(Tunis) Die tunesische Regierung geht auf Distanz zu ihren früheren Verbündeten und bezeichnet die Salafisten als „Terroristen“. Die Regierung des nordafrikanischen Landes hat die salafistische Bewegung Ansar al-Sharia als terroristische Organisation eingestuft. Bis 2012 gehörte Ansar al-Sharia zur islamistischen Regierungsmehrheit unter der Führung der Ennahda-Bewegung. Nun werden die Salafisten beschuldigt, die Ermordung der nicht-islamistischen Oppositionsführer Chokri Belaid und Mouamed Brahmi geplant zu haben.
In den vergangenen Tagen erklärte der seit Februar regierende Ministerpräsident Ali Larajedh von Ennahda, eindeutige Beweise gegen die Salafisten zu haben. Der Ministerpräsident betonte, daß „jeder, der der Bewegung [Ansar al-Sharia] angehört, mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat“. Laut Larajedh schützt die Salafistenpartei eine Terrorzelle von Al-Qaida, die seit Monaten von der tunesischen Armee im Chambi-Gebirge nahe der algerischen Grenze gejagt wird.
Ansar al-Sharia wurde im April 2011 nach Ausbruch des “Arabischen Frühlings“ gegründet und nahm sofort den Kampf für die Durchsetzung des islamischen Gesetzes in Tunesien auf. Die Scharia, so die Forderung der Salafisten, soll alle Lebensbereiche bestimmen. Ihr Anführer Seif Allah Ibn Hussein, bekannt auch als Abu Ayadh al-Tunisi, verbrachte während des Regimes von Staatspräsident Ben Ali mehrere Jahre im Gefängnis. Er wurde im Zuge des „Arabischen Frühlings“ gemeinsam mit anderen Islamisten befreit.
Stellt Ansar al-Sharia in Tunesien den politischen Arm der Salafisten dar, ist die Ennahda-Partei der politische Arm der Muslimbrüder. Beide politische Bewegungen sind in zahlreichen Staaten mit sunnitischer Bevölkerung aktiv, vor allem auch in Ägypten. In den vergangenen Jahren waren Salafisten in Tunesien für eine ganze Reihe von Attentaten gegen Personen, Kinos, Organisationen, Universitäten und Einrichtungen verantwortlich, die für die Ansar al-Sharia nicht shariakonform waren.
Nach dem islamistischen Angriff auf die amerikanische Botschaft in Tunis im September 2012 wurden die Salafisten aus der Regierung ausgeschlossen. Neben der Rücksichtnahme auf internationale Befindlichkeiten spielte dabei auch ein Machtkampf im islamistischen Lager zwischen Salafisten und Muslimbrüder eine Rolle. Das gilt auch jetzt bei der Einstufung der Ansar al-Sharia als Terrororganisation
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews
Ansar Al Shariya als Teil von Ennahdha zu bezeichnen ist eine m.E. grob fahrlässige Vereinfachung. Zwar wurde Ansar Al Shariya teilweise von Ennahdha (zu lange) toleriert, war jedoch nie Mitglied der Partei, noch war sie je Regierungsmitglied. Auch ist sie nicht der „politische Arm der Salafisten“ sondern die jihadistische Bewegung des Salafismus (im Gegensatz zur sogenannten „wissenschaftlichen“, die keine politischen Ziele verfolgt und diese auch nicht mit Gewalt durchsetzen will). Dies ist nicht gleichzusetzen mit Ennahdha oder den Muslimbrüdern. Die zitierten Attentate auf Kinos, Uni, etc konnten zum Großteil nie eindeutig der Organisation zugeschrieben werden.