(Würzburg) Über „Rechte Umtriebe im Priesterseminar“ erregt sich die Süddeutsche Zeitung. Über dergleichen sollte man eigentlich bestenfalls lächeln. Aber nicht doch: Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten leistet sich Deutschland eine hochbezahlte Jagdgesellschaft gegen tatsächliche oder imaginäre „rechte Umtriebe“. Die müssen natürlich zur Selbstrechtfertigung ständig irgendwelche Ergebnisse vorweisen. Und weil das nicht mehr so leicht ist, sucht man neuerdings sogar in Priesterseminaren (siehe eigener Bericht).
Ausgangspunkt der Medienaufmerksamkeit scheinen eine Mischung aus pubertierendem Denunziantentum und altbackener Verbissenheit zu sein, beides denkbar unsympathische Erscheinungsformen. Schwerwiegender ist, daß es ausgerechnet die Katholische Nachrichtenagentur KNA war, die die Sache erst medial in die Welt posaunte. Ob dabei nur Wichtigtuerei, Dummheit oder innerkirchliches Intrigantentum Pate standen, ist ungeklärt. Sie führte jedoch erfolgreich dazu, lächerliche Marginalitäten zum Medienpopanz hochzuspielen. Schwerwiegender ist, daß eine Diözese wie Würzburg auf Medienzuruf sich kleinlaut gegen die eigenen Seminaristen stellt und nichts besseres zu tun hat, als nach der politischen Pfeife anderer zu tanzen.
Die Diözese setzte in einer atemraubenden Eile, natürlich um jeden Zweifel (der Süddeutschen Zeitung?) zu beseitigen oder pflichtschuldigst eventuell „Schuldige“ zu entfernen, eine inquisitorische „externe Kommission“ ein, die alle „Verdachtsmomente“ zu prüfen hat. Dazu wurde gar ein Oberlandesrichter als Vorsitzender bemüht. Auf kirchlicher Seite wurden ein Erzbischof (Bamberg), ein Bischof und ein Generalvikar (Würzburg) aktiv. Bei solch großkalibrigem Aufgebot möchte man tatsächlich meinen, es müsse sich um etwas wirklich Wichtiges und Großes handeln. Doch weit gefehlt. In Würzburg wird nur einmal mehr die tiefsitzende bundesdeutsche (Rechts-)Neurose vorexerziert.
In der katholischen Kirche Deutschlands liegt viel im Argen. Auch in der Diözese Würzburg gäbe es ausreichend zu tun für Bischof und Generalvikar. Doch gegen ungehorsame Priester, hauptamtliche Angestellte oder Katecheten, die als Teilzeitkatholiken agieren, sich von der Glaubenswahrheit rauspicken, was ihnen gerade gefällt, wird kaum die Spur desselben Eifers an den Tag gelegt. Geschweigedenn eine „Untersuchungskommission“ eingesetzt. Angeblich sollen „Judenwitze“ von einem Seminaristen erzählt worden sein. Es gilt der Konjunktiv. Medien haben sich mit Titeln überschlagen, die das Wort „unentschuldbar“ enthielten. „Unentschuldbar“? Ein Witz? Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf die offensichtliche Menschenfreundlichkeit der katholischen Glaubenslehre und ihrem Verzeihen bis hin zur Lossprechung im Sakrament der Beichte und der Unerbittlichkeit weltlicher Ideologie einzugehen. Gäbe es Grund für Bedenken bei einem Seminaristen, ist der Regens gefordert, zuallererst mit einem Gespräch. Aber sicher nicht die Medienöffentlichkeit.
Aber so ist das eben mit Neurosen, sie verzerren die Wahrnehmung. Daß dies bei der Süddeutschen Zeitung und anderen sich berufsmäßig (und bezahlt) zum Kampf gegen Rechts berufen Fühlenden so ist, mag ja sein. Es ist Teil ihrer Ideologie und ihres Kampfes um die kulturelle Hegemonie in Deutschland. In der katholischen Kirche sollte es allerdings um andere Berufungen gehen und nicht darum, wer das Konzert welcher Musikgruppe aufsucht. Über Musik läßt sich trefflich streiten. Oder kämen der Diözesanführung ähnlich schweißtreibende Aktivitäten in den Sinn, wenn ein Seminarist „ertappt“ würde, ein Konzert von Sinead O’Connor (Abtreibungsbefürworterin und Papstverächterin), den Toten Hosen oder anderer Musikgruppen mit wenig kirchenfreundlichem Hintergrund besucht zu haben, die „No Religion“ von der Bühne grölen? Oder würde es beanstandet, wenn ein Seminarist ein Mozart-Konzert besuchen würde, bei dem Eine kleine Freimaurerkantate zur Aufführung käme?
Die Süddeutsche Zeitung und Gleichgesinnte testen in Abständen, welche Macht sie in einem Land ausüben können. Der Fall Würzburg zeigt, welche sie tatsächlich haben. Ein Fingerzeig genügt und eine ganze Diözese geht in die Knie. Am 31. Juli wird die dreiköpfige Untersuchungskommission ihren Bericht vorlegen und man kann nur hoffen, daß es keine Bauernopfer geben und die Zukunft von Seminaristen nicht zerstört wird, sonst wäre das Thema selbstverschulderter Priestermangel um ein weiteres, skurriles Kapitel reicher.
Text: Andreas Becker
Bild: Wikicommons