(Wien) Was haben die Katholische Aktion Österreich und der Noch-Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch gemeinsam? Beide sehen ihren „Dialogprozeß“ im päpstlichen Rückenwind. Da muß eine Verwechslung vorliegen. Die Hauptbotschaft von Papst Franziskus, darin ist ihm uneingeschränkt zuzustimmen, lautet: „Hinausgehen“ mit „missionarischem Eifer“, um den Menschen Christus zu verkünden. Was aber hat Endlospalaver in „Zukunftsforen“, mit „Zukunftsgesprächen“, „Konzilsgesprächen“, „Dialogprozessen“ und „Gesprächsprozessen“ mit „missionarischem Hinausgehen“ zu tun? Schlichtweg nichts.
Ein Priester sagte bereits in den 80er Jahren: „Wer in der Kirche viel über Strukturen spricht, weiß über den Glauben wenig zu sagen.“ Die verschiedenen „Dialogprozesse“ und „Gesprächsprozesse“ sind beredtes Beispiel dafür. Dazu gehören auch die „Denkwerkstätten zur Zukunft der Kirche“ der Katholischen Aktion (KA) in Österreich, die nun einen „Rückenwind“ durch Papst Franziskus behauptet.
„Wo drückt der Schuh?“ oder das ewige Herumnörgeln an der Kirche
Am 5. Oktober beginnt am Wiener Brunnenmarkt eine neue Gesprächsrunde des Zukunftsforums mit einer Auftaktveranstaltung „Wo drückt der Schuh?“. Am selben Tag findet im Augustiner-Chorherrenstift St. Florian in Oberösterreich ein Konzilsgespräch statt. Die Veranstaltung in Wien findet in Zusammenarbeit zwischen Katholischer Aktion und österreichischer Bischofskonferenz statt. Jene in St. Florian zwischen KA und dem Stift.
Vom „Rückenwind“ durch Papst Franziskus spricht die Katholische Aktion Oberösterreich für ihr „Konzilsgespräch“: „Wir wollen jetzt einen Prozeß starten, bei dem wir zweimal im Jahr nachdenken, was das Konzil heute bedeutet und wo man es weiterdenken kann“, sagte der KA-Vorsitzende von Oberösterreich, Bert Brandstetter. Es gehe „auch“ darum, „Maßnahmen gegen die Entfremdung vieler Menschen von der Kirche zu ergreifen“. Die Ergebnisse sollen nicht nur an diözesane Gremien, sondern auch an den Papst geschickt werden.
Progressive Uralt-Formel: Über Strukturen diskutieren, statt den Glauben verkünden
Kurzum, kein „Hinausgehen“ und kein „missionarisches Wirken“, wie es der Papst einfordert, obwohl man sich auf den „Rückenwind“ des Papstes beruft. Die progressive Uralt-Formel lautet: Über Strukturen diskutieren, statt den Glauben verkünden. Das angestrebte Ziel sind „Strukturreformen“ von oben. Wenn der Papst „Kardinälinnen“ zuläßt, dann wird flugs und über Nacht „alles gut“ und alle finden zum Glauben. Wenn der Papst den Priesterzölibat abschafft, dann wird flugs über Nacht „alles gut“ und alle… Die Geschichte kann jeder sich selber weiterspinnen. Kirchenfunktionäre in einem leblosen Glauben eingesperrt, tun so, als wäre Jesus Christus ein Oberfunktionär mit der Qualifikation eines auf Strukturreformen spezialisierten Verwaltungstechnikers gewesen.
Jedenfalls sieht sich auch die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung (KFB) von Oberösterreich, Erika Kirchweger, durch das Papst-Interview in der Civiltà Cattolica vom 19. September bestärkt, Themen wie „Frauen und Kirche“ „ganz offen weiterzudenken“. Was sie damit genau sagen will und woraus sie das Gesagte schließt, erschließt sich nicht. Das katholische Funktionärswesen ist ein Selbstläufer geworden. Man redet, was man reden will und schmückt es mit einigen Zitaten, die man dazu passend findet. Da kann auch schon Mal ein Papst dabei sein.
Woher wissen KA-Funktionäre, daß der Papst meint, was sie meinen?
„Die erfrischenden Gedanken von Papst Franziskus sind hilfreicher Rückenwind für diese wichtigen Vorhaben“, erklärte ebenso der Vorsitzende der KA-Steiermark, Bernhard Rebernik. Was genau er damit meinte, wird auch durch seine weiteren Ausführungen nicht klarer. Auf der Internetseite der Diözese Graz-Seckau schreibt er von einer „Grundmelodie der Barmherzigkeit“, die aus dem Civiltà ‑Cattolica-Interview von Papst Franziskus zu hören sei. „Ohne Berührungsängste“ spreche der Papst „Strukturfragen“ (!) und „heiße Eisen“ an. Der Papst ermutige, „neue Wege“ zu finden und sich in der Seelsorge auf „das Wesentliche, auf das Nötigste“ zu konzentrieren. „Heiße Eisen“ steht in der katholischen Funktionärssprache für Forderungen, die katholische Lehre weltlichen Wünschen anzupassen, nicht etwa umgekehrt.
Nun ist leider bereits beim vielfach zitierten Interview nicht ganz klar, was der Papst eigentlich genau meinte. Das eine meint man verstanden zu haben, anderes hofft man mißverstanden zu haben, doch hinter nicht wenigem bleibt letztlich ein Fragezeichen, was jede Sicherheit nimmt. Doch die KA-Österreich scheint sich sicher zu sein, daß der Papst gemeint habe, was sie meine. Kann sie sich aber darin wirklich sicher sein?
An die Stelle von Gottes Geboten treten „Lebensrealitäten“
Von Gottes Geboten ist im katholischen Funktionärssprache kaum noch die Rede. Dafür um so mehr von den menschlichen Bedürfnissen. Folgt nach der anthropologischen Wende als „logische“ Konsequenz, die Ausrichtung des christlichen Lebens nach den „konkreten Lebensrealitäten der Menschen“, von denen Rebernik schreibt?
Ähnliches klingt aus der Eröffnungsrede des emeritierten Freiburger Erzbischofs Robert Zollitsch bei der Herbst-Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz mit den Hinweisen auf die „Inkonsistenzen“ und „Brüche“ im Leben der Menschen und der Forderung nach einer „neuen Barmherzigkeit“ der Kirche. Nicht die Menschen haben sich Gottes Gebot zu unterwerfen, sondern die Kirche habe sich den „Lebensrealitäten“ anzupassen.
Rebenik sagt das nicht so offen und Zollitsch ebensowenig, doch in der Luft ihrer Worte liegt kaum überhörbar ein Drang, die kirchlichen Gebote nach den Wünschen der Menschen auszurichten. Dabei wird ein Kontrast zwischen dem göttlichen Gesetz und dem Wohl des Menschen suggeriert. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Gottes Gesetze entsprechen genau dem Wohl des Menschen und sichern dieses Wohl. Schaden nimmt der Mensch nie, wenn er Gottes Gebot folgt. Er nimmt aber Schaden durch falsche Kompromisse. Mit „neuer“ Barmherzigkeit kann Zollitsch kaum die großartigen Instrumente der Barmherzigkeit gemeint haben, die Christus der Kirche anvertraut hat.
Existentielle Schlüsselbegriffe fehlen zur Gänze – Drittklassiger Vertreter würde „das“ Angebot besser anpreisen
Erzbischof Zollitsch sprach in seiner 13 Seiten umfassenden Rede vor der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe fast nur vom Menschen, kaum von Gott, und erwähnte dennoch existentielle Schlüsselbegriffe des menschlichen Seins wie „Seele“, „Seelenheil“, „Rettung“, „Buße“, „Reue“ oder „Gericht“ nie. Er pries am Ende seiner Ansprache das Angebot der Kirche an die Menschen mit den völlig unspektakulären Worten: „Wir haben ihnen [den Menschen] etwas Entscheidendes zu geben.“ Gemeint ist damit das unbeschreiblich einzigartige Heilsangebot Gottes an die Menschen, das die Kirche in Händen hält und das Christus durch seinen Opfertod am Kreuz aufgestoßen hat. Was für eine Diskrepanz zwischen der Dramatik des Heilsgeschehens und den farblosen Worten des Erzbischofs.
Jeder drittklassige Vertreter würde ein solches „Angebot“, „das“ Angebot schlechthin, besser anpreisen, als der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz. Bei soviel „missionarischem Eifer“, zu dem er in der Rede selbst aufgefordert hatte, wird die Kirche in Deutschland und Österreich weiter vor sich hin schlafen und ermatten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Messainlatino/Katholische Aktion Österreich