Rückkehr zur Ordnung


Anläß­lich der desa­strö­sen wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on, die vor mehr als fünf Jah­ren ihren Anfang nahm und bis heu­te nicht berei­nigt ist – auch wenn Regie­run­gen auf der gan­zen Welt die Bevöl­ke­rung vom Gegen­teil über­zeu­gen wol­len –, wur­de der Medi­en­markt über­schwemmt von Erklä­rungs­ver­su­chen und Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­gen. Nur weni­ge Stim­men waren lei­der von katho­li­scher Sei­te zu ver­neh­men. Und häu­fig sieht man die katho­li­sche Sozi­al­leh­re so ver­dreht dar­ge­stellt, daß man letzt­lich bei mehr oder weni­ger offen sozia­li­sti­schen The­sen lan­det. Mit Return to Order („Rück­kehr zur Ord­nung“) hat John Hor­vat II vor eini­gen Mona­ten ein Buch vor­ge­legt, das sich erfri­schend von ande­ren Wer­ken auf katho­li­scher Sei­te abhebt. Bedau­er­lich ist nur, daß Return to Order bis­lang nur in eng­li­scher Spra­che vor­liegt und auf den US-ame­ri­ka­ni­schen Leser zuge­schnit­ten ist.

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Als Ursa­che des gegen­wär­ti­gen wirt­schaft­li­chen Elends sieht Hor­vat nicht den Kapi­ta­lis­mus, wie man es nur all­zu oft von Poli­tik und Medi­en hört. „In sei­nem rein popu­lä­ren Sinn, wie er von den mei­sten Ame­ri­ka­nern ver­stan­den wird, ist Kapi­ta­lis­mus eine Markt­ord­nung von Pro­duk­ti­on und Kon­sum, wel­che das Recht auf Pri­vat­ei­gen­tum und freie Wirt­schaft unter der Herr­schaft des Rech­tes schützt.“ Gleich­zei­tig distan­ziert sich der Autor kor­rek­ter­wei­se von einer Ver­wen­dung des Wor­tes Kapi­ta­lis­mus, wie sie auf lin­ker Sei­te zu fin­den ist. Es hät­te jedoch einer aus­führ­li­che­ren Erklä­rung bedurft, war­um in glei­cher Wei­se auch ein liber­tä­res Ver­ständ­nis von Kapi­ta­lis­mus ver­ur­teilt wird. Wäh­rend näm­lich sozia­li­sti­sches Gedan­ken­gut in der Ver­gan­gen­heit von der Kir­che äußerst kri­tisch begut­ach­tet wur­de, kann man von liber­tä­ren Ideen nun wahr­lich nicht das­sel­be behaup­ten – selbst wenn ihre Ver­tre­ter, so Hor­vat, „eine radi­ka­le anar­chi­sche Agen­da“ ver­folg­ten (was übri­gens auch zu bewei­sen wäre).

Einer der wich­tig­sten Begrif­fe, der sich durch das gesam­te Buch zieht, ist „fre­ne­tic intem­pe­rance“, was man viel­leicht am besten mit „fie­ber­haf­ter Zügel­lo­sig­keit“ über­setzt. Defi­niert wird „fre­ne­tic intem­pe­rance“ als „eine ruhe- und rück­sichts­lo­se Men­ta­li­tät inner­halb der moder­nen Wirt­schaft, die eine Bewe­gung anfacht, wel­che sich legi­ti­mer Beschrän­kun­gen ent­le­di­gen und unge­ord­ne­te Lei­den­schaf­ten befrie­di­gen will“.

Auf der einen Sei­te ver­or­tet Hor­vat eine Lösung des Pro­blems der „fre­ne­tic intem­pe­rance“ nicht in staat­li­cher Inter­ven­ti­on: „Vor allem müs­sen wir rea­li­sie­ren, daßs sie [„fre­ne­tic intem­pe­rance“] nicht gestoppt wer­den kann, indem man der Wirt­schaft dra­ko­ni­sche Geset­ze auf­er­legt, da dies nur dazu füh­ren wür­de, allen Han­del zu ersticken. Die ein­zi­ge Lösung bezüg­lich die­ser Zügel­lo­sig­keit besteht in einer ent­spre­chen­den Mäßigung.“

Ande­rer­seits scheint Hor­vat nicht der Mei­nung zu sein – zumin­dest erwähnt nichts der­glei­chen –, daß staat­li­che Ein­grif­fe in die freie Markt­wirt­schaft erst dafür gesorgt haben, „fre­ne­tic intem­pe­rance“ zu erwecken und am Leben zu erhal­ten. In der eng­lisch­spra­chi­gen Lite­ra­tur wird die­ses Phä­no­men mit dem Begriff „moral hazard“ bezeich­net. So haben, um nur ein Bei­spiel zu nen­nen, Staa­ten auf der gan­zen Welt den gro­ßen Ban­ken impli­zit oder sogar expli­zit garan­tiert, sie sei­en zu groß und ein­fluß­reich, als daß man sie im Not­fall bank­rott gehen lie­ße. Mit einer sol­chen Garan­tie im Rücken waren die Ban­ken natür­lich bereit, beson­de­re Risi­ken ein­zu­ge­hen. Hät­ten die Ban­ken selbst für mög­li­che Ver­lu­ste haf­ten müs­sen, wären der­lei ris­kan­te Manö­ver kaum durch­ge­führt wor­den. Schließ­lich geht ein Teen­ager bei einem Bal­ler­spiel auch mehr Risi­ken ein als in einem rich­ti­gen Krieg, wo er jeden Moment sei­nem „Feind“ und dann sei­nem Schöp­fer gegen­über­tre­ten könnte.

Wie der Titel Return to Order ver­mu­ten läßt, beschränkt sich der Autor nicht auf eine Ana­ly­se der der­zei­ti­gen Situa­ti­on, son­dern blickt in den rest­li­chen zwei Drit­teln des Buches nach vorn. Hor­vat macht dabei aus sei­ner Wert­schät­zung für das Mit­tel­al­ter kei­nen Hehl. Dar­in ist er durch zahl­rei­che Arbei­ten der letz­ten Jahr­zehn­te mehr als gerecht­fer­tigt, die der Legen­de vom fin­ste­ren Mit­tel­al­ter immer mehr das Was­ser abgra­ben. Es ist offen­sicht­lich, daß Hor­vat nicht eine fak­ti­sche Rück­kehr ins Mit­tel­al­ter im Kopf hat. Er ver­langt nicht, Autos, Com­pu­ter und Kühl­schrän­ke auf­zu­ge­ben, wie einem bei Ver­wei­sen auf Posi­ti­ves in der Geschich­te von Ver­tre­tern ande­rer Mei­nun­gen oft vor­ge­wor­fen wird.

„Wir gehen jedoch nicht zu weit, wenn wir anneh­men, daß wir zur grund­le­gen­den Rah­men­ord­nung und zu zeit­lo­sen christ­li­chen Prin­zi­pi­en zurück­keh­ren kön­nen, wel­che die mit­tel­al­ter­li­che Wirt­schafts­ord­nung unter­mau­er­ten. Wir könn­ten pro­fi­tie­ren von der Ord­nung, Ruhe und Aus­ge­gli­chen­heit, die in jener Zeit exi­si­stier­ten. Eigent­lich muß jeder, der einen Blick in die Geschich­te wirft, die Tat­sa­che aner­ken­nen, daß der­ar­ti­ge Prin­zi­pi­en bereits Teil der gegen­wär­ti­gen Ord­nung sind, da so vie­le moder­ne wirt­schaft­li­che und recht­li­che Kon­zep­te und Insti­tu­tio­nen mit­tel­al­ter­li­che Wur­zeln haben.“

Hor­vat wünscht sich eine „orga­nic order“ („orga­ni­sche Ord­nung“), eine „Chri­sti­an order“ („christ­li­che Ord­nung“), die noch dazu den Vor­teil einer nach­weis­ba­ren Erfolgs­ge­schich­te habe. Spä­te­stens jetzt wird Return to Order ein spe­zi­fisch katho­li­sches Buch. So weist der Autor etwa auf die Bedeu­tung und Not­wen­dig­keit der Tugen­den – ins­be­son­de­re der vier Kar­di­nal­tu­gen­den –, der Gna­de und der gött­li­chen Vor­se­hung hin. Recht und Gerech­tig­keit wer­den laut Hor­vat dann beson­ders geför­dert, wenn man sich der Tat­sa­che bewußt ist, eines Tages vor Gott Rechen­schaft able­gen zu müssen.

Es ist ein biß­chen scha­de, daß nur eini­ge weni­ge prak­ti­sche Tipps Erwäh­nung fin­den und es sich um ein mehr­heit­lich theo­re­ti­sches Buch han­delt, das nichts­de­sto­trotz vie­le wert­vol­le Gedan­ken­an­stö­ße lie­fert. Man soll­te sich viel­leicht von der Idee ver­ab­schie­den, eine poli­ti­sche Lösung der pro­ble­ma­ti­schen Situa­ti­on unse­rer Tage anzu­vi­sie­ren. Nach dem Lesen von Return to Order soll­te man statt­des­sen begin­nen, einen Blick auf das eige­ne Leben zu wer­fen: Wo gebe ich einer „fre­ne­tic intem­pe­rance“ nach? Wie kann ich in mei­nem Leben eine „Rück­kehr zur Ord­nung“ umset­zen? Durch das gute Bei­spiel ist es dann mög­lich, Men­schen im eige­nen Ein­fluß­be­reich vom Wert einer wahr­haft christ­li­chen Gesell­schaft über­zeu­gen – die mit einer Dik­ta­tur, wie sie sich in moder­nen Staa­ten immer öfter fest­stel­len läßt, nichts zu tun hat.

Return to Order. From a Fren­zied Eco­no­my to an Orga­nic Chri­sti­an Socie­tyBestel­lung im buch​la​den​-falk​.de möglich.
John Hor­vat II, York Press

Text: Mar­tin Bürger
Bild: Verlag

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1 Kommentar

  1. Da klingt die Sehn­sucht nach einem ein­fa­chen Leben an. Es geht um die­ses Genau-das-bei-sich-Hal­ten, was ich brau­che, nicht im Sin­ne des Pau­pe­ris­mus, denn jeder braucht auch Zer­streu­ung, Spiel oder ein­fach Schön­heit, um sich zu rege­ne­rie­ren. Aber wer kennt nicht die­ses Gefühl, bela­stet zu sein von dem Zuviel, von dem ganz allein in sich selbst gemes­se­nen Zuviel? (Vie­le rela­ti­vie­ren ja das Maß des Not­wen­di­gen an den Gepflo­gen­hei­ten in einer Gesell­schaft – aber das ist irre­füh­rend.) Auch wenn in einer Gesell­schaft dies und jenes üblich und not­wen­dig ist und das­sel­be vor 1000 Jah­ren undenk­bar „reich“ gewe­sen wäre – das Maß ist, ob ich vor Gott frei sein kann.
    Sol­che Mäßi­gung konn­te in der Tat noch nie poli­tisch „ver­ord­net“ oder gar gestal­tet wer­den – es kam nur Zwang und Dik­ta­tur oder eine ein­zi­ge Räu­be­rei dabei her­aus. Der Traum wäre eine katho­li­sche Reform­be­we­gung, eine echt-katho­li­sche Bewe­gung, die zur gerech­ten und frei­wil­li­gen indi­vi­du­el­len und gemein­schaft­li­chen Mäßi­gung führt…

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