(Rom) In Rom findet derzeit die Internationale Tagung Sacra Liturgia 2013 statt. Die treibende Kraft hinter der Tagung, Msgr. Dominique Rey, der Bischof von Toulon-Frejus sagte es in seiner Eröffnungsrede mit klaren Worten: Die Tagung will vor allem ein „Tribut“ an Benedikt XVI. sein. An Benedikt XVI. und die von ihm eingeleitete „Reform der Reform“, einer liturgischen Erneuerung der katholischen Kirche. Dabei geht es darum, die Modernisierung der Riten, wie sie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in einer Hauruckaktion zwischen 1967 und 1970 erfolgte, auf den Prüfstand zu stellen. Auf Distanz einiger Jahrzehnte eine Bilanz zu ziehen und jene Defizite aufzuzeigen, die bisher aufzuzeigen kaum möglich war. Nicht zuletzt wegen einer Begeisterung der liturgischen Reformer, die jeden Widerspruch als „vorkonziliar“ apostrophierten, was einem Schimpfwort gleichkam.
Das Anliegen trug Benedikt XVI. lange mit sich herum. Erst seine Wahl zum Papst machte jedoch ein Handeln möglich. Was den einen schon „entsetzlich“ weit ging, ging den anderen noch nicht weit genug. Der Sinn für das „Machbare“, den Benedikt XVI. schon zu seiner Zeit als Glaubenspräfekt prägte, wurde ihm von den einen angekreidet, und von den anderen dennoch nicht geschätzt. Ihm ging es vor allem um die Wiederentdeckung und die Zurückgewinnung eines Bewußtseins für das Sakrale und das Heilsmysterium. Das Heilige der kultischen Handlung, die Musica sacra, die liturgische Sprache, die sakrale Kunst, die Ehrfurcht vor der Vergegenwärtigung des Heilsopfers, der würdige Empfang der heiligen Kommunion und die eucharistische Anbetung, das war die Agenda Benedikts XVI., um die Kirche zu erneuern und um Fehlentwicklungen eines falschverstandenen Eifers der vergangenen Jahrzehnte zu korrigieren. Sie ist wesentlicher Teil seines Programms der „Entweltlichung“, die in geradezu krassem Widerspruch zur massiv betriebenen Verweltlichung der Kirche steht. Es war eine zutiefst katholische Agenda, die automatisch das katholische Profil schärft gegen eine schleichende Nivellierung im Namen einer neuen „Einheit“, die von manchen, auch katholischen Theologen zum Maßstab aller Dinge erkoren wird. [1]s. Uwe Christian Lay: Die Verweltlichung der Kirche – das Gebot der Stunde?, in: Theologisches, Jg. 44, Heft05/06 (Mai-Juni 2013), S. 233–240
Keine Neuauflage des „Kulturkampfes“ der vergangenen Jahrzehnte
Inzwischen hat Papst Franziskus die ersten 100 Tage seines Pontifikats hinter sich. An den ersten beiden Tagen von Liturgia sacra war unter den mehr als 350 Tagungsteilnehmern an der römischen Universität des Opus Dei keine besonderen Vorbehalte oder eine augenscheinliche Skepsis gegenüber dem neuen Papst erkennbar. Dabei ist allgemein bekannt, daß Papst Franziskus kein besonderes liturgisches Empfinden hat. Zu seinen Prioritäten gehört die Beschäftigung mit liturgischen Fragen nicht. Das gilt auch für die „alte Messe“, der sein Vorgänger als außerordentliche Form des Römischen Ritus mit dem Motu proprio Summorum Pontificum wieder das Heimatrecht in der Kirche zurückgegeben hat.
Es scheint, daß man in der Kirche den „Kulturkampf“ der vergangenen Jahrzehnte nicht neu aufleben lassen will. Das mag auch damit zusammenhängen, daß keine Seite weiß, wie Papst Franziskus reagieren könnte. Damit könnte auch der selber, der den ersten Stein wirft, zum Verlierer werden. Die Summorum-Pontificum-Gruppen erleben die Übergangsphase geprägt von der Frage, ob die positive Entwicklung unter Benedikt XVI. auch weiterhin anhalten wird. Ob der Trend, den sie repräsentieren, unabhängig vom jeweiligen Pontifex erfolgt. Einiges spricht dafür und wird auch registriert. Man scheint daher auf Ruhe zu setzen, um keine unnötigen Gegenschläge abwehren zu müssen. Die Älteren unter den traditionsverbundenen Priestern und Laien haben die Zeit der „Quarantäne“ noch lebhaft in Erinnerung. Die Jüngeren sind unbeleckter und daher unbefangener im Vorwärtsschreiten. Auch da will der richtige Ausgleich zwischen den Vorsichtigeren und den Ungestümeren gefunden werden. Schließlich geht es um die Frage von Evangelisierung und Neuevangelisierung. In beiden Bereichen liegt ein riesiges Betätigungsfeld brach, das die Gruppen der Tradition für sich zu entdecken beginnen.
Kardinal Ranjith: Latein „das in der Kirche am meisten geliebte Waisenkind“
Kardinal Ranjith, der Erzbischof von Colombo unterstrich die Bedeutung des Latein als Sakralsprache für den Kultus, die von den „Neuerern“ entgegen dem Willen des Konzils, fast völlig ausgetilgt worden sei. Latein „ist das in der Kirche am meisten geliebte Waisenkind“ so der Kardinal, der darauf verwies, aus einem Missionsland zu kommen, in dem Latein nicht Teil der eigenen kulturellen Vergangenheit ist und von einem Großteil der Menschen nicht verstanden wird. „Aber es ist ein Fehler, zu glauben, daß eine Sprache immer von allen verstanden werden müsse. Die Sprache, wie wir wissen, ist ein Kommunikationsmittel für eine Erfahrung, die, in den meisten Fällen, weit umfassender ist, als die Worte selbst. Sprache und Worte sind daher zweitrangig und kommen in der Wichtigkeitsskala nach der Erfahrung und der Person. Die Sprache bringt immer eine kenosis mit sich, das heißt eine Verarmung ihres Ausdrucks. Je öfter eine Erfahrung durch Übersetzung in eine andere Sprache übertragen wird, desto mehr neigt sie dazu immer weniger die Originalität des Ereignisses zum Ausdruck zu bringen.“
Der Kardinal betonte die Notwendigkeit, die von Papst Benedikt XVI. gewünschte „Reform der Reform“ voranzubringen. „In der Tat reflektieren einige Elemente des usus antiquior besser den Sinn des Staunens und der Verehrung, mit dem wir gerufen sind, die Ereignisse auf Kalvaria in unseren eucharistischen Zelebrationen zu vergegenwärtigen.“ Die Bezeichnungen „usus antiquior und novus ordo“ hält der Kardinal für falsch, „denn das Opfer auf Kalvaria ist nie alt, sondern immer neu und aktuell“.
Liturgie reinigen von falschen Konzeptionen, die Konzilsväter nie gewollt haben
„Ein anderer Aspekt eines wirklich grundlegenden Erneuerungsprozesses der Kirche ist die Notwendigkeit, wegen der entscheidenden Rolle, die der Kult in ihrem Leben und ihrer Mission hat, die Liturgie von einigen falschen Konzeptionen zu reinigen, die von einigen Liturgikern in der Reformeuphorie nach dem Konzil eingeführt wurden, was, das muß anerkannt werden, nie in der Absicht der Konzilsväter stand, als sie die Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium approbierten.
Rowlands Provokation für die traditionsverbundenen Gruppen
Ungewohnt lebendig für eine Fachtagung wurde es durch das Referat von Tracey Rowland. Die Professorin für politische Philosophie am John Paul II Institute for Marriage and Family, im australischen Melbourne forderte die traditionsverbundenen Gruppen auf, auch etwas Selbstkritik zu üben. Dem Geist der Moderne widerstehen könnte zuweilen auch zu überzogenen Formen führen, so etwa, „wenn man die eigenen Frauen und Kinder wie Waisen einer Amish-Farm kleidet“.
Für Rowland bleibe die Anziehungskraft der tridentinischen Messe trotz der Freigabe durch Papst Benedikt XVI. auf „normale“ Katholiken begrenzt, solange sie als kirchenpolitischer Ausdruck einer bestimmten Gruppe in der Kirche wahrgenommen werde.
Jugend zeigt unvoreingenommenes Interesse an Tradition – „Entideologisierung“
Auch Rowland bestätigte allerdings, was andere Referenten bereits aufgezeigt hatten, daß gerade unter der Jugend viele mit unvoreingenommener Neugierde und Interesse auf die Tradition blicken, „so als wären es Schätze in Großmutters Dachboden“.
So läßt sich in den Summorum-Pontificum-Gruppen eine gewisse „Entideologisierung“ feststellen. Vorrangig sind die Pflege des überlieferten Ritus und die der eigenen Positionen, nicht mehr das plakative Hervorkehren der Gegenposition zu anderen Teilen in der Kirche. Dieser Wechsel von einer Anti- zu einer Pro-Position scheint einen Paradigmenwechsel in den traditionsverbundenen Kreisen anzukündigen. Der Gegensatz zu anderen, häufig abgelehnten Positionen werde „implizit“ ohnehin deutlich. Eine Änderung, die ein neues Selbstbewußtsein erkennen läßt.
Deutlich wurde dies auch auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Programms der 2. Internationalen Wallfahrt der Tradition nach Rom, die wie bereits im Vorjahr ihren Höhepunkt mit einem Pontifikalamt in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus im Petersdom haben wird. So sagte Abbé Claude Barthe, der geistliche Assistent der Wallfahrt auf die Tradition gemünzt: „Papst Franziskus hat großes Interesse für alles, was das Gesicht der Kirche erneuern und verjüngen kann. Es scheint, daß dieser Papst, der aus der Ferne kam, mit einer intuitiven Intelligenz verstanden hat, welches in dieser alt gewordenen europäischen Katholizität die lebendigen Kräfte sind.“ Nach Jahrzehnten ideologischer Gegensätze im Inneren der Kirche, so Barthe, „fallen die Trennwände“. Das werde nicht nur daran sichtbar, daß etwa in Frankreich 15 Prozent der Neupriester für Gemeinschaften der Tradition geweiht werden, sondern vor allem durch die wachsende Zahl von Diözesanpriestern, die Interesse für den Alten Ritus zeigen und durch die Diözesanseminaristen, die auch im Alten Ritus ausgebildet würden.
Das Thema Piusbruderschaft scheint vorerst vom Tisch
Das Scheitern der Gespräche zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X., deren Bischöfe heute in Econe ihr Silbernes Weihejubiläum mit einem gemeinsamen Hirtenbrief begingen, ist offiziell kein Thema. Auf Nachfrage zeigt sich ein differenziertes Bild. Manchmal schimmern noch die Hoffnungen durch, die man im vergangenen Jahr auf eine Einigung gesetzt hatte. Auch manch Ärger über die zurückgewiesene „ausgestreckte Hand“ Benedikts XVI. Allgemein scheint das Thema vorerst jedoch vom Tisch zu sein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Sacra Liturgia 2013
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↑1 | s. Uwe Christian Lay: Die Verweltlichung der Kirche – das Gebot der Stunde?, in: Theologisches, Jg. 44, Heft05/06 (Mai-Juni 2013), S. 233–240 |
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