Noch nie wurden so viele Kirchen neu gebaut wie in den Jahren unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg. Sie stellen in der Mehrzahl reine Zweckbauten dar, die bewußt darauf verzichten, Kunstwerke zu sein, obwohl sie oft Millionen kosten. Technisch gesehen fehlt es an nichts: sie haben eine gute Akustik und eine einwandfreie Lüftung; sie sind gut beleuchtet und leicht heizbar. Der Altar kann von allen Seiten aus eingesehen werden.
Sie stellen jedoch keine Gotteshäuser im eigentlichen Sinn dar, keinen sakralen Raum, keinen Tempel des Herrn, wohin man gern geht, um Gott anzubeten und seine Bitten vorzutragen. Sie sind Versammlungsräume, die man außerhalb der Gottesdienstzeiten nicht aufsucht. Als Gegenstück zum „Wohnsilo“ bzw. zur „Menschengarage“, wie die Wohnblöcke in den modernen Trabantenstädten genannt werden, tragen sie im Volksmund bisweilen den Namen „Seelensilo“ oder „Paternostergarage“. […]
Die neuen Bauten wurden dadurch zum Symbol unserer Zeit, ja zu einem Zeichen der Auflösung der bisherigen Normen und zum Bild des Chaotischen der gegenwärtigen Welt. Für einen Kultraum gelten eigene Gesetze, die nicht der Mode und dem Wandel der Zeit unterworfen sind. Hier wohnt Gott, wie im Tempel zu Jerusalem, in besonderer Weise. Hier wird der Dienst vor Gott vollzogen.
Klaus Gamber: Zum Herrn hin! Fragen um das Gebet nach Osten, VD; Classic Edition, Düsseldorf 2003, S. 10f