(Washington) Nach einem Jahr harter Konflikte mit der katholischen Kirche und Dutzenden von Anzeigen wegen Verletzung der Religionsfreiheit macht die Regierung Obama einen Schritt zurück in der Frage des Finanzierungszwangs für Geburtenkontrolle und Abtreibung. Religiöse Einrichtungen werden ihren Mitarbeitern eine Gesundheitsversicherung anbieten können, die keine Finanzierung von Abtreibung und künstlicher Verhütung vorsieht. Religiöse Arbeitgeber müssen demnach nicht für die Kosten aufkommen, wenn eine Mitarbeiterin ihr ungeborenes Kind töten lassen oder die „Pille danach“ einnehmen will. Das hatte die ursprüngliche Fassung von Obamas Gesundheitsreform vorgesehen.
Die Regierung korrigiert damit jedoch nicht ihren Abtreibungskurs. Sie versucht eine Klippe zu entschärfen, da sie wegen Verletzung der Religionsfreiheit vor dem Obersten Gerichtshof zu scheitern droht und damit weitere Teile der Gesundheitsreform gefährdet sein könnten. Für die Mitarbeiter religiöser Einrichtungen müssen Dritte für Verhütung und Abtreibung aufkommen.
Tendenziöser Drahtseilakt zwischen „Gesundheit der Frau“ und Respekt vor Gewissensfreiheit
Seit die Details von Obamas Gesundheitsreform bekannt wurden, haben religiöse Organisationen, allen voran die katholische Kirche und evangelikale Gruppen die Politik des Weißen Hauses scharf kritisiert, mit der selbst Arbeitgeber, die Abtreibung aus Gewissensgründen ablehnen, zur Finanzierung der Abtreibung gezwungen werden sollten. Die katholischen Bischöfe und katholische Einrichtungen brachten landesweit zahlreiche Anzeigen vor Gericht ein. Dem Beispiel folgten auch einige protestantische Gruppen. Insgesamt sind mehr als 40 Anzeigen in zahlreichen Bundesstaaten anhängig, darunter auch von katholischen Unternehmern, die ihr Recht auf Religionsfreiheit angegriffen sehen.
Das Gesundheitsministerium legte daher gestern eine „Kompromißvorschlag“ vor, der, so die Regierung, das nötige Gleichgewicht zwischen „Schutz der weiblichen Gesundheit“ und Respektierung der Gewissensfreiheit aus religiösen Gründen wiederherstellen soll. „Wir wollen sicherstellen, daß die Geburtenkontrolle nicht den Frauen auf der Tasche liegt, aber auch die Sorgen religiöser Gruppen respektieren“, wie Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius erklärte.
Gesundheitsministerin: „Kosten für Geburtenkontrolle darf nicht Frauen auf der Tasche liegen“
Es scheint zweifelhaft, daß sich die kirchlichen Gruppen damit zufriedengeben. Der „Kompromiß“ sieht die Ausnahmeregelung nur für Kultorte im engen Sinn vor. Damit müßten Schulen, Krankenhäuser, Universitäten und kirchliche Hilfsorganisationen auch in Zukunft ihren Mitarbeitern Verhütung und Abtreibung finanzieren. Wer bei der neuen Formulierung überhaupt ausgenommen sein würde, ist noch unklar. Der weitaus größte Teil der religiösen Arbeitgeber jedenfalls nicht.
Der „Kompromiß“ der Regierung Obama trägt weiters nicht der Gewissensfreiheit privater Arbeitgeber Rechnung. Katholische Unternehmer, die aus Gewissensgründen die Tötung ungeborener Kinder ablehnen, wären weiterhin zu einer Mitwirkung gezwungen. Sie könnten Abtreibung ablehnen, müßten sie aber finanzieren und damit erst möglich machen. Die entsprechenden Klagen bleiben auf alle Fälle weiterhin vor Gericht anhängig, unabhängig davon, wie sich die religiösen Gemeinschaften entscheiden sollten.
Zweideutige Formulierungen in Regierungsvorlage
Der Teufel steckt immer im Detail. Die von der New York Times veröffentlichen Angaben des Regierungsvorschlags klingen recht zweideutig. Einerseits wird festgestellt, daß ein Arbeitgeber (allerdings nur solche, die unter die Ausnahmeregelung fallen) nicht gezwungen werden kann, die Kosten zu übernehmen. Gleichzeitig heißt es im Text aber, daß diese „Dienstleistungen“ durch „individuelle Versicherungspolizen ohne Zusatzkosten für die Frauen“ gedeckt sein müsse.
Die Versicherungen sollten die Mehrkosten übernehmen, die sie aber auf lange Sicht durch eine „Verbesserung der Frauengesundheit und eine geringere Geburtenzahl“ wieder hereinbekämen, so der Regierungsvorschlag.
Regierung: Mehrkosten durch weniger Geburten ausgleichen – Lebensschützer: Keine Kinder – Keine Zukunft
„Eine ebenso entlarvende wie verantwortungslose Logik“, wie das Family Institute in einer ersten Reaktion feststellte: „Es gibt eine ganz simple Wahrheit: No Children – No Future“ (Keine Kinder – Keine Zukunft).
Fest steht schon jetzt, daß der Konflikt durch den neuen Vorschlag kaum gelöst werden kann.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: The Capitol Watch