Der Renault 4 von Papst Franziskus – Muß es immer Medieninszenierung sein?


Papst Franziskus steigt in 29 Jahre alten R4: eine persönliche Geste, warum aber die mediale Inszenierung?(Rom) Die katho­li­sche Wochen­zei­tung Fami­glia Cri­stia­na mit einem gewis­sen Hang zu kirch­lich pro­gres­si­ven Posi­tio­nen, aller­dings deut­lich weni­ger aus­ge­prägt als bei den mei­sten diö­ze­sa­nen Kir­chen­zei­tun­gen im deut­schen Sprach­raum, brach­te die Nach­richt begei­stert. Der Vati­ka­nist Andrea Tor­ni­el­li hat sie über­nom­men und wir wol­len das auch tun, aller­dings weni­ger eupho­risch. Man kann auch ein Fra­ge­zei­chen hin­ter die­se net­te und medi­en­ge­rech­te Geschich­te set­zen, über deren Sinn­haf­tig­keit nichts aus­ge­sagt wer­den soll. Das Geschenk eines Pfar­rers und auch der dazu­ge­hö­ren­den Pfarr­ge­mein­de sind eine per­sön­li­che Geste an den Papst. Und das ist gut so. Muß aber die Insze­nie­rung von „Armut“ sein, das Koket­tie­ren mit den Medi­en? Zumin­dest der Zwei­fel über den media­len Umgang soll­te erlaubt sein, wer immer dafür auch ver­ant­wort­lich zeich­nen mag.

Der Papst steigt in einen 29 Jahre alten Renault 4 – Eine Meldung für die Klatschpresse

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Das Bild zeigt das alte Auto, mit dem Papst Fran­zis­kus am ver­gan­ge­nen Sams­tag pho­to­gra­phiert wur­de. Das Fahr­zeug war ihm von einem Pfar­rer der „Peri­phe­rie“ geschenkt wor­den. Das Pho­to ging sofort um die Welt und es fehl­te nicht an Ver­glei­chen mit dem Papst, der das Flug­zeug nach Rio de Janei­ro mit einer alten Akten­ta­sche bestieg. Den Medi­en gefal­len offen­sicht­lich sol­che Details. Eigent­lich war bis­her die Klatsch­pres­se auf der­glei­chen spezialisiert.

Am Nach­mit­tag des 7. Sep­tem­ber wur­de der Papst dabei geknipst, wie er in einen alten wei­ßen Renault 4 ein­stieg. Die Geschich­te des „Schnapp­schus­ses“ wird als eine Art Zufall geschil­dert. Tat­säch­lich war die Anwe­sen­heit von Pho­to­gra­phen ganz offi­zi­ell vor­ge­se­hen. Eupho­risch lau­te­ten die Schlag­zei­len: „Das neue ‚arme‘ Papamobil?“

Der Renault 4, Bau­jahr 1984, mit Kenn­ta­fel 779684 der ita­lie­ni­schen Pro­vinz Vero­na, habe eine Geschich­te der Lie­be hin­ter sich, die 300.000 Kilo­me­ter lang ist, berich­te­te Fami­glia Cri­stia­na. Das Auto gehör­te Don Ren­zo Zoc­ca, dem Pfar­rer von San­ta Lucia di Pescan­ti­na bei Vero­na. Das Auto stand seit län­ge­rem in der Gara­ge her­um. Der Pfar­rer hat­te es als Old­ti­mer regi­strie­ren las­sen. In Ita­li­en gilt die­se Bezeich­nung für alle Autos die älter als 20 Jah­re sind. In Deutsch­land nur für sol­che, die min­de­stens 30 Jah­re alt sind und sich in einem guten Zustand befinden.

In Szene gesetzte „Peripherie“?

Don Ren­zo wird im Novem­ber 70 Jah­re alt und hat das Leben eines Prie­sters in der „Peri­phe­rie“ hin­ter sich. Er wirk­te lan­ge in einem Arbei­ter­vier­tel von Vero­na. „Dort kämpf­te er, manch­mal mit den blo­ßen Hän­den gegen die Dro­gen­dea­ler, die sei­ne Jugend­li­chen rui­nier­ten und ihn mit dem Tod bedroh­ten. Er wur­de sogar mit einem Mes­ser­stich ver­letzt, mach­te aber wei­ter. „Ich woll­te in die­ser Rand­pfar­rei das Kon­zil ver­kör­pern, die das Herz mei­nes Lebens war: ich habe dort 25 Jah­re ver­bracht. Mein Bru­der und ich wohn­ten in einem Sozi­al­wohn­bau im neun­ten Stock. Ich sag­te immer scherz­haft, daß ich das höchst­ge­le­ge­ne Pfarr­haus Ita­li­ens hat­te“, so der Priester.

Der Renault 4 war dem Prie­ster geschenkt wor­den. „Mit die­sem Fahr­zeug mit 30 PS und Vier­gang­schal­tung neben dem Lenk­rad und Sit­zen, die mehr einem aus­zieh­ba­ren Sofa ähneln, begann Don Ren­zo sein Vier­tel im Lau­fe der Jah­re auf- und abzu­fah­ren und auch außer­halb der Pfar­rei: Som­mer­la­ger, Schul­aus­flü­ge, dahin dort­hin, manch­mal nach Rom… am Ende hat­te er 300.000 Kilo­m­ter zurück­ge­legt“, so Fami­glia Cri­stia­na. Und das Auto ließ ihn nie im Stich.

Don Zoc­ca hat Papst Fran­zis­kus geschrie­ben, um ihm von sei­nen Erfah­run­gen zu erzäh­len und um ihm ein Geschenk zu machen: den Renault 4. Am 10. August um 10.19 Uhr rief ihn der Papst an. Sie spra­chen lan­ge über sei­ne Mis­si­on an der „Peri­phe­rie“. „Ich habe ihm mei­ne Absicht bestä­tigt, ihm das Auto schen­ken zu wol­len“, so der Prie­ster. „Bist Du wirk­lich sicher?“, habe ihn der Papst gefragt. „Du willst ihn wirk­lich mir brin­gen? Ist es nicht bes­ser, ihn den Armen zu geben?“ Don Ren­zo ant­wor­te­te ihm, die­ses Auto habe den Armen schon viel gege­ben und sol­le nun dem Papst gehö­ren. „Hast Du ein ande­res Auto?“, frag­te mich der Papst. Ja, sag­te der Prie­ster, das sei etwas neu­er. „Am Ende ließ sich der Papst über­zeu­gen.“ Das Tref­fen wur­de für Sams­tag den 7. Sep­tem­ber ver­ein­bart, den Tag, an dem der Papst in der Zwi­schen­zeit einen Tag des Fastens und des Gebets für Syri­en aus­ge­ru­fen hatte.

Der Renault mit erneu­er­ter Fahr­zu­las­sung und auf Hoch­glanz poliert, fuhr nicht selbst nach Rom, son­dern leg­te sei­ne Rei­se auf einem Last­wa­gen zurück, gemein­sam mit 100 Pil­gern, die den Pfar­rer und das Auto im Rei­se­bus beglei­te­ten. Aus Sicher­heits­grün­den durf­ten nur 50 Pfarr­an­ge­hö­ri­ge in den Vati­kan, um der Über­ga­be des Fahr­zeugs bei­zu­woh­nen. Der Pfar­rer erzähl­te dem Papst jedoch von den ande­ren 50 Pil­gern, die drau­ßen blei­ben muß­ten. „Also fah­ren wir!“, sag­te der Papst. „Zu viert stie­gen wir in das Auto, ich am Lenk­rad, der Papst neben mir, hin­ten der Mecha­ni­ker Ste­fa­no und mein Assi­stent Lui­gi. Ste­fa­no sag­te mir: fahr lang­sam, wir sind im Vati­kan! Die Geschwin­dig­keits­an­zei­ge zeig­te an, daß wir mit 30 Stun­den­ki­lo­me­tern unter­wegs waren. Ich kann Ihnen nicht die Stim­mung sagen, als die 50 Pil­ger drau­ßen uns mit dem R4 und dem Hei­li­gen Vater an Bord kom­men sahen.“

Bleibt die Fra­ge: Was mag nun wohl der Papst mit dem R4 tun? In wel­chem Fuhr­park mag er künf­tig unge­nützt herumstehen?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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