(Rom) Zur Sommersonnenwende 1963 wurde Papst Paul VI. gewählt. Nach einem kurzen, aber stürmischen Konklave erschien vor 50 Jahren der bisherige Erzbischof von Mailand, Giovanni Maria Montini auf der Zentralloggia des Petersdoms und wurde der Welt als neuer Stellvertreter Christi auf Erden vorgestellt.
Kardinal Montini war von einer starken Mehrheit der Kardinäle gegen den Erzbischof von Genua, Giuseppe Kardinal Siri zum Nachfolger von Papst Johannes XXIII. gewählt worden. Der entscheidende Punkt dafür war die Richtung, in die das tagende Konzil steuern sollte. Die Mehrheitsrichtung auf dem Konzil setzte sich auch im Konklave durch.
Die Rolle Pauls VI. bei der größten Kirchenversammlung des 20. Jahrhunderts ist umstritten. Er schien zunächst alle Punkte jener treibenden Kräfte des Konzils zu erfüllen, die ihn auf den Stuhl Petri gehoben hatten. Unverkennbar ist aber ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Suche nach der Handbremse, die er immer mehr anzuziehen versuchte. Der Erfolg scheint mäßig, zu unterschätzen ist er allerdings nicht.
Höhepunkt seines Pontifikats war sicherlich die prophetische Enzyklika Humanae vitae, die der Montini-Papst am 25. Juli 1968 veröffentlichte. Sie bedeutete gleichzeitig die maximale Isolation für den Papst, der 1963 von einer triumphalistischen Mehrheit zum Nachfolger des Petrus gemacht worden war. Nun hatten sich die Papstmacher von damals von ihm abgewandt. Mehr noch: im deutschen Sprachraum reagierten die Bischöfe mit demonstrativem Ungehorsam durch die Erklärungen von Königstein (Deutsche Bischofskonferenz), Mariatrost (Österreichische Bischofskonferenz) und Solothurn (Schweizer Bischofskonferenz). Nur die österreichischen Bischöfe haben 20 Jahre später, kurz vor dem Österreich-Besuch Johannes Pauls II. 1988 die Mariatroster-Erklärung bedauert.
Aber hören wir, was Paul VI. 1968 zu lombardischen Seminaristen sagte:
Viele erwarten sich vom Papst aufsehenerregende Schritte, energische und entschiedene Eingriffe. Der Papst hält es nicht für angemessen, einer anderen Linie zu folgen, als dem Vertrauen in Jesus Christus, dem seine Kirche mehr am Herzen liegt, als jedem anderen. Er wird den Sturm glätten. Wie viele Male hat der Meister wiederholt: „Confidite in Deum. Creditis in Deum, et in me credite!“ Der Papst wird der Erste sein, der diesem Auftrag des Herrn folgt und sich ohne Beklemmung und unangemessene Ängsten dem geheimnisvollen Spiel der unsichtbaren, aber gewissen Hilfe Jesu für seine Kirche ausliefert. Es handelt sich nicht um ein steriles und untätiges Warten, sondern um ein Warten in der Wachsamkeit des Gebets.
Die Grundidee in diesen Worten Pauls VI., daß es nicht der Geltungsdrang des Papstes ist, der die Kirche letztlich lenkt, wurde von Papst Benedikt XVI. während seines gesamten achtjährigen Pontifikats vorgelebt. Er brachte diese Überzeugung noch einmal bei seiner letzten Generalaudienz am 27. Februar auf dem Petersplatz zum Ausdruck:
„[…] ich habe immer gewußt, daß das Boot der Kirche nicht mir, nicht uns gehört, sondern ihm. Und der Herr läßt sie nicht untergehen; er ist es, der sie lenkt, sicherlich auch durch die Menschen, die er erwählt hat, denn so hat er es gewollt. Das war und ist eine Gewißheit, die durch nichts verdunkelt werden kann.“
Ein mahnendes Wort, das auf die Frage seiner Nachfolge gemünzt war, aber jedem Katholiken gilt, letztlich jedem Christen und jedem Menschen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Concilio e Postconcilio