Roberto de Mattei: Wird Papst Franziskus den Ursachen der Krise entgegentreten? Das Beispiel Hadrians VI.


Habemus Papam Franciscum welche Linie wird Franz I. einschlagen, erkennt er die doktrinellen und moralischen Fehler der jüngsten Vergangenheit?Nach­fol­gend die erste Stel­lung­nah­me des bekann­ten tra­di­ti­ons­ver­bun­de­nen Histo­ri­kers Rober­to de Mat­tei zur Wahl von Papst Franz I. (Fran­zis­kus):

Anzei­ge

Die Kir­che hat einen neu­en Papst: Jor­ge Mario Berg­o­glio. Der erste nicht-euro­päi­sche Papst, der erste latein­ame­ri­ka­ni­sche Papst, der erste namens Fran­zis­kus. Die Mas­sen­me­di­en ver­su­chen über sei­ne Ver­gan­gen­heit als Kar­di­nal, als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und als ein­fa­cher Prie­ster zu erra­ten, was die Zukunft der Kir­che unter sei­nem Pon­ti­fi­kat sein wird. Der Trä­ger wel­cher Revo­lu­ti­on wird er sein? Hans Küng bezeich­net ihn als die „best­mög­li­che Wahl“ (La Repubbli­ca, 14.3.) Aber erst nach der Ernen­nung sei­ner Mit­ar­bei­ter und nach sei­nen ersten pro­gram­ma­ti­schen Reden wird man die Aus­rich­tung des Pon­ti­fi­kats von Papst Fran­zis­kus abschät­zen kön­nen. Für jeden Papst gilt, was 1458 Kar­di­nal Enea Sil­via Pic­co­lo­mi­ni im Augen­blick sei­ner Erwäh­lung zum Papst mit dem Namen Pius II. sag­te: „Ver­geßt Enea, hört auf Pius“.

Die Geschich­te wie­der­holt sich nie genau gleich, die Ver­gan­gen­heit hilft aber, die Gegen­wart zu ver­ste­hen. Im 16. Jahr­hun­dert durch­leb­te die katho­li­sche Kir­che eine nie dage­we­sen Kri­se. Der Huma­nis­mus mit sei­nem unmo­ra­li­schen Hedo­nis­mus hat­te die römi­sche Kurie und selbst die Päp­ste ange­steckt. Gegen die­se Kor­rup­ti­on war die pro­te­stan­ti­sche Pseu­do­re­form von Mar­tin Luther ent­stan­den, die von Papst Leo X. aus der Fami­lie der Medi­ci als ein „Zank unter Mön­chen“ abge­tan wur­de. Die Häre­sie war gera­de dabei sich aus­zu­brei­ten, als nach dem Tod Leos X. 1522 uner­war­tet ein deut­scher Papst, Adri­an von Utrecht, gewählt wur­de, der sich den Namen Hadri­an VI. gab. Die Kür­ze sei­nes Pon­ti­fi­kats ver­hin­der­te es, daß er sei­ne Pro­jek­te zu Ende füh­ren konn­te. Im beson­de­ren gel­te das, wie der bekann­te Papst­hi­sto­ri­ker Lud­wig von Pastor schreibt, für den gigan­ti­schen Krieg gegen die Viel­zahl von Miß­bräu­chen, die die römi­sche Kurie wie fast die gesam­te Kir­che ent­stell­ten. Selbst wenn sein Pon­ti­fi­kat län­ger gedau­ert hät­te, war das Übel in der Kir­che zu sehr ver­wur­zelt, bemerkt von Pastor, als daß ein ein­zi­ges Pon­ti­fi­kat jene gro­ße not­wen­di­ge Ver­än­de­rung bewir­ken hät­te kön­nen. Das gan­ze Übel, das seit meh­re­ren Gene­ra­tio­nen began­gen wur­de, konn­te nur durch eine lan­ge kon­ti­nu­ier­li­che Arbeit über­wun­den werden.

Hadri­an VI. erkann­te das Aus­maß des Übels und die Ver­ant­wor­tung, die Män­ner der Kir­che  dafür tru­gen. Das geht ein­deu­tig aus der Ins­truc­tio her­vor, die der apo­sto­li­sche Nun­ti­us Fran­ces­co Chi­e­re­ga­ti im Namen des Pap­stes am 3. Janu­ar 1523 auf dem Nürn­ber­ger Reichs­tag ver­las. Lud­wig von Pastor unter­streicht die außer­or­dent­li­che Bedeu­tung die­ses Doku­ments, nicht nur um die Vor­stel­lun­gen des Pap­stes zur Erneue­rung der Kir­che ken­nen­zu­ler­nen, son­dern weil es sich um einen Text han­delt, wie es ihn in der Kir­chen­ge­schich­te zuvor noch nie gege­ben hatte.

Nach­dem er dar­in zunächst die luthe­ri­sche Häre­sie ver­wirft, behan­delt er im letz­ten und bedeu­ten­de­ren Teil der Instruk­ti­on das Ver­sa­gen der höch­sten kirch­li­chen Auto­ri­tät vor den Umstürzlern.

Wir beken­nen offen, daß Gott die­se Ver­fol­gung sei­ner Kir­che gesche­hen läßt wegen der Sün­den der Men­schen und beson­ders der Prie­ster und Prä­la­ten. Fest­steht, daß sich die Hand Got­tes nicht zurück­ge­zo­gen hat, weil Er uns nicht ret­ten kann, son­dern weil uns die Sün­de von ihm trennt und Er des­halb uns nicht erhört. Die Hei­li­ge Schrift lehrt ein­deu­tig, daß die Sün­den des Vol­kes in den Sün­den der Geist­lich­keit ihren Ursprung haben und des­halb, wie der hl. Chry­so­sto­mus dar­legt, unser Hei­land, als er die kran­ke Stadt Jeru­sa­lem rei­ni­gen woll­te, zuerst in den Tem­pel ging, um an erster Stel­le die Sün­den der Prie­ster zu bestra­fen, wie ein guter Arzt, der die Krank­heit an der Wur­zel heilt. Wir haben nie die päpst­li­che Wür­de ange­strebt und hät­ten viel lie­ber unse­re Augen in der Stil­le des Pri­vat­le­bens geschlos­sen: Ger­ne hät­ten wir auf die Tia­ra ver­zich­tet, und nur aus Got­tes­furcht, der Recht­mä­ßig­keit der Wahl und der Gefahr eines Schis­mas haben uns ver­an­laßt, das Amt des höch­sten Hir­ten anzu­neh­men, das wir weder aus Ehr­geiz aus­üben wol­len, noch um unse­re Ange­hö­ri­gen zu berei­chern, son­dern ein­zig um der Hei­li­gen Kir­che, der Braut Got­tes ihre ursprüng­li­che Schön­heit zurück­zu­ge­ben, um den Unter­drück­ten zu hel­fen, um wei­se und fähi­ge Män­ner zu för­dern, um über­haupt alles zu tun; was einem guten Hir­ten und wah­ren Nach­fol­ger Petri geziemt. Jedoch soll sich nie­mand wun­dern, wenn wir nicht mit einem Schlag alle Miß­bräu­che besei­ti­gen, denn die Krank­heit ist tief ver­wur­zelt und sehr ver­zweigt. Man wird daher einen Schritt nach dem ande­ren set­zen und zuerst den schwe­ren, gefähr­lich­sten Übeln durch rich­ti­ge Arz­nei begeg­nen, um nicht durch über­eil­te Reform alles noch mehr zu ver­wir­ren. Denn, wie Ari­sto­te­les sagt, jede plötz­li­che Ver­än­de­rung ist für ein Gemein­we­sen gefährlich.

Die Wor­te Hadri­ans VI. hel­fen uns zu ver­ste­hen, wie die heu­ti­ge Kri­se der Kir­che ihren Ursprung in dok­tri­nel­len und mora­li­schen Män­geln der Män­ner der Kir­che im hal­ben Jahr­hun­dert seit dem 2. Vati­ka­ni­schen Kon­zil haben kann. Die Kir­che ist unfehl­bar. Aber ihre Glie­der, auch die hohen kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten  kön­nen Feh­ler machen und müs­sen bereit sein, ihre Schuld auch öffent­lich ein­zu­ge­ste­hen. Wir wis­sen, daß Hadri­an VI. den Mut hat­te, die­se kri­ti­sche Über­prü­fung der Ver­gan­gen­heit anzu­ge­hen. Wie wird der neue Papst dem Pro­zeß der dok­tri­nel­len und mora­li­schen Selbst­zer­stö­rung der Kir­che ent­ge­gen­tre­ten und wel­che Hal­tung wird er gegen­über einer moder­nen Welt ein­neh­men, die von einem tie­fen anti­christ­li­chen durch­drun­gen ist? Nur die Zukunft wird auf die­se Fra­gen Ant­wort geben, aber sicher ist, daß die Ursa­chen für die Dun­kel­heit unse­rer gegen­wär­ti­gen Zeit in unse­rer jüng­sten Ver­gan­gen­heit liegen.

Die Geschich­te sagt uns auch, daß auf Hadri­an VI. mit dem Namen Cle­mens VII. (1523–1534) Giu­lio de Medi­ci folg­te. Unter sei­nem Pon­ti­fi­kat geschah am 6. Mai 1527 der schreck­li­che Sac­co di Roma durch die luthe­ri­schen Lands­knech­te Kai­ser Karls V. Die Zer­stö­run­gen und Sakri­le­ge, die damals began­gen wur­den, und die jene des Jah­res 410 über­tra­fen, las­sen sich kaum beschrei­ben. Mit beson­de­rer Bru­ta­li­tät wur­de gegen Kir­chen­leu­te vor­ge­gan­gen: Ordens­frau­en ver­ge­wal­tigt, Prie­ster und Mön­che ermor­det oder als Skla­ven ver­kauft, Kir­chen, Palä­ste und Häu­ser zer­stört, Reli­qui­en zer­streut und weg­ge­schafft. Auf das Gemet­zel folg­ten in schnel­ler Abfol­ge Hun­ger und Pest. Die Bewoh­ner wur­den dezimiert.

Das katho­li­sche Volk inter­pre­tier­te das Ereig­nis als ver­dien­te Stra­fe für die eige­nen Sün­den. Erst nach der schreck­li­chen Plün­de­rung begann sich das Leben grund­le­gend zu ver­än­dern. Das Kli­ma des mora­li­schen und reli­giö­sen Rela­ti­vis­mus löste sich auf und in der all­ge­mei­nen Not mach­te sich in der Hei­li­gen Stadt ein ern­stes, schlich­tes und reue­vol­les Kli­ma breit. Die­se neue Atmo­sphä­re mach­te die gro­ße reli­giö­se Wie­der­be­le­bung der katho­li­schen Gegen­re­for­ma­ti­on des 16. Jahr­hun­derts möglich.

Text: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Giuseppe Nardi
Bild: Vati​can​.va

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!