Strukturreformen und „Zölibat kein Dogma“ – Die Vorstellungen des neuen Staatssekretärs Pietro Parolin


Neuer Staatssekretär Pietro Parolin über Strukturreformen, Zölibat und Pädophilie(Cara­cas) Der soeben neu ernann­te Staats­se­kre­tär des Hei­li­gen Stuhls, der Vati­kan­di­plo­mat Kuri­en­erz­bi­schof Pie­tro Paro­lin gab der mode­rat regie­rungs­kri­ti­schen Wirt­schafts­ta­ges­zei­tung El Uni­ver­sal von Cara­cas ein Abschieds­in­ter­view, bevor er als Apo­sto­li­scher Nun­ti­us die vene­zo­la­ni­sche Haupt­stadt in Rich­tung Vati­kan ver­läßt. In dem Inter­view nimmt die neue Num­mer Zwei an der Römi­schen Kurie hin­ter dem Papst auch zu den übli­chen „hei­ßen“ Eisen wie Pädo­phi­lie und Zöli­bat Stel­lung und leg­te Wert dar­auf, eine gemä­ßig­te, aber pro­gres­si­ve Hal­tung durch­blicken zu lassen.

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Kuri­en­erz­bi­schof Paro­lin berei­tet sei­ne Abrei­se aus Cara­cas vor, wo er vier Jah­re diplo­ma­ti­scher Ver­tre­ter des Hei­li­gen Stuhls in einem Land  war, das mit sei­ner sozia­li­sti­schen Staats­dok­trin des Boli­va­ris­mus unter Hugo Cha­vez einen inter­na­tio­na­len Son­der­weg beschrit­ten hat. In den ver­gan­ge­nen vier Jah­ren ver­such­te die Oppo­si­ti­on die Regie­rung abzu­lö­sen, was nicht gelang. Aller­dings starb Staats­prä­si­dent Cha­vez nach län­ge­rer Krank­heit am 5. März 2013, acht Tage vor der Wahl von Papst Fran­zis­kus, im Alter von erst 58 Jah­ren. Die Nach­fol­ge­fra­ge konn­te die boli­va­ri­sche Front vor­erst für sich ent­schei­den. Jah­re, die von har­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Staat und Kir­che geprägt waren.

Nun­ti­us Paro­lin bemüh­te sich um Ent­span­nung und such­te eine neue Gesprächs­ebe­ne mit der Regie­rung. Sein Name wur­de bereits weni­ge Tage nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus unter den mög­li­chen Kan­di­da­ten für die Stel­le des Staats­se­kre­tärs genannt. Eine Emp­feh­lung, die vom frü­he­ren Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Ange­lo Sod­a­no stam­men soll, aus des­sen Schu­le Msgr. Paro­lin stammt. Denn per­sön­lich begeg­net sind sich der neue Staats­se­kre­tär und Papst Fran­zis­kus vor der Ernen­nung nur ein ein­zi­ges Mal und das war eher flüch­tig, wie Paro­lin dem Wirt­schafts­blatt El Uni­ver­sal sagte.

Bergoglio nur einmal gesehen – „Werde ihn fragen, warum er so entschieden hat“

Das war, als Erz­bi­schof Berg­o­glio Paro­lins Büro in der Zwei­ten Sek­ti­on des Staats­se­kre­ta­ri­ats, dem „Außen­mi­ni­ste­ri­um“ des Hei­li­gen Stuhls betrat, um eini­ge Argen­ti­ni­en betref­fen­de Din­ge zu bespre­chen. „Wahr­schein­lich hat sich der Papst die­se Mei­nung gebil­det“, daß zwi­schen den bei­den eine Über­ein­stim­mung gege­ben sei, wie Paro­lin dem Jour­na­li­sten gegen­über mein­te. Ob der Papst denn auch die Reform­ideen Paro­lins ken­ne, will der El Uni­ver­sal-Inter­view­er wis­sen: „Die Wahr­heit ist, daß ich mit ihm nicht viel gespro­chen habe und ich den­ke, wenn ich die Gna­de und die Mög­lich­keit habe, wer­de ich ihn fra­gen, war­um er die­se Ent­schei­dung getrof­fen hat.“

Paro­lin wei­ter: „Ich kann aber sagen, daß ich mich sei­ner Art die Kir­che zu ver­ste­hen, sehr nahe füh­le und vor allem sei­nem Stil der Ein­fach­heit und der Nähe zu den Men­schen, sei­ner Art zuzu­hö­ren und sein ernst­haf­tes Bemü­hen, damit die Kir­che wie­der zu einer bedeu­ten­den Prä­senz in der Welt von heu­te wird“. So hat dem neu­en Diplo­mat als Staats­se­kre­tär auch die Syri­en-Initia­ti­ve von Papst Fran­zis­kus gefal­len. Wahr­schein­lich das Vor­spiel zu neu­en diplo­ma­ti­schen Initia­ti­ven auch an ande­ren Fron­ten: „Als Kir­che haben wir die Mög­lich­keit in Hän­den, durch die Diplo­ma­tie am inter­na­tio­na­len Leben teilzuhaben.“

In dem Inter­view mit der vene­zo­la­ni­schen Tages­zei­tung bekräf­tigt Paro­lin sei­nen Ruf als „Refor­mer“ mit pro­gres­si­vem Ein­schlag und daher einem Hang zum Aktio­nis­mus. Geist­li­che Fra­gen spiel­ten im Inter­view kei­ne Rol­le. Im Vor­der­grund stan­den aus­schließ­lich „Struk­tur­re­for­men“ als „Lösun­gen“ einer auch von Paro­lin indi­rekt bestä­ti­gen Krise.

Bene­dikt XVI. erwähnt Msgr. Paro­lin nur im Zusam­men­hang mit des­sen Kampf gegen die Pädo­phi­lie. Die Ära Bene­dikts XVI. wird mit ihm auch im Staats­se­kre­ta­ri­at enden.

Zölibat

Sofor­ti­ges media­les Inter­es­se fan­den die Aus­sa­gen Paro­lins zum The­ma Zöli­bat. Der neue Staats­se­kre­tär betont, daß der Zöli­bat kein Glau­bens­dog­ma sei. „Man kann sie ver­tie­fen und dar­über spre­chen und nach­den­ken über die­se The­men, die nicht Glau­bens­dog­men sind und an man­che Ände­rung den­ken, aber immer im Dienst der Ein­heit und alles gemäß dem Wil­len Got­tes… Gott spricht auf vie­le Arten. Wir müs­sen auf die­se Stim­me ach­ten, die uns über Ursa­chen und Lösun­gen ori­en­tiert, zum Bei­spiel den Prie­ster­man­gel. Daher gilt es im Augen­blick, in dem Ent­schei­dun­gen zu tref­fen sind, die­se Kri­te­ri­en, den Wil­len Got­tes, die Kir­chen­ge­schich­te gegen­wär­tig zu hal­ten, so wie die Offen­heit für die Zei­chen der Zeit.“

Der neue Staats­se­kre­tär nährt damit neue Nah­rung für die Lösung des Prie­ster­man­gels durch Auf­he­bung des Zöli­bats. Eine erstaun­li­che Vari­an­te nach den Pon­ti­fi­ka­ten von Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. Im Juli ließ die öster­rei­chi­schen Tages­zei­tung Die Pres­se eine „lang­jäh­ri­ge Freun­din“ des Pap­stes, Cle­lia Luro zu Wort kom­men mit der Aus­sa­ge, sie sei sich sicher, daß Papst Fran­zis­kus den Zöli­bat bald abschaf­fen wer­de. Ange­sichts der vie­len gut- und weni­ger gut gemein­ten Rat­schlä­ge, die alle mög­li­chen Leu­te dem Papst via Medi­en aus­rich­ten, ist die Stich­hal­tig­keit die­ser Aus­sa­ge nicht abschätz­bar. In sei­ner CELAM-Rede in Rio de Janei­ro reih­te Papst Fran­zis­kus die For­de­rung, „daß Prie­ster hei­ra­ten“ kön­nen sol­len, dem von ihm kri­ti­sier­ten „gno­sti­schen Reduk­tio­nis­mus“ zu.

Bestimm­te Fra­gen offen zu las­sen und eine gewis­se Bereit­schaft zu pro­gres­si­ven Posi­tio­nen zu signa­li­sie­ren, scheint bei zahl­rei­chen Kir­chen­ver­tre­tern zum „guten Ton“, zumin­dest jeden­falls zur Tak­tik zu gehö­ren. Das macht es schwie­rig, die wah­ren Über­zeu­gun­gen und Absich­ten abzuschätzen.

Demokratisierung

„Es wur­de immer wie­der­holt, daß die Kir­che kei­ne Demo­kra­tie ist. Es ist aber eine gute Sache die­ser Zei­ten, daß es einen demo­kra­ti­sche­ren Geist gibt im Sin­ne eines auf­merk­sa­men Zuhö­rens und ich glau­be, daß der Papst dies als Ziel sei­nes Pon­ti­fi­kats genannt hat. Eine kol­le­gia­le Lei­tung der Kir­che, wo sich alle Instan­zen zum Aus­druck brin­gen kön­nen. Dann muß er es sein, der eine Ent­schei­dung trifft“, so der neue Staatssekretär.

Korruption

„Der Papst spürt das The­ma Kor­rup­ti­on auf beson­de­re Wei­se, wegen der Tat­sa­che, daß er von einem Kon­ti­nent stammt, wo die­ses Pro­blem sehr schwer­wie­gend ist und eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für Latein­ame­ri­ka dar­stellt. Er ist das The­ma in Argen­ti­ni­en ange­gan­gen und jetzt wie­der­holt er, was er schon als Erz­bi­schof ver­ur­teilt hat. Es ist ein grund­le­gen­der Punkt zu dem er arbei­ten will, weil die Kor­rup­ti­on die Gesell­schaf­ten und die Staa­ten ruiniert.“

Pädophilie

„Dazu befin­det sich der Papst auf glei­cher Linie mit dem, was seit Bene­dikt XVI. gemacht wird: eine kla­re Posi­ti­on ein­neh­men vor allem gegen­über den Opfern, damit sich sol­che Vor­fäl­le nicht mehr wiederholen.“

Ob sei­ne Reform­vor­stel­lun­gen umge­setzt wer­den kön­nen, wird Msgr. Paro­lin gefragt: „Die Kir­che ist ein kom­ple­xer Orga­nis­mus und in ihrem Inne­ren gibt es vie­le Wider­stän­de. Es ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für den Papst, denn er hat die Ein­heit zu bewah­ren und alle die­se Ent­schei­dun­gen müs­sen so getrof­fen wer­den, daß sie die Kir­che einen und nicht spalten.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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