­thä­us auf und folg­te ihm.“ Ich kann nicht erken­nen, wo er am Geld hing (und ich sehe es auch nicht im Bild von Cara­vag­gio). Ist sehe zwei völ­lig ver­schie­de­ne Erzäh­lun­gen und eine fal­sche Exege­se. Wem soll ich glau­ben, dem Evan­ge­li­um oder dem Papst, wenn ich dem Evan­ge­li­um und dem Papst treu sein will?

Die Päpste von Petrus bis Benedikt XVI. haben gesagt, daß es unmöglich ist, fern von Gott Frieden zu finden, aber Papst Franziskus behauptet es

Als Du von der Frau erzählt hast, die nach einer Schei­dung und einer Abtrei­bung im Kon­ku­bi­nat lebt, sag­test Du: „jetzt lebt sie in Frie­den“. Ich fra­ge mich: Wie kann eine Frau, die sich wil­lent­lich von der Gna­de Got­tes ent­fernt hat, in Frie­den leben?“

Die vor­he­ri­gen Päp­ste, vom Hei­li­gen Petrus bis Bene­dikt XVI. haben gesagt, daß es nicht mög­lich ist, fern von Gott Frie­den zu fin­den, aber Papst Fran­zis­kus hat es behaup­tet. Wor­auf muß ich mich stüt­zen, auf das Lehr­amt aller Zei­ten oder auf die­se Neu­heit? Muß ich ab heu­te, um dem Papst treu zu sein, behaup­ten, daß man auch in einem Leben der Sün­de Frie­den fin­den kann?

So als wolltest Du die Büchse der Pandora öffnen

Dann hast Du die Fra­ge hin­ge­wor­fen, ohne Ant­wort dar­auf zu geben, wie sich ein Beicht­va­ter ver­hal­ten soll, so als woll­test Du die Büch­se der Pan­do­ra öff­nen, da Du genau weißt, daß es Hun­der­te von Prie­stern gibt, die den fal­schen Rat geben, das Kon­ku­bi­nat fort­zu­set­zen. War­um hat uns mein Papst, mein gelieb­ter Papst nicht mit weni­gen Wor­ten gesagt, was in Fäl­len wie die­sem zu raten ist, anstatt in den ehr­li­chen Her­zen Zwei­fel zu wecken?

Ich habe Kar­di­nal Berg­o­glio fast auf fami­liä­re Wei­se ken­nen­ge­lernt und bin getreue Zeu­gin der Tat­sa­che, daß er ein intel­li­gen­ter, sym­pa­thi­scher, spon­ta­ner, wit­zi­ger und scharf­sin­ni­ger Mann ist. Aber es gefällt mir nicht, daß die Pres­se jede Wort­mel­dung und jeden Scherz von Dir ver­öf­fent­licht, weil Du kein Dorf­pfar­rer bist; Du bist nicht mehr der Erz­bi­schof von Bue­nos Aires; Du bist jetzt der Papst! Und jedes Wort das Du als Papst sagst, erhält für vie­le, die Dich lesen und hören, den Wert des ordent­li­chen Lehramtes.

Ich habe bereits zuviel geschrie­ben und von Dei­ner kost­ba­ren Zeit in Anspruch genom­men, mein guter Papst. Ich den­ke, mit den Bei­spie­len, die ich Dir gesagt habe (wobei es vie­le wei­te­re gäbe), mei­nen Schmerz erklärt zu haben, den ich wegen der Unge­wiß­heit und Rat­lo­sig­keit durchleide.

Nur Du kannst mir hel­fen. Ich brau­che einen Füh­rer, der mei­ne Schrit­te erleuch­tet auf der Grund­la­ge des­sen, was die Kir­che immer gesagt hat; der mit Mut und Klar­heit spricht; der nicht belei­digt, wer sich bemüht, dem Auf­trag Jesu treu zu sein; der „Brot zum Brot, Wein zum Wein“ sagt, und „Sün­de“ zur Sün­de und „Tugend“ zur Tugend, auch wenn er damit sei­ne Popu­la­ri­tät aufs Spiel set­zen soll­te. Ich brau­che Dei­ne Weis­heit, Dei­ne Ent­schlos­sen­heit und Klar­heit. Ich ersu­che Dich um Hil­fe, bit­te, weil ich sehr leide.

Du verwirrst nicht nur den Feind, sondern auch uns

Ich weiß, daß Dir Gott einen schar­fen Ver­stand geschenkt hat, und so habe ich mir, beim Ver­such mich selbst zu trö­sten, vor­ge­stellt, daß alles, was Du tust und was Du sagst, Teil einer Stra­te­gie ist, um den Feind zu ver­wir­ren, indem Du Dich vor ihm mit der wei­ßen Fah­ne zeigst und damit erreichst, daß er sei­ne Deckung ver­läßt. Aber es wäre mir lie­ber, wenn Du Dei­ne Stra­te­gie mit jenen tei­len wür­dest, die an Dei­ner Sei­te kämp­fen, weil Du sonst nicht nur den Feind ver­wirrst, son­dern auch uns, die wir nicht mehr wis­sen, wo unser Haupt­quar­tier ist und wo genau die feind­li­che Linie verläuft.

Ich dan­ke Dir noch ein­mal für alles Gute, das Du getan hast und was Du in fei­er­li­cher Wei­se gesagt hast, denn es hat uns sehr gehol­fen. Dei­ne Wor­te haben uns bewegt und einen Impuls gege­ben, noch mehr zu lie­ben und immer zu lie­ben, bes­ser zu lie­ben und der gan­zen Welt das lie­be­vol­le Ant­litz Jesu zu zeigen.

Ich schicke Dir eine sehr lie­be­vol­le, kind­li­che Umar­mung mit der Gewiß­heit mei­nes Gebets. Ich bit­te auch um das Dei­ne für mich und für mei­ne Fami­lie, von der ich ein Foto bei­le­ge, damit Du unse­re Gesich­ter kennst, wenn Du für uns betest.

Dei­ne Toch­ter, die Dich liebt und jeden Tag für Dich betet.

Lucre­cia Rego de Planas

Ein­lei­tung und Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Pan­ora­ma cattolico

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1 Papst Fran­zis­kus gebrauch­te am 8. Mai 2013 in sei­ner Anspra­che an die Gene­ral­obe­rin­nen katho­li­scher Frau­en­or­den das ita­lie­ni­sche Wort „zit­tel­le“, das sowohl „ehe­lo­se“ Frau­en als auch „alte Jung­fern“ bedeutet.
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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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