(Rom) Im Vorfeld des Konklaves veröffentlichen wir die Redebeiträge einiger Kardinäle auf der jüngsten Bischofssynode, die zum zentralen Thema Neuevangelisierung vom 7. bis 28. Oktober 2012 in Rom tagte. Es werden die Beiträge jener Kardinäle veröffentlicht, auf die sich in besonderem Maße das Interesse konzentriert. Die Veröffentlichung soll zugänglich machen, was führende Kirchenmänner zum Thema Neuevangelisierung zu sagen haben und einen Vergleich zwischen diesen ermöglichen. Bereits vorgestellt wurden Timothy Kardinal Dolan, Erzbischof von New York (USA), und George Kardinal Pell, Erzbischof von Sydney (Australien).
Wir setzen fort mit Angelo Kardinal Scola, seit 2011 Erzbischof von Mailand in Italien. Kardinal Scola wurde 1941 in der Lombardei als Sohn einer einfachen katholischen Familie geboren. 1958 lernte er Don Luigi Giussani, den Gründer der katholischen Giovent๠Studentesca (Studentische Jugend) kennen, deren Mitglied er wird. 1969, dem Jahr, in dem Don Giussani aus der Studentischen Jugend die Bewegung Comunione e Liberazione (CL, Gemeinschaft und Befreiung) macht, verläßt Scola mit anderen, CL nahestehenden Seminaristen wegen Konflikten mit der Seminarleitung das Priesterseminar der Erzdiözese Mailand. 1970 empfing er in Teramo die Priesterweihe und wurde in der Diözese Teramo-Atri inkardiniert. Scola promovierte in Philosophie und in Theologie, letzteres an der Theologischen Hochschule Freiburg im Üchtland über den spanischen Thomisten und Begründer der Fundamentaltheologie Melchior Cano. 1972 wirkt er am Aufbau der von Henri de Lubac, Hans Urs von Balthasar und Joseph Ratzinger in Gegenposition zur Zeitschrift Concilium (von Yves Congar, Hans Küng, Karl Rahner und Edward Schillebeeckx) gegründeten internationalen theologischen Zeitschrift Communio mit. Mit Hans Urs von Balthasar verwirklichte Scola zwei Gesprächsbücher. In verschiedenen Aufgaben für CL tätig, arbeitete er von 1979–1982 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Freiburg (Politische Philosophie, Moraltheologie), als Professor ab 1982 an der Lateranuniversität (Theologische Anthropologie, Christologie), 1991 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Grosseto, 1995 zum Rektor der Lateranuniversität und Vorsitzenden des Päpstlichen Instituts für Ehe- und Familienstudien, 2001 zum Patriarchen von Venedig. Am 21. Oktober 2003 erhob ihn Johannes Paul II. in den Kardinalsstand. Im Konklave 2005 gehörte er zu den Papstwählern. Kardinal Scola, der nach dem Erlaß des Motu proprio Summorum Pontificum in Venedig dem heiligen Meßopfer auch im alten Ritus beiwohnte, wurde 2011 von Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von Mailand berufen.
Seine Rede hielt Kardinal Scola am 15. Oktober 2012 im Rahmen der elften Generalkongregation.
Welches sind die grundlegenden Dimensionen, die in der Evangelisierung nie fehlen dürfen? Der Zusammenfassung der Apostelgeschichte (Apg 2, 42.46f.) folgend, können wir derer vier ausmachen: 1. “Sie hielten fest … am Brechen des Brotes und an den Gebeten“; die Eucharistie ist die unerschöpfliche Quelle des Lebens der Gemeinschaft. 2. “Sie hielten an der Lehre der Apostel fest“; Verkünder von Gottes Wort in allen Bereichen des menschlichen Daseins. Der hl. Paulus spricht von einer Erziehung zum “Geist Christi“ (vgl. 1. Kor 2,16). Der hl. Maximus der Bekenner beschreibt sie wie folgt: “In der Tat sage auch ich, dass ich den Geist Christi habe, d. h. das Denken, das sich an ihm ausrichtet und ihn durch alle Dinge denkt“. 3. “Sie hielten daran fest … alles gemeinsam zu haben“: da sie Jesus Christus gemeinsam haben, streben die Christen frei danach, ihr Leben mit allen ihren Brüdern und Schwestern zu teilen. Die Gemeinschaft geht für den Christen allem übrigen voraus, sie ist a priori notwendig. 4. “Der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“: die Sendung der Kirche ist das dankbare Zeugnis, durch das die Freude über die Begegnung mit Jesus durchscheint, die unstillbare Sehnsucht danach wird, dass alle Mitmenschen, Brüder und Schwestern, gerettet werden sollen. Die Methode, nicht eine Methode der Neuevangelisierung besteht darin, ein Leben der Gemeinschaft anzubieten, in dem die Gläubigen, die dieses Bewusstsein erlangt haben, diese vier grundlegenden Dimensionen, die die Textstelle aus der Apostelgeschichte angibt, beständig in die Tat umsetzen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi