(Kuala Lumpur) Dürfen Nicht-Moslems das Wort Allah benützen? Der Konflikt um diese Frage zieht sich in Malaysia bereits seit Jahren hin. Nun geht der Rechtsstreit in die zweite Instanz. Heute nahm das Oberlandesgericht in Kuala Lumpur die Berufung des Innenministeriums gegen den Erfolg der katholischen Kirche in erster Instanz an. Der erste Verhandlungstag wurde für den 10. September festgelegt. Für das Gericht sei die Frage „offen“. Die Erzdiözese Kuala Lumpur befürchtet neue antichristliche Gewalttaten und fordert von der Regierung die Sicherheit der christlichen Gemeinschaften zu garantieren.
2009 entschied ein Gericht in erster Instanz, daß auch Katholiken die Bezeichnung „Allah“ für Gott gebrauchen dürfen. Dies war ihnen von der Regierung zuvor untersagt worden. Ausgangspunkt für den Streit war der Gebrauch von „Allah“ für Gott in katholischen Medien.
Nun sieht die Sache wieder ganz anders aus. Nach einer langen Beratung entschied der dreiköpfige Richtersenat am Oberlandesgericht, daß die Berufung der Regierung zuläßig ist. Damit beginnt ein neues Kapitel im Rechtsstreit zwischen katholischer Kirche und malaysischer Regierung. Offiziell stehen sich als Streitparteien die katholische Tageszeitung Herald Malaysia und das Innenministerium gegenüber. Da das erstinstanzliche Urteil keine Rechtskraft erhielt, gilt weiterhin das gegen Christen verhängte Regierungsverbot, „Allah“ für Gott zu gebrauchen.
Abu Samah, der Vorsitzende Richter begründete die Eröffnung eines neuen Verfahrens am Oberlandesgericht damit, daß der Konflikt um den Gebrauch des Wortes „Allah“ erst noch „zu klären“ sei. Das Gerichtsgebäude wurde während der Entscheidungsfindung von Dutzenden von islamistischen Gruppen und Organisationen belagert. Dabei schien alles bereits geklärt. 2009 gab ein Gericht der katholischen Tageszeitung recht, 2011 richtete der malaysische Premierminister Najib Razak ein Schreiben an die christliche Gemeinschaft des Landes, das in zehn Punkten unter anderem den Gebrauch des Wortes „Allah“ und dies auch ausdrücklich in Bibelausgaben auf Malaysisch erlaubte. Ein Entgegenkommen, das die Regierung bald wieder zurücknahm.
Mit der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil kehrte die Regierung auf ihren ursprünglichen Standpunkt zurück, daß das Wort „Allah“ zur Benennung Gottes ausschließliche Moslems vorbehalten sein müsse.
Noch gestern äußerte die Erzdiözese Kuala Lumpur die Befürchtung, daß es zu neuer antichristlicher Gewalt kommen könnte. Islamistische Gruppen hatten Vergeltung angedroht, sollten Christen tatsächlich die Bezeichnung „Allah“ gebrauchen und dies ganz unabhängig davon, ob ein Gericht oder die Regierung ihnen recht gebe oder nicht.
Der Streit brach 2008 aus, als das malaysische Innenministerium der katholischen Tageszeitung Herald Malaysia drohte, die Lizenz zu entziehen, sollte sie noch einmal das Wort „Allah“ gebrauchen. Die katholische Kirche zog darauf gegen die Regierung vor Gericht mit dem Argument, diese habe die Verfassung verletzt. Als 2009 ein Gericht den Katholiken recht gab, kam es zu einer Welle der Gewalt gegen Christen. Islamistische Sprengstoffattentate gegen christliche Kirchen und Einrichtungen standen an der Tagesordnung. Offenbar aus Angst vor den Islamisten änderte die Regierung ihren Kurs und machte sich die islamistische Forderung zu eigen, wonach nur Moslems das Wort „Allah“ gebrauchen dürften.
In Malaysia bilden die Christen die drittgrößte Religionsgemeinschaft nach Moslems (60 Prozent) und Buddhisten (20 Prozent). Die Zahl der Christen wird mit fast zehn Prozent und etwa 2,8 Millionen Gläubigen angegeben. Um den Beweis zu erbringen, daß das Wort „Allah“ nicht nur eine Frage der Religion, sondern der Kultur und damit der Landessprache ist, ließ die katholische Kirche ein lateinisch-malaysisches Wörterbuch des 16. Jahrhunderts neu auflegen. Bereits damals wurde das Wort „Deus“ für Gott mit „Allah“ übersetzt worden. Laut Gesetz sind alle ethnischen Malaien (etwas mehr als 50 Prozent der Bevölkerung) von Geburt an Moslems. Ein Religionswechsel ist rechtlich zwar unter schwierigen Bedingungen vorgesehen, praktisch jedoch kaum möglich. Moslems werden offiziell im Land bevorzugt.
Text: Paix Liturgique/Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides