„Muß der Papst jede Pizza einer Trattoria in Trastevere vor laufenden Kameras segnen?“ Francisco de la Cigoña über die Würde des Papstamtes


Papst Franziskus Daumen nach oben wie Politiker Filmstars(Madrid/​Rom) Der spa­ni­sche Kir­chen­hi­sto­ri­ker Fran­cis­co Fernán­dez de la Cigo­ña, ein in der spa­nisch­spra­chi­gen Welt bekann­ter katho­li­scher, nicht tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ner Blog­ger, gehör­te zu den schärf­sten Kri­ti­kern von Jor­ge Mario Kar­di­nal Berg­o­glio als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires. Daß aus­ge­rech­net der argen­ti­ni­sche Pri­mas von den Kar­di­nä­len als geeig­ne­ter Nach­fol­ger Bene­dikts XVI. und des Men­schen­fi­schers erach­tet wur­de, den de la Cigo­ña noch am Vor­mit­tag des 13. März, weni­ge Stun­den vor der Wahl von Papst Fran­zis­kus im Zusam­men­hang mit der jüng­sten Beset­zung der Kathe­dra­le von Bue­nos Aires kri­ti­siert hat­te, muß­te gera­de­zu ein Schock gewe­sen sein.

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De la Cigo­ña kom­men­tier­te das Habe­mus Papam jedoch mit eben­so pro­fes­sio­nel­ler Dis­zi­plin, wie katho­li­scher Anhäng­lich­keit: „Kar­di­nal Berg­o­glio ist tot, es lebe Papst Franziskus“.

Mehr­fach beton­te er seit­her, daß es wenig Sinn habe, jeman­den schon wäh­rend der ersten 100 Tage im Amt zu kri­ti­sie­ren. Viel­mehr ver­öf­fent­lich­te er mehr­fach Anspra­chen des neu­en Pap­stes, die ihm „sehr gut gefie­len“. Nach 20 Tagen des neu­en Pon­ti­fi­kats scheint ihm zumin­dest in einem Punkt der selbst­auf­er­leg­te Gedulds­fa­den geris­sen zu sein. Am Oster­mon­tag ver­öf­fent­lich­te er einen län­ge­ren Kom­men­tar unter dem Titel Der Papst ist weder ein Pfar­rer noch ein Bischof. Dabei geht er auf das in den ersten drei Wochen vor allem von demon­stra­ti­ven Gesten gepräg­te Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus ein, der den Gläu­bi­gen statt den Segen zu spen­den, medi­en­ge­recht, aber wenig reli­gi­ös den Dau­men nach oben zeigt nach dem Mot­to „Alles super, alles toll“. Ob ihn noch nie­mand dar­auf auf­merk­sam gemacht hat, daß die­se Hand­be­we­gung nicht über­all auf der Welt gut ankommt, etwa in der Tür­kei, wo man sie als Auf­for­de­rung zu homo­se­xu­el­ler Unzucht versteht?

Wir doku­men­tie­ren den Kom­men­tar von Fran­cis­co Fernán­dez de la Cigo­ña in deut­scher Übersetzung:

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Der Papst ist weder ein Pfarrer noch ein Bischof

von Fran­cis­co Fernán­dez de la Cigoña

Wie immer gebe ich Ihnen mei­ne per­sön­li­che Mei­nung wider, die nicht geteilt wer­den muß. Es ist nicht die Stim­me der Kir­che, wenn ich auch mit die­ser zu spre­chen ver­su­che. Manch­mal wird dies gelin­gen, ande­re Male nicht. Nicht aus Man­gel an Wil­len, son­dern aus Man­gel an Wissen.

Was Papst Fran­zis­kus anbe­langt, so wird uns, zumin­dest bis jetzt, das Bild des Pap­stes als Pfar­rer oder des Pap­stes als Bischof ver­kauft: Er ist so ein­fach und so beschei­den, daß er gar nicht Papst sein möch­te. Und er ver­steckt sein Papst­sein, wo er nur kann. Bei sei­nen Schu­hen wie bei sei­nem Ring, bei sei­nem Brust­kreuz und bei sei­nen Klei­dern, bei sei­ner Woh­nung und bei sei­nem Ver­hal­ten … er lebt mit allen, er redet mit allen, und es scheint, als wür­de er sich nichts ande­res wün­schen. Er ist nicht ein­mal ein Pri­mus inter pares.  Nicht der Kar­di­nä­le, und nicht ein­mal der Bischö­fe, der Prie­ster, der Gärtner …

Am Ende sei­ner täg­li­chen Mes­se grüßt er die Kon­ze­le­bran­ten und die Gläu­bi­gen, die dar­an teil­ge­nom­men haben an der Kapel­len­tür wie ein Pfar­rer. Er ruft sei­ne Freun­de am Tele­fon an, um ihnen Fro­he Ostern zu wün­schen, er eilt her­bei die Rech­nung für sei­ne Unter­kunft zu bezah­len und eines Tages wer­den wir ihn im Fern­se­hen sehen, wie er sei­ne schon berühm­ten schwar­zen Schu­he putzt. Man­che spie­len schon das Spiel „Wo ist der Ring?“ mit der Fra­ge, ob er heu­te den Ring des Pap­stes, des Bischofs oder gar kei­nen tra­gen wird.

Nichts von dem muß Gegen­stand der Kri­tik sein, auch wenn man sich nicht dar­an begei­stern muß, was nicht weni­ge tun. Und ihn dabei auch noch im Gegen­satz set­zen zu denen, die ihm im Pon­ti­fi­kat vor­aus­ge­gan­gen sind: „Der schon ist gut und nicht Bene­dikt oder Johan­nes Paul“. Auch wenn das dem Wil­len von Papst Fran­zis­kus fremd sein mag.

Uns hat ein mini­ma­li­sti­scher Papst in sei­ner Erschei­nung als Papst berührt. Wir waren das nicht gewöhnt. Wir nor­ma­le Katho­li­ken, aus­ge­nom­men also jene, die das nur von sich behaup­ten, aber die Kir­che ableh­nen, haben eine sol­che Ver­eh­rung für den Stell­ver­tre­ter Chri­sti, daß alle For­men des gebüh­ren­den Respekts uns noch zu wenig schie­nen. Und im Lau­fe der Jahr­hun­der­te haben sich vie­le For­men ange­sam­melt. Eini­ge waren schon im zu Ende gegan­ge­nen Jahr­hun­dert unzeit­ge­mäß, wie die Sedia gest­a­to­ria und die Tia­ra. Es war Zeit, daß sie weg­ka­men und zu Muse­ums­stücken wur­den. Ohne daß etwas pas­siert ist. Ich den­ke aber, daß es gut ist, daß der Stell­ver­tre­ter Chri­sti als Haupt der Kir­che mit respekt­vol­ler Lie­be umge­ben wird. Und daß es nicht gut wäre, ihn von die­sem Respekt zu ent­blö­ßen oder daß er sich selbst des­sen entblößt.

In Spa­ni­en hat­ten wir jenen bemit­lei­dens­wer­ten Bischof „nennt mich Ramon“, der, obwohl noch am Leben, von allen ver­ges­sen wur­de. Ich will nicht behaup­ten, daß das nun der Fall ist, aber allein schon eine gewis­se Ähn­lich­keit mit die­sem erschreckt mich. Nicht für jeden anzie­hend, aber für vie­le absto­ßend. Die Nähe suchen ist schon gut, aber ohne Kum­pel­haf­tig­keit und mit weni­ger Geschmacklosigkeit.

Gott benutzt die uner­war­tet­sten Wege, damit sei­ne Gna­de in die Her­zen der Men­schen dringt. Und einer von ihnen kann zwei­fels­oh­ne die Schlicht­heit und Demut eines Pap­stes sein. Kann sein. Sicher ist das aber nicht. Hat man die­se Sicher­heit, wenn der Papst jeden Tag die Piz­za in einer Trat­to­ria von Tra­ste­ve­re seg­net? Und die Köchin küßt, weil sie sie so gut zube­rei­tet hat? Und das alles vor lau­fen­den Fern­seh­ka­me­ras? Ich habe den Ein­druck, es kann sein, daß ich mich irre, daß das nicht jedem gefällt, ganz im Gegenteil.

Der Papst hat ein Amt inne, das weit über das eines Pfar­rers oder eines Bischofs hin­aus­ragt. Jeder wird es nach sei­nen per­sön­li­chen Nei­gun­gen aus­fül­len. Dabei muß er aber die per­sön­li­chen Nei­gun­gen teil­wei­se der immensen Ver­ant­wor­tung unter­ord­nen, die mit die­sem Amt auf sei­ner Per­son lastet. Und weil die Augen der gan­zen Welt auf ihn gerich­tet sind.

Das ist mei­ne Mei­nung. Rich­tig oder falsch. Und als sol­che lege ich sie dar.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: UCCR

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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