(Rom) Die Mythos der „reichen Kirche“ hat sich in vielen Köpfen festgebissen. Die Definition ist so vage, daß jede Auslegungsmöglichkeit hineinpaßt. Schnell ist die Rede von phantastischen Reichtümern und ebenso schnell von Verschwendung oder undurchsichtigem Geldgebaren – meist zur Bestätigung eigener Vorurteile. Der Hinweis, daß es überall schwarze Schafe gibt, ist völlig überflüssig.
Die Internetseite Documentazione.info erstellte eine interessante Dokumentation darüber, wie die katholische Kirche ihr Geld einsetzt. Gerne gefallen sich manche darin, aufgeblasene Listen kirchlicher Schätze in barer Münze vorzurechnen, nur wenige machen sich jedoch die Mühe, die soziale (und auch wirtschaftliche) Leistung der Kirche zu beziffern. Der Großteil der kirchlichen Aktivitäten kommt direkt der Allgemeinheit zugute. Die Leistungen im Bildungs‑, Gesundheits- und Sozialwesen sind weltweit so enorm, daß sie gar nicht beziffert werden können. Aufgrund des vielfach ehrenamtlichen Einsatzes sind die Leistungen der katholischen Kirche schier unbezahlbar. Die Kirche hilft durch Tausende von kleinen, großen und internationalen Initiativen häufig dort, wo sonst niemand hilft. Durch das kapillare Netz an Pfarreien erreicht sie auch die entlegensten Flecken der Erde und erhält auf direktem Weg von überall her Informationen aus erster Hand. Ein Wesensmerkmal katholischer Hilfsleistungen ist, daß die Kirche um ein Vielfaches mehr gibt, als sie durch öffentliche Förderungen unter welchem Titel auch immer bekommt.
Einige Zahlen der Dokumentation, die nicht den deutschen Sprachraum betreffen, um sich ein Bild machen zu können:
Staatshaushalt des Vatikans
Jedes Jahr veröffentlicht der Vatikan die Abschlußbilanz, die allgemein zugänglich gemacht und von jedem eingesehen werden kann. Im Haushaltsjahr 2009 beliefen sich die Einnahmen auf rund 250 Millionen Euro, die Ausgaben auf etwa 254 Millonen, mit einem Minus von vier Millionen. 2011 konnte hingegen ein Überschuß von 15 Millionen verzeichnet werden. Wen sollen diese Zahlen aber wirklich beeindrucken?
Allein die Universität von Harvard mit ihren 20.000 Studenten verfügt über ein Jahresbudget von 3,7 Milliarden Dollar, also elf Mal soviel wie der Gesamthaushalt des Vatikans.
Allein die italienische Präsidialkanzlei, also nur der Staatspräsident und sein Hofstaat samt seiner Leibwache, den Kürassieren, wie sie auch der französische Staatspräsident zur Verfügung hat, kostet mit 235 Millionen Euro soviel wie die gesamte Leitung der katholischen Weltkirche samt ihren international tätigen Einrichtungen.
Vatikanbank: Das Vermögen der IOR
Die 1942 entstandene Vatikanbank hat keine Gewinnerzielungsabsicht. Ihre Aufgabe ist es, die Kirche von weltlichen Banken, die anderen Staaten unterstehen, unabhängig zu machen und damit möglicher Einflußnahme politischer oder ökonomischer Art zu entziehen. Sie ist die Lieblingsspielwiese aller Verschwörungstheoretiker. Die Gesamteinlagen der IOR belaufen sich auf insgesamt sechs Milliarden Euro. Das ist weniger als die Hälfte des Privatvermögens, das der reichste Mann Italiens sein eigen nennen kann. Und der reichste Mann Italiens gehört noch lange nicht zur Topklasse der Hyperreichen dieser Erde, die mit einem Wink mehr Vermögen bewegen können als ganze Staatengruppen zusammen. Abgesehen davon, gehört nur ein Teil von diesen sechs Milliarden dem Vatikan. Der Rest verteilt sich vor allem auf Ordensgemeinschaften, Diözesen, katholische Gemeinschaften, Bewegungen und Organisationen.
Aktivitäten in den USA
In den USA (und das gilt für die viele Staaten der Erde) ist die katholische Kirche laut Economist die größte Hilfsorganisation des Landes. Im Land von Präsident Barack Obama, in dem nur 23 Prozent der Einwohner Katholiken sind, gibt es 630 katholische Krankenhäuser, das sind elf Prozent aller Krankenhäuser sowie mehr als 6800 katholische Schulen und 244 Colleges und Universitäten. Allein die katholischen Hilfseinrichtungen geben mehr als 65.000 Menschen Arbeit und helfen jährlich mehr als zehn Millionen US-Bürgern (oder mehr als drei Prozent der Gesamtbevölkerung). Die katholische Kirche gab allein im Jahr 2010 in den USA mehr als 4,7 Milliarden Dollar für die Armenfürsorge aus. Gelder, die zum größten Teil von Katholiken gespendet und nur zum kleineren Teil durch Zinsen, Mieteinnahmen, Einnahmen für Dienstleistungen aufgebracht wurden.
Aktivitäten in Spanien
Das deutsche (und österreichische) Kirchensteuersystem ist in der übrigen Welt unbekannt. In Spanien können die Bürger bei ihrer jährlichen Steuererklärung entscheiden, ob sie eine bestimmte Quote ihres Steueraufkommens der katholischen Kirche (oder anderen Religionsgemeinschaften oder dem Staat) zukommen lassen. Die katholische Kirche gibt auch in Spanien weit mehr für die Allgemeinheit aus als sie über die Steuereinnahmen erhält. Sie betreut jährlich mehr als 3,5 Millionen Menschen (das sind gut acht Prozent der Gesamtbevölkerung) in rund 4900 katholischen Einrichtungen (Krankenhäuser, Altersheime, Caritaseinrichtungen, Einrichtungen für Drogenentzug, ehemalige Strafgefangene, Obdachlose, bedrohte Frauen, Scheidungsopfer, Waisenhäuser, Einwanderer).
Spanien (aber nicht nur) kann exemplarisch für einen weiteren Nutzen genannt werden, den die Gesamtwirtschaft durch die katholische Kirche hat. Das katholische Brauchtum zieht jährlich große Scharen an Touristen an, etwa zur Karwoche mit den pitoresken und geheimnisvollen Formen christlicher Frömmigkeit. Ein alles andere denn zu unterschätzender Impuls für die spanische Fremdenverkehrswirtschaft. 15 spanische Orte gelten als internationale Touristenziele in der Karwoche, 36 weitere zumindest als nationale. Für die Wirtschaft von Sevilla als internationalem Ziel bringt die Karwoche derzeit rund 240 Millionen Euro an Einnahmen (womit wir wieder beim Volumen des Gesamthaushaltes des Vatikans wären), für Cordoba als nationalem Ziel immerhin auch noch 42 Millionen. Hinzu kommen große Wallfahrtsorte, die wesentlich von Pilgern und Touristen leben. Der Pilgerweg nach Santiago de Compostela brachte der Wirtschaft 2010 1,485 Milliarden Euro ein. In jenem Jahr wurden offiziell (gemäß Pilgerausweisen) 270.818 Pilger gezählt, von denen nur fünf Prozent angaben, den Weg nicht wegen religiöser Motive zurückgelegt zu haben.
Aktivitäten in Italien
In Italien gibt es ein freiwilliges Kirchensteuerwesen wie in Spanien. Auch hier gilt, daß die Kirche weit mehr gibt, als sie bekommt. Sie erhält über das staatlich geregelte Steuerwesen von ihren Gläubigen jährlich etwa eine Milliarde Euro, gibt aber mindestens elf Milliarden für die Allgemeinheit an Geld und Dienstleistungen aus. Über das in den anderen Ländern bereits Gesagte, leisten allein die Pfarreien in Italien direkt vor Ort eine jährliche Sozialhilfe von mindestens 260 Millionen Euro für Notleidende und Hilfsbedürftige. Gut 70 Prozent des gesamten künstlerisches Reichtums des Apenninenhalbinsel ist Sakralkunst (Kirchen, Klöster, Gemälde, Fresken). Von 95.000 Kirchen gelten mehr als 85.000 als Kulturgüter, ebenso 1535 Klöster und 3000 Denkmäler, Gedenkstätten, historische Friedhöfe, Kapellen, Bildstöcke, 5500 Bibliotheken, 26.000 Archive und mehr als 700 Museen und Kunstsammlungen.
Aktivitäten weltweit
Das anhand von drei Beispiele angedeutete gilt weltweit. Die katholische Kirche bringt in allen Ländern der Welt (die Ausnahmen lassen sich an einer Hand abzählen) neben den religiösen und kultischen Aktivitäten auch soziale Initiativen voran (Bildungs- und Gesundheitswesen, Sozialfürsorge usw.) mit enormen positiven sozialen und auch wirtschaftlichen Auswirkungen. Obwohl „nur“ 16 Prozent der Weltbevölkerung katholisch sind, garantiert die katholische Kirche laut Angaben der UNO 26 Prozent der gesamten Gesundheitsversorgung der Welt.
Die Caritas Internationalis (neben den nationalen und diözesanen Caritaseinrichtungen) half 2011 mit ihrer internationalen Notfallhilfe wegen Naturkatastrophen und bewaffneten Konflikten mehr als zwei Millionen Menschen mit 1,3 Milliarden Euro und weiteren 600 Millionen für die Armutsbekämpfung. Nicht einmal die Hälfte davon wird ihr von internationalen Institutionen zur Verfügung gestellt. Der Großteil wird durch Privatspenden aufgebracht. Um nur einige Beispiele zu nennen: Im Januar 2011 wurden Tausende von Familien nach starken Monsunregen obdachlos. Die Caritas richtete direkt für 15.000 Menschen Feldküchen ein und lieferte für 270.000 Menschen die nötigen Nahrungsmittel. In Pakistan errichtete die Caritas Internationalis nach schweren Überschwemmungen im August 2011 Zeltstädte für 8171 Familien und garantierte die medizinische Versorgung für 250.000 Patienten in eigens errichteten Feldlazaretten. Das Generalsekreatriat der Caritas, einer Hilfseinrichtung mit Sitz im Vatikan, koordiniert Hilfsleistungen für ein Gesamtvolumen von drei Milliarden Euro im Jahr.
Text: UCCR/Giuseppe Nardi
Bild: UCCR
Ein gut recherchierter Artikel, den man wirklich gelesen haben sollte.
Vielen Dank dafür,
ein sehr guter Bericht, der aufschlußreich ist und gute Argumente liefert.
Schade das es unterlassen wird, die deutsche Situation zu beleuchten.
Als einziges Land besteht ein zwanghafter Zusammenhang zwischen der Kirchensteuerzahlung und der Mitgliedschaft.
Der Austritt aus der Steuergemeinschaft zieht eine Exkommunikation nach sich, sprich einem gläubigen Katholiken ohne Zahlung, werden Sakramnete und Hilfsleistungen in Deutschand verweigert.
Ein Skandal, vor allem wenn man bedenkt, welche wirtschaftliche Macht die kath.Kirche in Deutschland darstellt.
Sie gehört zu den größten Grundbesitzern, ist drittgrößter Arbeitgeber und generiert Milliardenumsätze über ihre wirtschaftlichen Beteiligungen.
Ihre Bischöfe sind mehr Manager im Kirchenrock als Seelsorger und präsentieren sich auch „standesgemäß“ mit Prachtwohnungen, Dienstwagen der Oberklasse und Urlauben in den schönsten Urlaubsorten.
Kunst und Kultur wird gefördert, gleichgültig ob christlicher Inhalt oder nicht, Hauptsache schöngeistig.
Es scheint im Zuge des Zeitgeistes zu sein, sich besonders abgehoben vom Volk zu präsentieren, ob in der Politik oder als reicher Kirchenfürst, der entscheidet wer Geldzuwendungen bekommt, oder wer nicht.
Dieser Zustand hat vor allem in Deutschland, auch zu einer Überheblichkeit in Klerikerkreisen geführt, die in völliger Überschätzung der eigenen Wichtigkeit glauben, der Weltkirche einzugeben, wie es funktionieren muß.
Viele Alleingänge sind dann die Konsequenz, die auf romtreue Katholiken befremdlich wirken.
Alles in allem ist dieses System zwar sehr profitabel, aber ein absolutes Warnsignal, wie das Geld die Kirche kaputtmachen kann.
Ein Bischof wie der Mainzer Kardinal Lehmann war zwar seit Jahren in keiner Kirche seiner Diozese mehr, geschweige denn bei Visitationen und hat fast keine Priesterberufungen zu melden, aber ist vor allem weltkirchlich aktiv.
Dieses System muß dringenst auf den Prüfstand und wird am besten abgeschafft.
Das Vermögen der katholischen Kirche ist quasi unbezahlbar. Wie will man all die Liegenschaften bewerten? Was kostet ein Kölner Dom, ein tolles Gemälde, das Tabernakel, das Christuskreuz? Es kommen aber immer gern Forderungen von der linken Seite, das Vermögen der Kirche den Armen zu geben. Soll nun der Kölner Dom verkauft und das Geld unter das Volk gebracht werden, wo es außer einem kurzen Effekt nichts bringt? Diese Forderung ist doch verrückt.
Es stellt sich immer wieder die Frage nach der Aufgabe der Kirche. Die Hauptaufgabe der Kirche ist es, die Seelen in den Himmel zu führen. Armenfürsorge ist zwar wichtig, aber nachrangig.
Für Deutschland würde ich mir wünschen, dass das Kirchensteuersystem abgeschafft wird. Diese Körperschaft öffentlichen Rechts ist eine Katastrophe. Wir haben viel Geld dank Steuer, aber wo sind die Katholiken mit einem unerschütterlichen Glauben? Wo sind die Herren Bischöfe, wenn es mal für den Schutz der Ungeboren zu Streiten gilt. Im Managerseminar?
Bravo genau richtig, danke dafür !
Früher wurde man gefragt: „Was erwartet ihr von der Kirche ?“ Und die Antwort lautete.„Den Glauben“ !
Was ist davon noch übriggeblieben ?