(Bangui) Eine halbe Million Menschen riskiert bis Jahresende in der Zentralafrikanischen Republik zu verhungern. Dies gab das UNO-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in seinem am 21. Juni veröffentlichten Bericht bekannt. Schuld an der Not sind Krieg und Plünderungen durch Soldaten der Seleka, jener Rebellen-Allianz, die heute die Regierung des Landes stellt.
Die katholische Kirche ist über die Caritas im Einsatz, um die ärgste Not der Menschen zu lindern. Pater Elysée Guedjandé, der Caritas-Direktor von Zentralafrika koordiniert die Verteilung von Hilfsgütern, vor allem von Saatgut, damit die Menschen anbauen können, was sie zum Leben und Überleben brauchen. An 85 Punkten in sieben Diözesen des Landes sind Verteilstellen eingerichtet worden.
Pater Elysée nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Er beklagt den „furchtbaren“ Schaden, den eine marodierende Soldateska verursacht. Und er meint damit „wildgewordene“ Zellen von Regierungstruppen, die immer wieder Caritas-Stellen überfallen und die Hilfsgüter für die Bervölkerung rauben. Die Caritas hat bereits einen Verlust von 22 Fahrzeugen zu beklagen, die sich Milizionäre, die durch den Putsch vom 24. März über Nacht zu Regierungstruppen wurden, unter den Nagel gerissen haben.
„Die Sicherheitslage im Land ist prekär“ so Pater Elysée. „Am 19. Juni drangen Soldaten der Seleka in das Regierungsamt für Soziale Sicherheit in Bangui ein und nahmen unter anderem vier Fahrzeuge mit. Die Regierung selbst behindert auf schwerwiegende Weise die Hilfsmaßnahmen für die eigene Bevölkerung“. Die Regierungstruppen behaupten jedoch, vom neu installierten Staatspräsidenten Michel Djotodia „Sondervollmachten“ erhalten zu haben. „Sie beschlagnahmen willkürlich Fahrzeuge und ersetzen die Autokennzeichen mit Aufschriften wie: ‚Der Tod schert uns nicht‘ oder ‚Ob sie es wollen oder nicht: wir kommen‘. Sie ziehen marodierend herum, plündern was es zu plündern gibt und wenden teils schreckliche Gewalt gegen Menschen an“.
Opfer der Seleka-Gewalt sind „fast immer Christen und Anhänger von Naturreligionen“, so Pater Elysée. Der Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik hat einen eindeutig religiösen Hintergrund. Die Seleka-Allianz ist eine islamische Rebellentruppe. Es geht nicht nur um die Macht im Land, sondern um die Islamisierung des Landes.
„In Dekoa“, so Pater Elysée, „gingen 225 Häuser in Flammen auf. Sie waren alle ausnahmslos von Christen. Kein Zufall.“ Gleiches gilt für die Diözese Bangasso, wo mehr als 500 Häuser von Christen niedergebrannt wurden. Erzbischof Dieudonné Nzapalainga von Bangui organisierte bereits mehrere Treffen mit den örtlichen Vertretern der protestantischen Gemeinschaften, aber auch mit dem Imam der Hauptstadt, um der Gewalt ein Ende zu bereiten.
Vom 12. bis 23. Juni versammelten sich alle katholischen Bischöfe des Landes in Bangui. In einer Botschaft wandten sie sich am vergangenen Sonntag an alle Menschen des Landes mit der Frage: „Nie hat unser Land einen so schlimmen, langen und gewalttätigen Konflikt gesehen. Steckt hinter dem allem eine geheime Absicht?“ Die Anspielung ist recht offen: Nur knapp zehn Prozent der Bevölkerung sind Moslems. Staatspräsident Djotidia schrieb, als er noch Rebellenchef war und noch nicht die Macht im Land an sich gebracht hatte, einen Brief an die „Umma“ und forderte alle Moslems der Welt auf, den „Glaubensbrüdern“ in Zentralafrika zu helfen. Im Gegenzug dafür versprach er eine Zwangsislamisierung des ganzen Landes, sobald die Seleka die Macht im Land übernommen haben werde.
Die Bischöfe beklagen in ihrer Botschaft die „unübersehbare Entschlossenheit“, mit der Seleka-Truppen die Kirchen der Christen geschändet und zerstört haben. Wörtlich schrieben die Bischöfe: „Die Einheit des zentralafrikanischen Volkes wurde durch die Aktionen von Muslimbrüdern in Frage gestellt, die wir verurteilen.“ Im Schlußwort richten sie einen Appell an die Bevölkerung: „Die Krise bedeutet die Gefahr eines großen Religionskonfliktes und einer Implosion des sozialen Netzes. Wir aber laden die Christen ein, sich für die Versöhnung und den sozialen Wiederaufbau einzusetzen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides