Hebe de Bonafinis Brief an Papst Franziskus – Spott oder schlägt unter der marxistischen Schale ein katholisches Herz?


Brief an Papst Franziskus(Rom/​Buenos Aires) Papst Fran­zis­kus schlägt gro­ße Sym­pa­thie ent­ge­gen und das welt­weit. Man­che Vati­ka­ni­sten und katho­li­sche Medi­en über­schla­gen sich in Begei­ste­rung. Wäh­rend der neue Papst in Castel Gan­dol­fo sei­nen Vor­gän­ger traf und neben einem gemein­sa­men Mit­tag­essen eine Drei­vier­tel­stun­de unter vier Augen mit Bene­dikt XVI. sprach, mach­te die Schlag­zei­le „Fran­zis­kus über­zeugt auch die Anfüh­re­rin der Müt­ter der Pla­za de Mayo“ die Run­de. Das klingt tat­säch­lich span­nend, immer­hin gehört die Argen­ti­nie­rin Hebe de Bona­fi­ni zu den bekann­te­sten Gestal­ten einer radi­ka­len Lin­ken, der Paro­len wie „Socia­lis­mo o muer­te“ (Sozia­lis­mus oder Tod) noch immer locker von den Lip­pen gehen.

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Erst 2008 hat­te Hebe de Bona­fi­ni mit ande­ren die Kathe­dra­le von Bue­nos Aires besetzt, um die Regie­rung unter Druck zu set­zen, Zuwen­dun­gen für Pro­jek­te der lin­ken Müt­ter nicht zu kür­zen. Immer­hin sind die Mad­res de Pla­za de Mayo heu­te ein weit­ver­zweig­tes Netz von links­ra­di­ka­len Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen und Ein­rich­tun­gen. Athe­isti­sche Lin­ke, poli­ti­scher Kampf und Kir­che pas­sen eben nicht zusam­men, wes­halb es nicht ver­wun­dert, daß es wäh­rend der unsäg­li­chen Beset­zung in der Kathe­dra­le zu sakri­le­gi­schen Hand­lun­gen kam.

Kirchenbesetzerin und schärfste Kritikerin von Erzbischof Jorge Mario Bergoglio und der Kirche

Wenn Bona­fi­ni sonst an der Kathe­dra­le vor­bei­kam, dann nur in Form von Pro­test­zü­gen mit poli­ti­schen und auch anti­kle­ri­ka­len Paro­len. Sie war eine, die auch am schärf­ten gegen den Erz­bi­schof von Bue­nos Aires pro­te­stiert. Wenn sie von Kar­di­nal Berg­o­glio sprach, dann im bekann­te­sten unter den ankla­gen­den Sprech­chö­ren der radi­ka­len Lin­ken Argen­ti­ni­ens: „Ihr habt geschwie­gen, als  sie sie weg­brach­ten.“ Gemeint sind Ver­haf­tun­gen und Ver­schlep­pun­gen von poli­ti­schen Geg­nern wäh­rend der Mili­tär­dik­ta­tur von 1976 bis 1982. Die Logik ist ein­ge­spielt und erin­nert nicht zuletzt an die Angrif­fe gegen Papst Pius XII. Die mora­li­sche Keu­le zwingt den Ange­grif­fe­nen auto­ma­tisch in die Defensive.

Hebe de Bona­fi­ni ist Jahr­gang 1928 und Mut­ter von Jor­ge Omar und Raul Alfre­do, die 1977 und 1978 gemein­sam mit ihrer Schwie­ger­toch­ter Maria Ele­na Bug­no­ne Cepe­da wäh­rend der Mili­tär­dik­ta­tur umge­bracht wur­den. Sie steht so weit links, daß für sie selbst der ehe­ma­li­ge Ter­ro­rist und Gue­ril­le­ro Hora­cio Ver­bit­s­ky, der Jor­ge Mario Berg­o­glio nach der Wahl zum Papst am laut­stärk­sten mit der alten Mili­tär­jun­ta in Ver­bin­dung brin­gen und damit dis­kre­di­tie­ren woll­te, für sie nur ein „Knecht der USA“ ist. Des­halb hat sich schon vor eini­ger Zeit ein Teil der ande­ren Müt­ter von ihr getrennt und eine eige­ne Orga­ni­sa­ti­on fast glei­chen Namens gegrün­det. Die noch immer rüsti­ge Hebe mach­te nie ein Hehl dar­aus, daß ihr Herz für Fidel Castro, Che Gue­va­ra und im Grun­de jeden schlägt, der den Sozia­lis­mus und die Revo­lu­ti­on im Mund führt.

Enorme Begeisterung für Papst unter Argentiniens Armen zwingt radikale Linke zu reagieren

Soll­te Papst Fran­zis­kus tat­säch­lich eine sol­che Hard­core-Revo­lu­tio­nä­rin bekehrt haben? Es käme einem Wun­der gleich. Unmit­tel­bar nach der Wahl des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires zum neu­en Kir­chen­ober­haupt hat­te sie Medi­en auf die Fra­ge, was sie dazu sage, nur ein sar­ka­sti­sches „Amen“ hin­ge­wor­fen. Es ist wohl die enor­me Begei­ste­rung der argen­ti­ni­schen Armen über die Wahl von Papst Fran­zis­kus, die von der streit­ba­ren Hebe de Bona­fi­ni, die gewohn­heits­ge­mäß vor­gibt im „Namen der Armen“ zu spre­chen, nicht ein­fach igno­riert wer­den kann. So hat sie zu  Schreib­fe­der und Papier gegrif­fen und dem Papst einen Brief geschrieben.

Soll­te plötz­lich alles anders gewor­den sein? Man­che katho­li­sche Jour­na­li­sten sind die­ser Mei­nung, ohne offen­bar den kaum ver­steck­ten Spott der Revo­lu­cio­na­ria zu bemer­ken, die in Rom ihr Anlie­gen, bes­ser gesagt, ihr poli­ti­sches Pro­gramm depo­niert, sich aber gleich­zei­tig über den neu­en Papst lustig zu machen scheint. In ihrem wohl mehr für die Öffent­lich­keit als für den Papst gedach­ten Brief begrün­det sie ihren Sin­nes­wech­sel fol­gen­der­ma­ßen: „Ich habe Ihren Ein­satz für die Armen nicht gekannt.“ Und wei­ter, daß sie im wahr­sten Sinn des Wor­tes über­rascht wor­den sei, „von den vie­len Zeug­nis­sen der Men­schen aus den Vil­las“, den Armen­vier­teln von Bue­nos Aires, die ihr „von ihrer Freund­schaft“ mit Kar­di­nal Berg­o­glio, dem nun­meh­ri­gen Papst Fran­zis­kus erzäh­len. Man staunt und fragt sich, ob die Ober­mut­ter der Mad­res de Pla­za de Mayo in den ver­gan­ge­nen 20 Jah­ren nicht in der glei­chen Stadt wie Jor­ge Mario Berg­o­glio gelebt hat. Wahr­schein­lich hat­te sie ob der vie­len Revo­lu­ti­ons­ter­mi­ne ein­fach nur kei­ne Zeit, sich dar­um zu küm­mern, was der „Klas­sen­feind“ denn wirk­lich sagt und tut.

„Don Francisco: ich höre viele Genossen von Ihrem Einsatz in den Villas erzählen.“

Im Brief nennt sie das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt ein­fach „Don Fran­cis­co“. Zu mehr konn­te sie sich offen­bar nicht über­win­den und den Papst wird es nicht stö­ren. „Don Fran­cis­co, ich kann­te Ihre seel­sorg­li­che Arbeit nicht; ich wuß­te nur, daß in jener Kathe­dra­le der ober­ste Lei­ter der argen­ti­ni­schen Kir­che lebt. Heu­te höre ich zu mei­ner gro­ßen Über­ra­schung vie­le Genos­sen von Ihrem Ein­satz und Ihrer Arbeit in den Vil­las erzählen.“

„Und das freut mich unend­lich und ich spü­re, auf einen Wan­del im Vati­kan hof­fen zu kön­nen.“ Hebe de Bona­fi­ni blie­be sich nicht selbst treu, wenn sie nicht gleich poli­ti­sche For­de­run­gen erhe­ben wür­de. Sie kün­digt an, dem Papst eine Liste aller Prie­ster und Bischö­fe zukom­men zu las­sen, die in der Drit­ten Welt ver­schwun­den oder umge­bracht wur­den, damit sich die Kir­che an sie und ihren Kampf erin­nert. Es darf ange­nom­men wer­den, daß die Liste nur jene Namen ent­hal­ten dürf­te, die dem poli­ti­schen Kampf der radi­ka­len Lin­ken nahe­stan­den oder von die­ser ver­ein­nahmt wer­den sol­len. Die Pasio­na­ria kann nicht ernst­lich mei­nen, die Kir­che über deren eige­ne Söh­ne infor­mie­ren zu müssen.

Die Pasionaria: „Don Francisco, und wenn Sie im Vatikan den Papst treffen …“

Dann folgt ein poli­ti­sches Bekennt­nis, das sich mehr an die eige­nen Anhän­ger zu rich­ten scheint, wenn sie den Papst „von gan­zem Her­zen“ auf­for­dert, „für eine Kir­che der Armen zu kämp­fen“, wie es in „unse­rem gro­ßen latein­ame­ri­ka­ni­schen Vater­land von Jose de San Mar­tin und Simon Boli­var Tau­sen­de von Men­schen getan haben, die ihren Ein­satz zur Über­win­dung der Armut mit dem Leben bezahlt haben: das war der gro­ße Traum unse­rer Söh­ne des­pa­re­ci­dos.“ Die von Bon­fi­ni genann­ten bei­den Gene­rä­le und Frei­mau­rer San Mar­tin und Boli­var waren wahr­lich kei­ne Freun­de der Kir­che. Wäh­rend San Mar­tin im fran­zö­si­schen Exil als Frei­mau­rer und Agno­sti­ker unter Ableh­nung kirch­li­chen Bei­stan­des starb, bekehr­te sich Boli­var und starb als treu­er Sohn „unse­rer Hei­li­gen Apo­sto­li­schen Römi­schen Mut­ter Kir­che“, wie die Testa­men­te der bei­den belegen.

Damit aber nie­mand auf fal­sche Gedan­ken kommt (außer manch eupho­ri­scher Vati­ka­nist), daß auch die beken­nen­de Mar­xi­stin viel­leicht katho­lisch gewor­den sein könn­te, schließt Hebe de Bona­fi­ni ihren Brief mit den iro­ni­schen Wor­ten: „Dan­ke Don Fran­cis­co, und wenn Sie im Vati­kan den Papst tref­fen, erzäh­len Sie ihm von mei­nem Anlie­gen und dem von Mil­lio­nen ande­rer Mütter.“

Aber viel­leicht begin­nen sich im Her­zen von Hebe de Bona­fi­ni wirk­lich Sichel und Ham­mer in ein Kreuz umzu­for­men. Und, wer weiß, viel­leicht lädt sie der Papst sogar in den Vati­kan ein. Soll­te er Argen­ti­ni­en besu­chen, wird er sie bestimmt empfangen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Izquier­da Reaccionaria

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