Konklave 2005: „Aktion Bergoglio“ zur Verhinderung Joseph Ratzingers


Die Kardinäle Joseph Ratzinger und Jorge Mario Bergoglio 2005(Rom) Das „gehei­me Tage­buch“ eines Kar­di­nals zum Kon­kla­ve von 2005, über das Katho​li​sches​.info bereits 2011 berich­te­te, stößt der­zeit auf neu­es Inter­es­se, vor allem im spa­nisch­spra­chi­gen Raum. Es ent­hält eben­so span­nen­de wie bri­san­te Infor­ma­tio­nen über jenes Kon­kla­ve, aus dem Papst Bene­dikt XVI. her­vor­ging. Kern­punkt des Tage­bu­ches ist der Ver­such einer Grup­pe von pro­gres­si­ven Kar­di­nä­len, dar­un­ter der Erz­bi­schof von Mai­land Car­lo Maria Mar­ti­ni, der Erz­bi­schof von Brüs­sel-Mecheln God­fried Dan­neels und der Bischof von Mainz, Karl Leh­mann eine Gegen­kan­di­da­tur auf­zu­bau­en, um die Wahl des dama­li­gen Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und Dekans des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums, Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger zu verhindern.

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Das Kon­kla­ve wur­de so zu einem ein­zi­gen Wett­kampf zwi­schen zwei Kar­di­nä­len: zwi­schen dem Favo­ri­ten Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger, der schließ­lich im vier­ten Wahl­gang zum Papst gewählt wur­de, und dem argen­ti­ni­schen Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio, der 2013 Bene­dikts Nach­fol­ger wer­den sollte.

Zwei Päpste: Jorge Mario Kardinal Bergoglio in Audienz bei Papst Benedikt XVI.Das Inter­es­se eines Teils der Pro­gres­si­ven hat­te sich anfangs auf den Mai­län­der Erz­bi­schof Kar­di­nal Mar­ti­ni kon­zen­triert, des­sen Gewicht in der Kir­che sich jedoch als jah­re­lang geheg­tes, kon­kret aber fun­da­ment­lo­ses Medi­en­kon­strukt erwies. Die Stim­men Mar­ti­nis flos­sen im zwei­ten Wahl­gang zu Berg­o­glio, auf den bereits ein ande­rer Pro­gres­si­ver auf­mer­kam gewor­den war, und der nun end­gül­tig zum eigent­li­chen Gegen­spie­ler Ratz­in­gers wurde.

Kar­di­nal Ratz­in­ger erhält im ersten Wahl­gang auf Anhieb 47 Stim­men, Mar­ti­ni ledig­lich neun, Berg­o­glio aber zehn und posi­tio­niert sich damit an zwei­ter Stel­le. Der Erz­bi­schof von Bue­nos Aires, Jesu­it wie Mar­ti­ni, gilt in dog­ma­ti­schen Fra­gen als „ortho­dox“, in der Sexu­al­mo­ral aber als „fle­xi­bel“ („‘Sie wol­len die Welt in ein Kon­dom stecken‘, scherzt er pri­vat“, so Info­va­ti­ca­na). Auf den argen­ti­ni­schen Kar­di­nal kon­zen­triert sich der Block der mehr oder weni­ger pro­gres­si­ven Mit­glie­der des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums und jener, die gegen Kar­di­nal Ratz­in­ger sind. Die Kar­di­nä­le des deut­schen Sprach­raums spal­ten sich zwi­schen den bei­den Kan­di­da­ten auf, wie aus den Reak­tio­nen unmit­tel­bar nach der Wahl unschwer erkenn­bar war.

Kardinal Bergoglio leistet seinen Eid am Beginn des Konklaves 2005Das Ziel der „Akti­on Berg­o­glio“? Die Paro­le lau­te­te: Ratz­in­ger ver­hin­dern. Den pro­gres­si­ven Kar­di­nä­len war bewußt, daß es nach dem lan­gen Pon­ti­fi­kat von Papst Johan­nes Paul II. kei­ne Mehr­heit für einen pro­gres­si­ven Kan­di­da­ten geben konn­te. Sie ziel­ten daher zunächst dar­auf ab, eine aus­rei­chend star­ke Min­der­hei­ten­grup­pe zu kon­sti­tu­ie­ren, um mit die­ser Sperr­mi­no­ri­tät (ein Drit­tel plus eine Stim­me) jeden­falls die Wahl von Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger zu ver­hin­dern. Die Ver­hin­de­rung Ratz­in­gers hät­te die Suche nach einem „Kom­pro­miß­kan­di­da­ten“ eröff­net. Beim zwei­ten Wahl­gang wähl­ten 65 Kar­di­nä­le Ratz­in­ger und 35 Kar­di­nä­le Berg­o­glio. Kar­di­nal Mar­ti­ni zeig­te sich hoch­er­freut und gab die Paro­le aus: Ratz­in­ger sei nicht geeig­net, die Vor­aus­set­zun­gen zu erfül­len, um aus­rei­chend Kon­sens zu fin­den. Der drit­te Wahl­gang besag­te: Ratz­in­ger 72, Berg­o­glio 40. Das Ziel der Sperr­mi­no­ri­tät schien erreicht. Mar­ti­ni kün­dig­te kryp­tisch eine „gro­ße Neu­ig­keit“ für den näch­sten Tag an. Der Jesu­it Mar­ti­ni hoff­te auf eine Wie­der­ho­lung des Ergeb­nis­ses beim näch­sten Wahl­gang. Es hät­te, so sei­ne Kal­ku­la­ti­on, Kar­di­nal Ratz­in­ger bewo­gen, sei­ne Bereit­schaft zurück­zu­zie­hen, um das Kon­kla­ve nicht zu blockie­ren. So war es Usus in der Kirche.

Nicht Ratz­in­ger begann jedoch zu zögern, son­dern Berg­o­glio. Er deu­te­te mehr­fach an, daß er, soll­te sich sein Ergeb­nis nicht ver­bes­sern, zurück­zie­hen wer­de. Dar­auf ver­lie­ßen eini­ge sei­ner Neu­wäh­ler des drit­ten Wahl­gangs sofort das sin­ken­de Schiff und wähl­ten im vier­ten Wahl­gang den Kar­di­nals­de­kan Ratz­in­ger, der die Zwei-Drit­tel-Mehr­heit über­sprang und mit 84 Stim­men zum neu­en Papst gewählt wur­de. Berg­o­glio hin­ge­gen sank auf 26 Stim­men ab.

„Ein Kar­di­nal scheint gegen alle sei­ne Ver­spre­chen sei­ne Zun­ge nicht im Zaum gehal­ten und berich­tet zu haben, was geheim blei­ben müß­te“, so der spa­ni­sche Kir­chen­hi­sto­ri­ker und katho­li­sche Blog­ger Fran­cis­co de la Cigo­ña. „War es wirk­lich so? Hat sich das jemand erfun­den? Nur Gott und die noch leben­den Kar­di­nä­le jenes Kon­kla­ves wis­sen es. Das sind immer­hin noch etli­che. Ich lege mei­ne Hand nicht ins Feu­er für die­se Infor­ma­ti­on, aber – um ehr­lich zu sein – sie ist sehr interessant.“

Aus die­sem Grund emp­feh­len wir, den Bericht von Katho​li​sches​.info über Das „ver­bo­te­ne“ Tage­buch des Kon­kla­ve 2005 nachzulesen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bil­der: vaticaninfo

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