Prälat Wilhelm Imkamp stellt mit seinem offenen Bekenntnis zu Wahrheit und Schönheit der Lehre der katholischen Kirche so manchen deutschsprachigen Bischof nicht in den Schatten, sondern in die äußerste Finsternis. Sein neuestes Buch, „Sei kein Spießer, sei katholisch!“ bildet da keine Ausnahme. Und wo Imkamp nun einmal dabei ist, räumt er auch gleich weiträumig mit Vorurteilen und kirchenfeindlichen Mythen auf. „Mehr als das Gelächter der Ignoranten macht den Gläubigen damals wie heute allerdings die Dummheit zu schaffen. Religiöse Dummheit kennt genau wie geistliche Intelligenz kein Verfallsdatum. […] Sich aufgeklärt dünkende Geister neigen auch heute dazu, Katholiken für eine Spezies von Fußkranken des intellektuellen Fortschritts zu halten. Und viele Katholiken über sich auch in dieser Haltung […].
Speziell über den Antimodernismus, der gerade von den Päpsten Pius IX. und Pius X. betrieben worden war, werden heute nicht viele oder lediglich verächtliche Worte verloren: „Es gibt zwar eine breite Rehabilitationsgeschichtsschreibung des Modernismus, aber nur ganz vereinzelte Versuche, den Antimodernismus wahrheitsgemäß darzustellen, sofern er nicht gänzlich unterschlagen wird. Gerade in der Forschung über den Modernismus gibt es Schweigespiralen und Zitationskartelle.“ Es könne „noch manches Tabu gebrochen werden“, ist Imkamp überzeugt und macht sich sogleich selbst an die Arbei: „In der Regel haben Modernisten – im deutschen Sprachraum wurden sie verharmlosend ‚Reformkatholiken‘ genannt – auf die nationale Karte gesetzt: kaisertreu und romkritisch. Nicht selten ging es geradezu peinlich zu. […] Ein besonders erschütterndes Beispiel ist auch der berühmte Tübinger Theologe Karl Adam (1876–1966). Er warb offen für die Vereinbarkeit von Katholizismus und Nationalsozialismus, sogar bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.“
Angelehnt an das Schlagwort der „political correctness“ prägt Wilhelm Imkamp den Begriff der „clerical correctness“, die kaum weniger weit verbreitet sein dürfte als ihre große Schwester. Sie zeigt sich etwa in einer geradezu lächerlichen Form der Toleranz: „Maximale Toleranz gegenüber nahezu jeder Form christlicher Pflichtvergessenheit – die Kirchensteuerpflicht selbstredend ausgenommen – gehört zum akzeptierten Verhaltenskodex pastoralbürokratischer und klerikaler Korrektheit.“ Papst Benedikt XVI. hatte den ungeschriebenen Gesetzen der „clerical correctness“ die Entweltlichung gegenübergestellt. Denkt man – frei nach Heinrich Heine – an Deutschland, ist davon allerdings noch nicht viel zu bemerken.
Stattdessen riskiert der unbedarfte Katholik laufend Verstöße gegen die „clerical correctness“ mit „moraltheologischen Positionen, die sich mit den landläufigen Vorstellungen von Sexualität nicht vereinbaren lassen. Permanente Froststarre herrscht mancherorts auch, wenn die Rede auf das katholische Profil der Kirche kommt. Der Ärger ist vorprogrammiert für jeden, der unter geistlichen Berufen in erster Linie Ordens- und Priesterberufe versteht und das auch so sagt. Besonders empfindlich sind in der Regel die Religionspädagogen sowie deren Leitungs- und Schulungsapparate.“
Die im protestantischen Deutschland einerseits sehr verehrte – wie die zahlreichen Wallfahrtsorte zeigen –, andererseits mitunter sehr vernachlässigte Mutter des Erlösers, wird von Imkamp an die Spitze der weiblichen „Avantgarde der Kirche“ gestellt. „Die Faszination Mariens gerade auf hochgebildete Frauen, wie zum Beispiel die heilige Edith Stein (1891–1942), hat ihren Grund auch darin, daß die Gottesmutter eben kein ‚einfaches Mädchen‘ aus Nazaret war. In der Heiligen Schrift wird Maria als eine durchaus selbstbewußte Frau gezeigt.“
In der Kirchengeschichte begegnen einem immer wieder herausragende Frauengestalten, die bis heute zu den größten Heiligen der Kirche zählen. So erwähnt Wilhelm Imkamp beispielsweise die heilige Teresa von Avila. Bei der Lektüre von Werken der Kirchenlehrerin bekomme „manche Radikalfeministin […] wahrscheinlich die Krätze“, wie der Prälat sich unumwunden ausdrückt: „Aus ihrer Autobiografie ‚Das Buch meines Lebens‘ spricht eine voll emanzipierte Frau ohne eine Spur Emanzipationsschrott. Nichts lag der willensstarken Karmelitin ferner als eine genderideologisch aufgeblasene Theologie.“ Sein Kapitel über die „weibliche Avantgarde der Kirche“ schließt der Autor treffend mit den Worten: „Das feministische Lila ist nur eine Verwässerung des marianischen Blau.“
Natürlich betreibt Wilhelm Imkamp auch ein wenig Staatskritik – wovon die kirchensteuerfinanzierte „Pastoralbürokratie“ ansonsten sehr gerne absieht: „Der Wohlfahrtsstaat mit seinen kleinlichen Vorschriften, der den Menschen zu seinem Glück zwingen will, wird hochgejubelt, während die Kirche mit ihren Geboten und Verboten als Institution von vorgestern dargestellt wird. Dabei sind die Verordnungen und Anordnungen der Kirche für das Leben des Einzelnen längst nicht so gravierend wie die staatliche ‚Fürsorge‘.“
Während man häufig in Kreisen, die sich selbst ohne Zögern als katholisch bezeichnen, eine Verherrlichung des Häretikers Martin Luther und des Protestantismus im Allgemeinen ertragen muß, hält Wilhelm Imkamp mit spitzer Feder dagegen. „Zwei Benediktinermönche, Dom Pierre Pérignon (1638–1715) und sein Mitbruder Dom Thierry Ruinart (1675–1709) haben den Champagner erfunden, während der ‚Summus Episcopus‘, der oberste Bischof seiner Landeskirchen, Kaiser Wilhelm II. den Deutschen die Sektsteuer beschert hat.“
Wilhelm Imkamp sieht „Sei kein Spießer, sei katholisch!“ als Anregung zu ernsthaften Gesprächen. Es seien Zeilen „gegen die Dialogverweigerung eines selbstreferentiellen Akademie‑, Gremien- und Rätekatholizismus mit seiner aufgeblähten Pastoralbürokratie“. In diesem Sinne ist zu hoffen, daß die Spießigkeit im Rahmen sowie gegenüber der Kirche ein Ende nimmt und an ihrer Stelle die Entweltlichung mit vollem Eifer betrieben wird. „Sei kein Spießer, sei katholisch!“ ist ein sehr gutes Buch in gewohnter und geschätzter Imkamp-Diktion!
Imkamp, Wilhelm: Sei kein Spießer, sei katholisch!, Kösel, 17,99 Euro
Text: Martin Bürger