(Basel) Er wollte Selbstmord begehen, aber wenn schon “zivilisiert“ und deshalb durch Euthanasie, heute auch „aktive Sterbehilfe“ oder „sanfter Tod“ genannt. Als Dienstleister suchte er sich eine Klinik in Basel aus, weil in der Schweiz ebenso „menschenfreundlich“ wie geschäftstüchtig der Tötungsservice gegen bare Münze erlaubt ist. Als seine Stunde „gekommen“ war, setzte er sich ins Auto und fuhr 1500 Kilometer bis nach Basel. Allein.
Er war der italienische Oberstaatsanwalt Pietro D’Amico, 62 Jahre, aus Piscopio in Kalabrien,von 1995 bis 2010 an der Oberstaatsanwaltschaft von Catanzaro tätig, verheiratet, ein Kind.
2010 hatte er seinen Dienst quittiert. Einige italienische Ärzte hatten eine „unheilbare Krankheit“ an ihm festgestellt. Eine Diagnose, die von „einigen Schweizer Ärzten bestätigt wurde“, so Michele Roccisano, Freund des Toten und Rechtsbeistand von dessen Witwe.
D’Amico nahm sich das Leben, weil er glaubte, „unheilbar“ krank zu sein. Die Autopsie ergab jedoch das Gegenteil. Am ehemaligen Oberstaatsanwalt konnte keine schwere Krankheit festgestellt werden. Das Gutachten des rechtsmedizinischen Instituts der Universität Basel spricht eine klare Sprache. D’Amico wurde das Opfer eines „fatalen Irrtums“. Er hatte seine Selbstmordentscheidung auf der Grundlage einer „falschen Diagnose“ getroffen, so der Rechtsanwalt.
Dieser strebt nun Ermittlungen durch die italienische und die Schweizer Justiz an. Es gelte zu klären, welche Verantwortung die untersuchenden Ärzte trifft, die dem Oberstaatsanwalt eine „falsche Diagnose“ stellten, die ihn zu nicht mehr rückgängig machbaren Entscheidungen veranlaßte. Deshalb sei auch zu klären, so der Rechtsanwalt, inwieweit die italienischen und Schweizer Ärzte für den Tod D’Amicos verantwortlich seien. War es ein medizinischer Irrtum? Nachläßigkeit? Schlamperei? Rechtsanwalt Roccisano meint, die Ärzte hätten seinen Freund weiteren Untersuchungen unterziehen müssen, wie es das medizinische Protokoll vorsehe, was aber nie geschehen sei.
Seit der Oberstaatsanwalt erfahren hatte, an einer unheilbaren Krankheit zu leiden, war er gebrochen und verfiel einer schweren Depression, wie die Familie sagt. „Der Diagnosefehler führte ihn dazu, in Basel die aktive Sterbehilfe zu suchen. Ganz allein“, so der Rechtsanwalt. Die Diagnose der italienischen Ärzte hätte auch Schweizer Ärzte in die irregeführt. Eine eigenständige Überprüfung hätten sie nicht für notwendig erachtet. Eine mögliche Mitverantwortung sei daher auch in ihrem Fall zu klären, so Roccisano.
Das Schweizer Gesetz sieht vor, daß die Ärzte sich Klarheit über den Gesundheitszustand des Selbstmordkandidaten verschaffen müssen. Dabei gehe es darum, festzustellen, ob der Antragsteller sich tatsächlich im Endstadium einer tödlichen Krankheit befindet. Sie dürfen sich dabei nicht allein auf Diagnosen anderer Ärzte stützen. Zudem sieht das Schweizer Gesetz vor, daß neben dem betreuenden Arzt mindestens zwei weitere Schweizer Ärzte unabhängig voneinander eine Diagnose erstellen müssen. Ein Vorgang, der bei dem italienischen Oberstaatsanwalt nicht eingehalten worden sei. Einer der beiden Ärzte sei die „Todesärztin“ selbst gewesen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons