(Rio de Janeiro) Drei Millionen Jugendliche kamen zum Höhepunkt des Weltjugendtages 2013 an die Copacabana, um an der von Papst Franziskus zelebrierten Heiligen Messe teilzunehmen. Nach Rio de Janeiro steht im Raum, was ein Weltjugendtag laut den Veranstaltern bringen soll. Es sei hier ausdrücklich zwischen dem Papst, seinen Ansprachen und Absichten und jenen des Organisationskomitees unterschieden. Es sei vorab auch der brasilianische Volkscharakter in Rechnung gestellt. Mit den nachfolgenden Zeilen sind vor allem nicht die Jugendlichen gemeint, die nach Rio de Janeiro gekommen sind. Es geht auch nicht um die weiblichen Kommunionspenderinnen, die trotz der vielen Kardinäle, Bischöfe, Priester und Diakone an der Copacabana waren. Der Fernsehsender des Vatikans CTV setzte sie offensichtlich mit besonderer Vorliebe ins Bild. Es geht auch nicht um die Kommunionspendung in beiderlei Gestalt, die der Vatikansender ebenso ins Bild setzte. Aber zurück zum eigentlichen Thema…
Der Weltjugendtag 2013 präsentierte sich in einigen Hauptprogrammpunkten als Entertainmentspektakel. Die katholischen Jugendlichen und die nach Rio gekommene suchende Jugend sollten offenbar, so die Meinung der Organisatoren, vor allem unterhalten werden. Dauerberieselung durch Musik, grelle, aufmunternde, ja aufputschende Moderatorenstimmen, ein großes Fest. Wer aber wurde gefeiert? Christus? Oder sollten die Jugendlichen sich selbst feiern? Sollten die Jugendlichen nach Hause zurückkehren und über die Shows- und Eventeinlagen berichten können? Es gab Hunderte von Katechesen, es gab auszeichnete Glaubensunterweisungen abseits der Fernsehkameras, zahlreiche würdige, ehrfürchtige Momente des Glaubens, des Gebets und der Anbetung. Es gab zahlreiche Beichten. Es gab das Programm und die Heiligen Meßopfer des „außerordentlichen “ Weltjugendtages der Tradition.
Was aber weltweit in Bildern und O‑Ton übertragen wurde, war zum Teil dürftig und defizitär. Macht es Sinn, die Jugend mit denselben Elementen in die Kirche und zum Glauben zu locken, die Jugendliche hundert,- ja tausendfach – zumindest in den übersatten westlichen Ländern – von anderen geboten bekommen? Macht den Unterschied allein, daß die Texte der Musik etwas religiös aufgepeppt sind? Ist das schon alles?
Warum aber überhaupt Show? Warum eine Horde von Bischöfen, die sich selbst darin gefallen zu scheinen, Jugendlichen gefallen zu wollen? Warum Bischöfe, die auf Anweisung eines Entertainers sich entblöden und öffentlich der Lächerlichkeit preisgeben, um erbärmlich herumzuhopsen? Sind das dieselben Bischöfe, die gleichzeitig auf „Kollegialität“, auf mehr Mitsprache in der Kirchenleitung und weniger Hierarchie drängen? Was für ein Eigentor haben sie sich dann in Rio geleistet. Hand aufs Herz, möchten Sie wirklich, daß Ihr Bischof so herumhüpft? Ein Bischof, eine Respektsperson?
So wie wir als Jugendliche nicht wollten, daß unsere Eltern sich so wie wir Jugendlichen verhalten, weil wir, und den Jugendlichen in Rio wird es nicht viel anders ergangen sein, instinktiv wußten, daß es Generationsunterschiede gibt, ob man sie wahrhaben will oder nicht, und daß es etwas spezifisch Jugendliches gibt, das ganz uns gehörte, eben für diese unsere Jugendzeit, die vorbeigeht, an die man sich später erinnert und über das man teils später nur mehr kopfschüttelnd staunen kann. Aber doch nicht umgekehrt: Bischöfe sollen Oberhirten sein , die Menschen aller Generationen zum ewigen Seelenheil führen, die Führer, Meister und Richtungsweiser sind, denen die Sakramente anvertraut sind und die Verkündung des Wortes Gottes. Bischöfe dann auf Anleitung wie grenzdebile Deppen herumhüpfen zu sehen, ist einfach nur… und an dieser Stelle soll sich jeder selber seinen Eindruck einfügen.
Zum peinlichen Flash-Mob-Abschluß von Rio de Janeiro nahm auch der bekannte katholische Kulturkriktiker Francesco Colafemmina Stellung.
Ein Flash Mob macht uns frei. Halleluja
von Francesco Colafemmina
Glauben die herumhopsenden und Flash Mob mimikrierenden Bischöfe ernsthaft auf diese Weise Jugendliche für die katholische Glaubens- und Morallehre gewinnen zu können? Diese Verstellung ist doch leicht durchschaubar, auch für Jugendliche. Es geht immerhin um jene Jugendlichen, die Papst Franziskus „zur Revolution für Christus“ aufgerufen hat (über die Begriffswahl ließe sich diskutieren). Und die Bischöfe meinen wirklich, dieselben Jugendlichen sehen nicht ein zwar lustiges Spektakel, durchschauen aber nicht die Anbiederung? Und wer sagt, daß die gläubige Jugend sich wirklich eine solche Entblödung erwartet?
Was für ein Vorbild geben die Bischöfe eigentlich? Welche erzieherischen Ansätze wollten sie der katholischen Jugend damit vermitteln? Welche Werte wollten sie weitergeben, indem sie auf der Bühne ein peinliches Schauspiel bieten?
Dieser Weltjugendtag sah einen Papst, der die neuesten Handbücher über leadership strategy studiert zu haben scheint, allerdings jene, die auf horizontal leadership abzielen. Er fährt im Fiat Idea, er ist horizontal, dabei spielt es keine Rolle, daß er von 5000 Soldaten abgeschirmt wird, die sich um seine Sicherheit kümmern und daß vor und hinter seinem kleinen Fiat die üblichen Wagenkolonnen mit Dutzenden großen Autos fahren. Alle schauen auf sein Auto, nicht auf die anderen Wagen. Das schafft Zustimmung und inszeniert eine Leadership-Rolle. Eine Art katholischer Cameron. David Cameron, der regierende Premierminister Großbritanniens, wurde 2006 mit einem Schlag als Zukunftshoffnung der Konservativen Partei bekannt, weil er mediengerecht mit dem Fahrrad ins Parlament radelte. Und niemand schaute auf die Limousinen mit seinen Mitarbeitern und dem Sicherheitspersonal, die ihm folgten. Niemand dachte mehr an den jungen, ehrgeizigen Aristokratensohn, der an Elitenschulen studiert hatte. Alle starrten nur mehr auf seine Umgänglichkeit, weil er mit dem Fahrrad fuhr.
Und noch ein Beispiel: Bloomberg, der amtierende Bürgermeister von New York, der berühmt wurde, weil er bekanntgab, nicht in der traditionellen Residenz der New Yorker Bürgermeister, Gracie Manson, zu wohnen, sondern in seinem eigenen Haus. Und daß er mit der U‑Bahn zur Arbeit fuhr. Was für eine Demut! Natürlich machte diese „Umgänglichkeit“, dieses „horizontale“ Verhalten vergessen, daß Bloomberg einer der zehn reichsten Männer der USA ist, sein Privathaus weit luxuriöser ist, als jenes der Bürgermeister und er in der U‑Bahn von einem Troß von Mitarbeitern und Wachmännern umgeben war.
Was ist das Geheimnis der „horizontal leadership“? Es geht um das strategische Ziel. „Ansehen“ und „Vertrauen“ in den Anführer und die Institution, die er vertritt, zurückgeben. Gemäß dieser Logik hat die Kirche unter der vertical leadership unter Benedikt XVI. Glaubwürdigkeit, Ansehen und Vertrauen verloren. Jetzt braucht es Kollegialität, jetzt braucht es die Horizontalität von Franziskus, um diese grundlegenden Elemente zurückzugewinnen.
Sind wir aber sicher, daß die horizontal leadership eine geeignete Strategie für eine göttliche Institution wie die Kirche ist, die nicht eine bloß menschliche Einrichtung ist? Für eine Einrichtung, die auf den Glauben an Jesus Christus gegründet ist, auf die Verkündigung des Heils für die unsterbliche Seele und des ewigen Lebens?
Die Ergebnisse dieser Devolution der Kirche von Franziskus werden wir erst in einigen Monaten oder Jahren sehen. Unterdessen schauen wir auf die erzieherische Frage, auf die Strategie zur Selbstdarstellung der Kirche (das heißt der Bischöfe, der Bischofskonferenzen) unter der Jugend. In diesem Bereich ist schon seit einiger Zeit die Horizontalität zu einer umgekehrten Vertikalität geworden. Um die Jugend zu gewinnen verzichtet man auf Autorität, auf die Dimension des Vorbilds der Erwachsenen, der Träger einer Tradition, einer gelebten Vergangenheit, einer Lebens- und Glaubenserfahrung mit ihrer ganzen Weisheit. Stattdessen macht man sich zu Jugendlichen. Und das Ergebnis ist zwangsläufig die völlige Auflösung und Relativierung der Rollen. Wer macht was? Wer lernt von wem? Jugendliche, wie in Mailand, die von einem Weihbischof aufgefordert werden, nach der Wandlung den Leib und das Blut Christi wie der Priester zur Elevation zu erheben. Wie oft war schon in Ansprachen an die Jugend zu hören, die Jugend habe den Bischöfen, den Erwachsenen, dem Papst etwas zu lehren? Was für eine Anbiederung.
Don Giussani [Gründer der Gemeinschaft Comunione e Liberazione/Gemeinschaft und Befreiung) schrieb in einem Aufsatz über ein erzieherisches Risiko: „Um zu erziehen, ist es notwendig auf geeignete Weise die Vergangenheit darzulegen. Ohne die Darlegung der Vergangenheit, der Erfahrung und des Wissens der Vergangenheit, der Tradition, wächst der Jugendliche kopflastig und skeptisch heran. Wenn ihm niemand nahelegt, eine Arbeitshypothese zu bevorzugen, wird sich der Jugendliche eine erfinden, kopflastig, oder er wird zum Skeptiker, was noch bequemer ist, weil er sich nicht einmal die Mühe macht, einer Arbeitshypothese kohärent zu folgen. Es ist die bewußt angenommene Tradition, die einen allumfassenden Blick auf die Realität bietet, die eine Hypothese zur Frage nach dem Sinn bietet, ein klares Bild vom Schicksal.“
Es ist peinlich diese Bischöfe zu sehen, die den Jugendlichen in verständlichen Worten Leuchttürme sein sollten zu Themen wie Ehe, Verantwortung, Glauben, Einsatz für Gott und die Nächsten, die eine weltimmanente Gesellschaft verurteilen sollten, die sie, die Jugend nur als Diener von Marktgesetzen haben will, die sie selbst in der Verzweiflung still, friedlich und zum eigenständigen Handeln unfähig haben will, reduziert auf das Dasein von Konsumenten und abhängig von dem, was ihnen im Fernsehen serviert wird. Stattdessen präsentieren sie sich wie Pubertierende, mit einem kindischen Lächeln von plötzlich angeblich wieder Junggewordenen, wie verweichlichte Kabarettisten. Das ist einfach inakzeptabel. Und nicht etwa weil das Spiel, die Unterhaltung nur eine Pause zwischen zwei ernsten Dingen ist, wie Platon es definierte. Sondern weil das die verbreitetste, sicher mediengerechte Form der Selbstdarstellung der Kirche gegenüber Jugendlichen ist. Das Problem ist, daß man damit das genaue Gegenteil dessen erreicht, was Don Giussani empfohlen hat: „Wir wollen, das ist unser Zweck, die Jugendlichen befreien. Wir wollen die Jugendlichen befreien von der geistigen Sklaverei, von der Uniformierung, die sie zu geistigen Sklaven der anderen macht.“
Dieser Flash Mob unterscheidet sich von der mediengerechten Aufmachung nicht viel von den nationalsozialistischen Großveranstaltungen oder den kommunistischen Choreographien zu Ehren des ‚Geliebten Anführers‘ in Nordkorea, übrigens Inszenierungen, die weit weniger vertrottelt sind. Gleiche Bühnen, gleiche Farbenspiele, gleiche Massenspektakel.
Man stelle sich nun vor, was geschehen wird, wenn diese Bischöfe, die sich in Showmen verwandelt haben, es wagen sollten, gegen Abtreibung oder gegen die Homo-Ehe zu sprechen, es wagen sollten über die Hölle, über die ewige Verurteilung, über das Jenseits und die Seelen und das Seelenheil zu sprechen. Wenn… sie es denn überhaupt wagen sollten. Einige könnten ihnen mit einiger Berechtigung mit verächtlichen Reaktionen antworten.
Text: Fides et Forma
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild/Video: Fides et Forma