(Damaskus) Der dramatische Bericht eines Photographen aus Aleppo: „Der Krieg in Syrien hat einen Punkt erreicht, daß ein Mensch gnadenlos vor Hunderten von Schaulustigen umgebracht werden kann, die sich am Spektakel erheitern.“
Ein Photograph hat die Enthauptung eines Mannes in Syrien durch die Rebellen dokumentiert. Die Hinrichtung erfolgte am 31. August in Aleppo. Die schrecklichen Photos wurden vom amerikanischen Wochenmagazin Time veröffentlicht, die den Namen des Photographen aus Sicherheitsgründen geheimhält. Der Bericht und die Schlußfolgerungen des Photographen über die Lage in Syrien entsprechen jenen des Reporters Domenico Quirico, der nach fünf Monaten Geiselhaft in den Händen der Rebellen freigelassen wurde.
Der Mann wurde auf den Platz gebracht. Seine Augen waren verbunden. Es war bereits die vierte Hinrichtung jenes Tages. Ich mußte mich zusammenreißen, mich nicht zu erbrechen. Aber ich wußte, daß ich die Pflicht hatte, zu photographieren, um dieses Verbrechen zu dokumentieren.
Die Menge begann zu jubeln. Alle waren glücklich. Ich wußte, daß ich nichts ändern hätte können. Durch mein Eingreifen hätte ich nur mich selbst in Gefahr gebracht, ohne dem Todgeweihten helfen zu können.
Ich sah eine Szene absoluter Grausamkeit, einen Menschen, der behandelt wurde, wie nie ein Mensch behandelt werden dürfte. In zweieinhalb Jahren hat der Krieg die Menschlichkeit in den Personen zerrüttet. An diesem Hinrichtungstag konnte die Menge ihre Gefühle nicht kontrollieren, die eigenen Wünsche und den eigenen Zorn. Es war unmöglich, sie zu stoppen.
Ich weiß nicht, wie alt das Opfer war, aber es war noch jung. Sie haben ihn gezwungen, niederzuknien. Die Rebellen neben ihm lasen seine Verbrechen vor. Sie umringten ihn. Der Mann kniete mit gefesselten Händen am Boden. Er schien regungslos. Zwei Rebellen flüsterten ihm etwas ins Ohr und der Mann antwortet etwas in unschuldig-untröstlichem Ton, aber ich habe nicht verstanden, was er sagte, da ich nicht arabisch spreche.
Im Augenblick der Hinrichtung packten ihn die Rebellen am Hals. Der Mann versuchte, Widerstand zu leisten. Drei oder vier Rebellen hielten ihn fest. Er versuchte irgendwie, mit seinen gefesselten Händen seinen Hals zu schützen. Sie schnitten ihm die Gurgel durch, bis er enthauptet war. Die Rebellen hielten triumphierend den Kopf des Hingerichteten in die Luft. Die Menge jubelte vor Begeisterung. Man hörte viele Freudenschüsse in die Luft. Alle waren begeistert über die erfolgreiche Hinrichtung.
Eine solche Szene liest man bestenfalls in Geschichtsbüchern. Der Krieg in Syrien hat jedoch einen Punkt erreicht, an dem ein Mensch gnadenlos vor Hunderten Schaulustigen hingerichtet werden kann, die sich am Spektakel erheitern.
Als Mensch wünschte ich mir, nie gesehen zu haben, was ich sehen mußte. Als Journalist habe ich einen Photoapparat und eine Verantwortung. Die Verantwortung mitzuteilen, was ich an jenem Tag sehen mußte. Deshalb schreibe ich diese Zeilen und habe ich diese Fotos gemacht. Ich werde versuchen, dieses Kapitel so schnell als möglich zu vergessen.
Der Photograph wußte nicht zu sagen, ob unter den vier Hingerichteten jenes Tages in Aleppo auch Christen waren. Von anderen Quellen weiß man, daß auch Christen auf diese Weise von syrischen Rebellen enthauptet werden.
Text: Tempi/Giuseppe Nardi
Bild: Tempi