(Rom) Im Vorfeld des Konklaves veröffentlichen wir die Redebeiträge einiger Kardinäle auf der jüngsten Bischofssynode, die zum zentralen Thema Neuevangelisierung vom 7. bis 28. Oktober 2012 in Rom tagte. Es werden die Beiträge jener Kardinäle veröffentlicht, auf die sich in besonderem Maße das Interesse konzentriert. Die Veröffentlichung soll zugänglich machen, was führende Kirchenmänner zum Thema Neuevangelisierung zu sagen haben und einen Vergleich zwischen diesen ermöglichen. Bereits vorgestellt wurden Timothy Kardinal Dolan, Erzbischof von New York (USA), George Kardinal Pell, Erzbischof von Sydney (Australien) und Angelo Kardinal Scola, Erzbischof von Mailand (Italien).
Wir setzen fort mit Marc Kardinal Ouellet, seit 2010 Präfekt der Kongregation für die Bischöfe und Vorsitzender der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika. Kardinal Ouellet wurde 1944 im kanadischen Bundesstaat Quebec als Sohn einer kinderreichen katholischen Familie geboren. Die Schriften der kleinen Therese von Lisieaux führen ihn zum Priestertum. Nach dem Studium der Philosophie, Pädadogik und Theologie empfängt er 1968 für seine Heimatdiözese die Priesterweihe. Nach zwei Jahren in der Pfarrseelsorge, geht er in die Mission nach Lateinamerika. In Kolumbien unterrichtet er am Priesterseminar der Kongegration der Sulpizianer (PSS), denen er sich 1972 anschließt. Nach Studienaufenthalten in Rom und Innsbruck lehrt er Philosophie am Priesterseminar von Manizales in Kolumbien, ab 1976 in Montreal in Kanada. 1983 Promotion in Dogmatik. Als Professor und Rektor an Priesterseminaren in Kolumbien und Kanada tätig. Ab 1996 Professor für Dogmatik an der Lateranuniversität. Kardinal Ouellet spricht neben seiner Muttersprache Französisch, fließend Englisch, Spanisch, Deutsch und Portugiesisch und beherrscht die Kirchensprache Latein und auch Hebräisch. 2001 von Papst Johannes Paul II. als Sekretär des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen an die Römische Kurie berufen und im selben Jahr zum Titularerzbischof erhoben. 2002 erfolgte seine Ernennung zum Erzbischof von Quebec und Primas von Kanada, am 21. Oktober 2003 seine Erhebung in den Kardinalsstand. Im selben Konsistorium wurde auch Angelo Scola, damals Patriarch von Venedig zum Kardinal kreiert. Die beiden stehen sich und Benedikt XVI. theologisch am nächsten, was auch durch die Mitarbeit beider bei der internationalen theologischen Zeitschrift Communio zum Ausdruck kommt, die von Hans Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger als Gegenstück zur Zeitschrift Concilium von Yves Congar, Hans Küng und Karl Rahner gegründet worden war. Im Konklave 2005 gehörte er zu den Papstwählern. 2010 wurde Kardinal Ouellet von Papst Benedikt XVI. als Präfekt der Bischofskongregation, die für die Vorbereitung der Bischofsernennungen in der „Alten Welt“ zuständig ist, nach Rom zurückgerufen. Durch seine Herkunft mit den kirchlichen Verhältnissen Nordamerikas, durch seine jahrelange Missionstätigkeit auch mit jenen Lateinamerikas bestens vertraut, ernannte ihn Benedikt XVI. 2010 auch zum Vorsitzenden der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika.
Seine Rede hielt Kardinal Quellet am 17. Oktober 2012 im Rahmen der fünfzehnten Generalkongregation.
Angeregt von den Abschnitten 37 bis 40 des Instrumentum laboris möchte ich die Gelegenheit nutzen zu bekräftigen, dass die neue Evangelisierung untrennbar verbunden ist mit der Gemeinschaft der Kirche. Diese Gemeinschaft charakterisiert die Sendung der Kirche, das heißt die Sendung “Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ zu sein und wird das eindrücklichste Merkmal des Zeugnisses, das die Gläubigen ihren Zeitgenossen geben können.
Ein Aspekt der Erneuerung der Gemeinschaft in der Kirche betrifft die Beziehung zwischen ihrer charismatischen Dimension und ihrer hierarchischen Dimension. Gerade die charismatische Dimension ist eine der wertvollsten Errungenschaften der katholischen Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, auch wenn es deren ekklesiologischen Status noch zu präzisieren gilt. Diese Dimension kommt insbesondere im geweihten Leben zum Ausdruck, das für die Bischöfe eine wertvolle Ressource und eine Herausforderung darstellt.
In den Beziehungen zwischen Hierarchie und geweihtem Leben hat sich nicht geringes Unbehagen gezeigt: manchmal aufgrund einer gewissen Unkenntnis der Charismen und ihrer Rolle in der kirchlichen Sendung und Gemeinschaft; in anderen Fällen, weil einige geweihte Personen dazu neigen, dem Lehramt zu widersprechen. Aus diesem Grund möchte ich die Aufmerksamkeit auf das Dokument Mutuae Relationes lenken, das seit Ende der 1970er Jahre einen Dialograhmen für die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten bietet und eine Aktualisierung verdienen würde angesichts der außerordentlichen Entwicklung der charismatischen Dimension der Kirche in den letzten Jahrzehnten. Dort ist zu lesen: “Es wäre ein großer Irrtum das Ordensleben von den kirchlichen Strukturen unabhängig zu machen – und noch schlimmer wäre es, sie gegeneinander auszuspielen -, als könnten sie als zwei voneinander unabhängige Realitäten existieren, die eine charismatisch, die andere institutionell; während beide Elemente, das heißt die geistlichen Gaben und die kirchlichen Strukturen, eine einzige, wenn auch komplexe Realität bilden (vgl. LG 8)“ (MR 34).
Die neue Evangelisierung kann deshalb eine weitere Stärkung in der Erneuerung der Beziehungen zwischen den Bischöfen und den Gottgeweihten finden.
Text:Giuseppe Nardi
Bild: Erzdiözese Quebec