„Rechte Umtriebe“ im Würzburger Priesterseminar? – Deutsche Neurosen und der Kampf um die kulturelle Hegemonie


Skurriler "Skandal" im Würzburger Priesterseminarvon Andre­as Becker

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(Würz­burg) Über „Rech­te Umtrie­be im Prie­ster­se­mi­nar“ erregt sich die Süd­deut­sche Zei­tung. Über der­glei­chen soll­te man eigent­lich besten­falls lächeln. Aber nicht doch: Im Gegen­satz zu ande­ren euro­päi­schen Staa­ten lei­stet sich Deutsch­land eine hoch­be­zahl­te Jagd­ge­sell­schaft gegen tat­säch­li­che oder ima­gi­nä­re „rech­te Umtrie­be“. Die müs­sen natür­lich zur Selbst­recht­fer­ti­gung stän­dig irgend­wel­che Ergeb­nis­se vor­wei­sen. Und weil das nicht mehr so leicht ist, sucht man neu­er­dings sogar in Prie­ster­se­mi­na­ren (sie­he eige­ner Bericht).

Aus­gangs­punkt der Medi­en­auf­merk­sam­keit schei­nen eine Mischung aus puber­tie­ren­dem Denun­zi­an­ten­tum und alt­backe­ner Ver­bis­sen­heit zu sein, bei­des denk­bar unsym­pa­thi­sche Erschei­nungs­for­men. Schwer­wie­gen­der ist, daß es aus­ge­rech­net die Katho­li­sche Nach­rich­ten­agen­tur KNA war, die die Sache erst medi­al in die Welt posaun­te. Ob dabei nur Wich­tig­tue­rei, Dumm­heit oder inner­kirch­li­ches Intri­gan­ten­tum Pate stan­den, ist unge­klärt. Sie führ­te jedoch erfolg­reich dazu, lächer­li­che Mar­gi­na­li­tä­ten zum Medi­en­po­panz hoch­zu­spie­len. Schwer­wie­gen­der ist, daß eine Diö­ze­se wie Würz­burg auf Medi­en­zu­ruf sich klein­laut gegen die eige­nen Semi­na­ri­sten stellt und nichts bes­se­res zu tun hat, als nach der poli­ti­schen Pfei­fe ande­rer zu tanzen.

Die Diö­ze­se setz­te in einer atem­rau­ben­den Eile, natür­lich um jeden Zwei­fel (der Süd­deut­schen Zei­tung?) zu besei­ti­gen oder pflicht­schul­digst even­tu­ell „Schul­di­ge“ zu ent­fer­nen, eine inqui­si­to­ri­sche „exter­ne Kom­mis­si­on“ ein, die alle „Ver­dachts­mo­men­te“ zu prü­fen hat. Dazu wur­de gar ein Ober­lan­des­rich­ter als Vor­sit­zen­der bemüht. Auf kirch­li­cher Sei­te wur­den ein Erz­bi­schof (Bam­berg), ein Bischof und ein Gene­ral­vi­kar (Würz­burg) aktiv. Bei solch groß­ka­li­bri­gem Auf­ge­bot möch­te man tat­säch­lich mei­nen, es müs­se sich um etwas wirk­lich Wich­ti­ges und Gro­ßes han­deln. Doch weit gefehlt. In Würz­burg wird nur ein­mal mehr die tief­sit­zen­de bun­des­deut­sche (Rechts-)Neurose vorexerziert.

In der katho­li­schen Kir­che Deutsch­lands liegt viel im Argen. Auch in der Diö­ze­se Würz­burg gäbe es aus­rei­chend zu tun für Bischof und Gene­ral­vi­kar. Doch gegen unge­hor­sa­me Prie­ster, haupt­amt­li­che Ange­stell­te oder Kate­che­ten, die als Teil­zeit­ka­tho­li­ken agie­ren, sich von der Glau­bens­wahr­heit rau­s­picken, was ihnen gera­de gefällt, wird kaum die Spur des­sel­ben Eifers an den Tag gelegt. Geschwei­ge­denn eine „Unter­su­chungs­kom­mis­si­on“ ein­ge­setzt. Angeb­lich sol­len „Juden­wit­ze“ von einem Semi­na­ri­sten erzählt wor­den sein. Es gilt der Kon­junk­tiv. Medi­en haben sich mit Titeln über­schla­gen, die das Wort „unent­schuld­bar“ ent­hiel­ten. „Unent­schuld­bar“? Ein Witz? Es wür­de zu weit füh­ren, an die­ser Stel­le auf die offen­sicht­li­che Men­schen­freund­lich­keit der katho­li­schen Glau­bens­leh­re und ihrem Ver­zei­hen bis hin zur Los­spre­chung im Sakra­ment der Beich­te und der Uner­bitt­lich­keit welt­li­cher Ideo­lo­gie ein­zu­ge­hen. Gäbe es Grund für Beden­ken bei einem Semi­na­ri­sten, ist der Regens gefor­dert, zual­ler­erst mit einem Gespräch. Aber sicher nicht die Medienöffentlichkeit.

Aber so ist das eben mit Neu­ro­sen, sie ver­zer­ren die Wahr­neh­mung. Daß dies bei der Süd­deut­schen Zei­tung und ande­ren sich berufs­mä­ßig (und bezahlt) zum Kampf gegen Rechts beru­fen Füh­len­den so ist, mag ja sein. Es ist Teil ihrer Ideo­lo­gie und ihres Kamp­fes um die kul­tu­rel­le Hege­mo­nie in Deutsch­land. In der katho­li­schen Kir­che soll­te es aller­dings um ande­re Beru­fun­gen gehen und nicht dar­um, wer das Kon­zert wel­cher Musik­grup­pe auf­sucht. Über Musik läßt sich treff­lich strei­ten. Oder kämen der Diö­ze­san­füh­rung ähn­lich schweiß­trei­ben­de Akti­vi­tä­ten in den Sinn, wenn ein Semi­na­rist „ertappt“ wür­de, ein Kon­zert von Sinead O’Con­nor (Abtrei­bungs­be­für­wor­te­rin und Papst­ver­äch­te­rin), den Toten Hosen oder ande­rer Musik­grup­pen mit wenig kir­chen­freund­li­chem Hin­ter­grund besucht zu haben, die „No Reli­gi­on“ von der Büh­ne grö­len? Oder wür­de es bean­stan­det, wenn ein Semi­na­rist ein Mozart-Kon­zert besu­chen wür­de, bei dem Eine klei­ne Frei­mau­rerkan­ta­te zur Auf­füh­rung käme?

Die Süd­deut­sche Zei­tung und Gleich­ge­sinn­te testen in Abstän­den, wel­che Macht sie in einem Land aus­üben kön­nen. Der Fall Würz­burg zeigt, wel­che sie tat­säch­lich haben. Ein Fin­ger­zeig genügt und eine gan­ze Diö­ze­se geht in die Knie. Am 31. Juli wird die drei­köp­fi­ge Unter­su­chungs­kom­mis­si­on ihren Bericht vor­le­gen und man kann nur hof­fen, daß es kei­ne Bau­ern­op­fer geben und die Zukunft von Semi­na­ri­sten nicht zer­stört wird, sonst wäre das The­ma selbst­ver­schuld­er­ter Prie­ster­man­gel um ein wei­te­res, skur­ri­les Kapi­tel reicher.

Text: Andre­as Becker
Bild: Wikicommons

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