(New York) Für Diskussionen sorgt der neue Werbegag der amerikanischen Samenbank 23andMe: „Wir bieten dir und deinem Partner die Möglichkeit, das Aussehen eures Kindes zu bestimmen“. Der neue Horizont der künstlichen Befruchtung und das Designer-Baby: das „Kind nach Maß“, das „Kind auf Bestellung“, das „perfekte Kind“. Welche Haarfarbe, welches Geschlecht, welche Gesichtszüge und Körpereigenschaften dürfen es sein? Das Geschäft mit dem Kind als Verkaufsobjekt.
„Wählen Sie das Kind, das Sie wollen und wir geben Ihnen, was am meisten Ihrem Geschmack entspricht“, so und ähnlich lautet das neue Angebot des Kindermarktes. Die amerikanische Samenbank 23andMe ließ den von ihr entwickelten „Algorithmus des perfekten Kindes“ patentieren. Der Algorithmus „gibt Ihnen und Ihrem Partner die Möglichkeit, zu wissen, welche Züge Ihr Kind erben könnte“. So zumindest bewirbt der Profi für künstliche Befruchtung sein Produkt auf der firmeneigenen Internetseite.
„Algorithmus des perfekten Kindes“ patentiert
Die Entwicklung und Patentierung eines „Algorithmus des perfekten Kindes“ wurde von 23andMe am vergangenen Dienstag bekanntgegeben. Die Methode beruht auf der Auswahl der Gameten-Spender, die auf genetischen Kalkulationen beruht. Die Nachricht löste teils heftige Kontroversen aus. Selbst linksliberale Medien schreiben von einer „besonders abnormen Methode“ und äußern Zweifel an der behaupteten Wissenschaftlichkeit.
Die Samenbank für heterologe Insemination will zunächst anhand ausgewählter Fragen in Erfahrung bringen, welche Merkmale das „ideale Kind“ haben soll, um dann aufgrund dieser Angaben die Sperma- und Eizellen (je nach Geschlecht des angehenden Elternteils) auszuwählen, die sich am meisten den angegebenen Wünschen annähert.
Die Tatsache, daß das amerikanische Patentamt eine solche „Formel“ überhaupt zur Patentierung angenommen hat, sorgt für Kritik. Im Editorial der Fachzeitschrift Genetics in Medicine wird die Forderung erhoben, die Registrierung von Patenten in den USA strengeren moralischen Prinzipien zu unterwerfen.
Treffsicher wie ein Horoskop
Der neue Rektor der Universität Tor Vergata von Rom, Giuseppe Novelli, sprach von einem System, „das in etwa genausoviel vorhersagen kann wie ein Horoskop“. Der Rektor, Ordinarius für Medizinische Genetik, zeigte sich in einem Interview ebenso erstaunt wie belustigt, daß es Menschen gibt, die daran glauben, „daß man den perfekten Menschen schaffen könne“. Novelli desillusionierend: „Wir alle sind vom genetischen Gesichtspunkt aus gesehen voller Mängel. Und dagegen kann man nichts machen. Das gehört zu unserem Menschsein dazu.“ Durch die Behauptung, es müsse nur lange genug aussortiert werden, dann käme das „perfekt Wunschkind“ zustande, bedeute nichts anderes, als „den Menschen ein Trugbild vorzugaukeln und sie letztlich zu täuschen“. Jeder Embryo, egal welcher und nach der wievielten Aussonderung, trage 70 Mutationen in sich. Und nicht nur das, so Novelli. Es existieren vier Millionen Unterschiede in jeder DNS, deshalb „existiert kein Algorithmus, der diese Unterschiede auslöschen könnte“.
Trugbild statt Realität
Die Werbung gaukelt eine Scheinwelt vor. Sie weckt erst Wünsche und Begierden, um sie dann gegen Geld zu stillen. Die Frage dreht sich vor allem um den Umgang mit der Realität. Diese könne aus genetischer Sicht hart sein, müsse es aber nicht, so der Genetiker Bruno Dallapiccola, wenn man die Natur als solche anerkenne und zur Kenntnis nehme, daß nie alles perfekt war und auch nie alles perfekt sein werde. Es gebe „zu viele Ärzte, die schlechte Meister“ seien, so Dallapiccola. Des Geschäftes wegen würden den Menschen moderne Mythen erzählt. Einer dieser modernen Mythen, denn in der Vergangenheit seien die Menschen in dieser Frage realistischer und nüchterner gewesen, sei die „Perfektion“. Sie führe dazu, daß Kinder auch nur mit den kleinsten Fehlern ausgesondert und abgestoßen werden. Dadurch werde aber etwas abgelehnt und eliminiert, was „Teil eines jeden von uns ist“, nämlich die Tatsache, daß wir nicht perfekt, eben nicht vollkommen sind.
Moderner Mythos der Perfektion
Für den Genetiker liegt darin der schwerwiegende Ursprung einer gewalttätigen Mentalität, die „die Idee verbreitet, durch Selektion der Embryonen oder wie im konkreten Fall durch Algorithmen, fehlerlose Wesen schaffen zu können“, so Dallapiccola.
Die durch falsche und irreführende Informationen genährten Ängste würden irrationale Sorgen hervorbringen. Gerade gestern, so der Wissenschaftler, konnte ich in die Augen von zwei Frauen schauen, die geradezu terrorisiert waren. Beide waren schwanger und voller Angst, weil ihre Kinder irgendwelche Defekte oder Schäden aufweisen würden. Anhand von Ultraschallaufnahmen konnte ich den Frauen die Bedeutung oder besser gesagt Irrelevanz der Unvollkommenheit erklären und sie beruhigen. Die Haltung der beiden Mütter änderte sich dadurch völlig. Durch sachkundige und korrekte Information beruhigten sie sich und haben die Situation akzeptiert“.
Was aber, wenn sie skrupellosen Geschäftemachern in die Hände gefallen wären?
Text: Tempi/Giuseppe Nardi
Bild: Tempi