(Paris) Schneller als erwartet fällten die Richter der 31. Strafkammer am Pariser Gericht ihr Urteil. Die Staatsanwaltschaft warf dem Lebensrechtler und Arzt Xavier Dor vor, „ohne Genehmigung“ öffentlich den Rosenkranz gebetet zu haben (siehe eigenen Bericht). Zudem wurde der Arzt und Vorsitzende der Lebensrechtsorganisation SOS Tout Petits beschuldigt, auf abtreibungsentschlossene Frauen „psychischen und pysischen Druck“ ausgeübt zu haben, weil er zwei schwangeren Frauen, die ihr ungeborenes Kind durch Abtreibung töten lassen wollten, je ein paar Babyschuhe geschenkt hatte.
Dor verteidigte sich vor Gericht mit der Berufung auf das in der Verfassung garantierte Recht auf Meinungsfreiheit. Für die Richter aber ist der 85jährige Arzt schuldig im Sinne der Anklage. Die Meinungsfreiheit sei zwar ein hohes Gut, so die Richter, doch habe sie Grenzen: den Respekt vor dem anderen, im konkreten Fall der Frauen. Angesichts der Tatsache, daß es um die Ermordung eines weiteren Menschen, nämlich der ungeborenen Kinder ging, ein meisterlicher Euphemismus.
Wegen seines Alters lasse man aber Milde walten. Die Strafkammer folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilte Xavier Dor zu einem Monat bedingter Haft und zu 8.000 Euro Strafgeld. Sein Bemühen, die Frauen davon zu überzeugen, das Leben ihres Kinder zu retten, wurde damit zur Straftat erklärt. Damit nicht genug: Die Richter verurteilten den Arzt auch zu einer „kleinen psychologischen Therapie“.
Für die französischen Richter ist also nicht psychisch gestört, wer unschuldige Kinder tötet (oder entsprechende Tötungsgesetze fordert und beschließt), sondern wer sich für das Leben der Schwächsten einsetzt. Noch steht nicht fest, welche Art von „psychologischer Therapie“ dem Arzt aufgezwungen werden soll, angesichts der Tatsache, daß Xavier Dor seinen Kampf auch als „geistlichen Kampf und Widerstand gegen die Kultur des Todes“ sieht.
Das Urteil zeigt deutlich, daß der Versuch, das (wahre) Recht auf Leben der Kinder und das (falsche) Recht auf Abtreibung im Namen weiblicher Selbstbestimmung nicht in Einklang zu bringen sind. Das eine schließt das andere aus, was alle Menschen guten Willens schon immer wußten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: SOS Tout Petits