(Vatikan) Das Konklave brachte eine große Überraschung. Überraschend ist die Wahl des Argentiniers, Jorge Mario Kardinal Bergoglio. Der Erzbischof von Buenos Aires ist seit dem Apostenfürsten Petrus der erste Nicht-Europäer auf dem Stuhl Petri, der erste Lateinamerikaner und der erste Jesuit. Überraschend ist auch der Name Franz I., den er sich als Papst erwählt hat. Obwohl Jesuit steht der Nachfahre italienischer Einwanderer der neuen Gemeinschaft Communione e Liberazione (CL) von Don Giussani nahe. Aus den Reihen dieser Gemeinschaft galt eigentlich der Mailänder Erzbischof Angelo Kardinal Scola als „Papabile“. Bergoglio ist nur anderthalb Jahre jünger als Joseph Kardinal Ratzinger, als dieser 2005 zum Papst gewählt wurde. Anders als erwartet, wollte das Kardinalskollegium eindeutige Signale setzen, die es noch zu lesen gilt, aber kein langes Pontifikat, wie zuletzt angenommen worden war. Am 17. Dezember wird Papst Franz I. 77 Jahre alt.
Die Namenswahl weist unweigerlich auf den „poverello“, den „kleinen Armen“, den heiligen Franz von Assisi hin. Kein Papst hatte sich bisher diesen Namen zugelegt. Ein Name ist Programm. Kardinal Bergoglio verbot den argentinischen Gläubigen, die ihn aus Freude zu seiner Kardinalserhebung nach Rom begleiten wollten, die Reise anzutreten. Er forderte sie auf, das Geld wohltätigen Zwecken zu spenden. Berufungen an die Römische Kurie lehnte der Jesuit ab. Nach Rom reiste er nur, wenn es unbedingt notwendig war.
Franz von Assisi war aber keineswegs nur das Klischee, das man heute von ihm kennt, sondern neben seiner evangelischen Armut vor allem ein unerschütterlicher Streiter Gottes und unverbrüchlicher Sohn der heiligen Kirche. Dies zu einer Zeit, als es viele sektiererische Strömungen außerhalb der Kirche gab und viele Gläubige sich durch Unzufriedenheit mit der Kirche diesen Gruppen anschlossen. Der heiligen Franziskus stellte ihnen ein ebenso authentisches, wie radikales Gegenmodell entgegen. Das auch miteinschloß, notfalls in der Kirche an dem zu leiden, was an ihr zu dieser Zeit durch menschliche Schwachheit und Unkenntnis nicht ihrem eigentlichen Wesen entspricht.
Der neue Papst war in Argentinien auch Bischof für die orientalischen Christen. Das heilige Meßopfer in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus hat er seit dem Motu proprio Summorum Pontificum noch nicht zelebriert. Die Umsetzung des Motu proprio in der Erzdiözese war „eher lau“, so Messa in Latino. The Remnant schreibt in einem ersten Bericht, daß über seine Haltung zum überlieferten Ritus nicht viel bekannt sei. In seiner Erzdiözese gibt es eine Niederlassung des altrituellen Institut du Bon Pasteur. Er gehörte jedoch bisher unter anderem der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung an. In Fragen der kirchlichen Morallehre und der kirchlichen Ordnung gilt er als Papst Benedikt XVI. nahestehend. Zur Legalisierung der Tötung ungeborener Kinder sagte der Kardinal: In Argentinien „gibt es die Todesstrafe“. Er wandte sich auch entschieden, allerdings erfolglos gegen die Legalisierung der Homo-Ehe durch den argentinischen Staat.
Vatikansprecher Pater Federico Lombardi, Jesuit wie der neue Papst, sagte in einer ersten Stellungnahme, daß Franz I. ein Papst sei, der einen „Stil der Einfachheit und des evangelischen Zeugnisses“ zeige und zudem eine „Kontinuität mit Benedikt XVI.“ repräsentiere.
In finanzpolitischen Fragen darf mit einer Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus gerechnet werden. Bergoglio, obwohl kein Franziskaner, kann in seinem Lebensstil als Franziskaner bezeichnet werden. Er verfügt weder über einen Fahrer noch über eine standesgemäße Limousine. In Buenos Aires war er viel mit öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs. Im Konklave von 2005 war er der „Gegenspieler“ Benedikts XVI., der unter Tränen die Kardinäle im Konklave darum gebeten haben soll, nicht ihn, sondern Joseph Ratzinger zu wählen. Der Gegenspieler wurde nun zum Nachfolger. Hat das Pendel in die andere Seite ausgeschlagen? Unter den menschlichen Lastern ist ihm der Karrierismus, vor allem in der Kirche, ein besonderes Ärgernis.
In der kurzen Ansprache an die auf dem Petersplatz versammelte Menschenmenge sprach er sowohl im Zusammenhang mit seinem Vorgänger, Papst Benedikt XVI. als auch von sich selber als „Bischof“. Franz I. wandte sich damit eindeutig an seine Diözese als Bischof von Rom. Welche Auswirkungen das für sein Verständnis des Papsttums hat, muß sich erst zeigen. Welche Rolle wird die Kollegialität spielen, auf die in den Generalkongregationen viel Wert gelegt wurde?
1973 bis 1980 war Bergoglio Oberer der argentinischen Ordensprovinz der Jesuiten und widersetzte sich damals energisch der marxistischen Befreiungstheologie. Nicht zuletzt auch wegen seines Widerstandes gegen einige marxistisch angehauchte Mitbrüder und die daraus entstandenen Konflikte wurde er versetzt. 1986 promovierte er in Deutschland, weshalb er neben Spanisch und Italienisch auch sehr gut Deutsch spricht. Anschließend wirkte er als Spiritual und Beichtvater an der Jesuitenkirche von Cordoba. 1992 ernannte ihn Johannes Paul II. zum Weihbischof von Buenos Aires. 1997 zum Koadjutor ernannt, folgte er Antonio Kardinal Quarrancino im Amt des Erzbischofs der argentinischen Hauptstadt nach. Bis 2011 war er zudem Vorsitzender der argentinischen Bischofskonferenz.
In den Generalkongregationen im Vorfeld des Konklave sprach der neue Papst vor allem über die Barmherzigkeit Gottes und die Freude am Glauben. In Argentinien heißt es, die Priester, die in den Armenvierteln wirken, seien ihm die liebsten. Ohne Abweichungen von der Glaubenslehre versuche er alle, auch die Entferntesten für Christus zu gewinnen. Die Kirche, so Kardinal Bergoglio, müsse „immer das barmherzige Antlitz Gottes widerspiegeln“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Servizio Petrino