Gefahr Islam? Es wird Zeit darüber nachzudenken


Islam Gefahr und Tabu zugleichvon Lars Ottmann

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Am 6. Febru­ar löste die Ermor­dung von Cho­kry Belaid, eines Rechts­an­walts, der gegen die Ver­let­zung der Men­schen­rech­te durch die Regie­rung pro­te­stier­te, bei einem Teil der tune­si­schen Bevöl­ke­rung eine Revol­te aus. Bei die­sen Tune­si­ern, die eine isla­mi­sche Dik­ta­tur fürch­ten und eine demo­kra­ti­sche Regie­rung wün­schen, schrill­ten die Alarm­glocken. Auf­merk­sa­me Beob­ach­ter, unter ihnen vie­le Chri­sten des Nahen Ostens und Nord­afri­kas, warn­ten sofort davor, zu gro­ße Hoff­nun­gen in den „Ara­bi­schen Früh­ling“ zu set­zen. Das Bild, das durch die­sen angeb­li­chen „Früh­ling“ in den sun­ni­ti­schen Staa­ten ent­stand, wur­de immer schwe­rer ent­zif­fer­bar. Es wur­de immer deut­li­cher, daß der „Früh­ling“ eine Sin­nes­täu­schung war, und in die­sen Län­dern ein neu­er Win­ter einbrach.

Die aktuelle Situation

  • Kein Staat mit mos­le­mi­scher Mehr­heit (welt­weit mehr als 30) ver­fügt über eine wirk­lich demo­kra­ti­sche Regie­rung. In nicht weni­gen die­ser Staa­ten oder Tei­len von ihnen herrscht ein blu­ti­ger Bür­ger­krieg: Syri­en, Tune­si­en, Afgha­ni­stan, Paki­stan, Mali, Jemen, Sudan, Indo­ne­si­en, Soma­lia. Nicht zu ver­ges­sen auch Nige­ria, ein noch nicht mehr­heit­lich isla­mi­scher Staat, in dem isla­mi­sti­sche Grup­pe jedoch mit här­te­ster Gewalt gegen die Chri­sten des Lan­des auf die­ses Ziel hinarbeiten.
  • In kei­nem mehr­heit­lich isla­mi­schen Staat gibt es wirk­li­che Reli­gi­ons­frei­heit für die Christen.
  • In eini­gen Staa­ten, in denen die Anhän­ger des Koran eine star­ke Min­der­heit bil­den, sind star­ke Ter­ror­grup­pen aktiv, die mit Gue­ril­la­tak­tik und Ter­ror­an­schlä­gen aus dem Unter­grund die Staa­ten desta­bi­li­sie­ren: Phil­ip­pi­nen, Thai­land, Indi­en, Volks­re­pu­blik Chi­na, Ruß­land und Myanmar.
  • In einer Rei­he von euro­päi­schen Staa­ten, in denen die Mos­lems nur klei­ne Min­der­hei­ten stel­len, rekru­tie­ren Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen Kader und Zel­len für den „Dschi­had“ an irgend­ei­ner der zahl­rei­chen isla­mi­sti­schen Fron­ten. Zel­len, die mit spek­ta­ku­lä­ren Atten­ta­ten auch in ihren Gast­län­dern tätig werden.

Die Nach­rich­ten über aktu­el­le Ereig­nis­se bestä­ti­gen tag­täg­lich die­se Situa­ti­on. Was erstaunt, ist die Tat­sa­che, daß der Westen sich nicht wirk­lich bestimm­te Fra­gen stellt und disk­tu­tiert. Dazu gehö­ren vor allem Fra­gen danach, woher die­se Insta­bi­li­tät der isla­mi­schen Welt rührt, wie sich die­se Revol­ten, Gue­ril­la­kämp­fe und For­men des Ter­ro­ris­mus, die in den mos­le­mi­schen Gemein­schaf­ten ent­ste­hen, aus­brei­ten, und wie man zu den Wur­zeln die­ses gewalt­tä­ti­gen Extre­mis­mus vor­drin­gen kann, der wie eine Treib­mi­ne den Welt­frie­den zu gefähr­den  scheint.

Warum gilt nicht gegen Islamismus, was gegen Nationalsozialismus und Kommunismus galt?

Als es dar­um ging, sich dem sich aus­brei­ten­den Natio­nal­so­zia­lis­mus zu wider­set­zen, wur­de aus­gie­big dis­ku­tiert, die Ideo­lo­gie ana­ly­siert, Deutsch­land bereist. Als es dar­um ging, sich dem sich aus­brei­ten­den Kom­mu­nis­mus zu wider­set­zen, war man zwar ent­schie­den lang­sa­mer, aber als man sich ent­schloß, wur­de aus­gie­big dis­ku­tiert, die Ideo­lo­gie ana­ly­siert, die Län­der des rea­len Sozia­lis­mus bereist. Gegen bei­de Ideo­lo­gien, die reli­gi­ons­ähn­li­che For­men ange­nom­men hat­ten, wur­den Gegen­stra­te­gien gesucht und diskutiert.

Beim mos­le­mi­schen Extre­mis­mus scheint dies alles anders. Natür­lich gab es NS-freund­li­che und noch viel mehr KP-freund­li­che Strö­mun­gen in vie­len Län­dern, die sich aber nicht durch­set­zen konn­ten. Dem Islam gegen­über legt man sich in den west­li­chen Staa­ten eine selt­sa­me Zurück­hal­tung auf. Zumin­dest im ver­öf­fent­lich­ten Dis­kurs. Islam­kri­ti­sche Stel­lung­nah­men lie­gen zwar in der Luft, wer­den aber vom offi­zi­el­len Dis­kurs mög­lichst aus­ge­grenzt. War­um? Weil es nicht nur ein ideo­lo­gi­scher Reli­gi­ons­er­satz ist, son­dern eine Reli­gi­on? Im säku­la­ri­sier­ten, ja teils aus­ge­spro­chen reli­gi­ons­kri­ti­schen Westen schwer vor­stell­bar. Weil die Fra­ge mit der Ein­wan­de­rung nach Euro­pa gekop­pelt ist? Das könn­te der Sache schon näher kom­men, wenn man bedenkt, daß die Befür­wor­ter einer Mas­sen­ein­wan­de­rung auch maß­geb­lich die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung dominieren.

Ohne Vordringen zu den Wurzeln des Islamismus ist keine Entschärfung möglich

Der extre­mi­sti­sche Islam wird zwar von allen ver­ur­teilt, bleibt aber den­noch so etwas wie ein geheim­nis­vol­les Rät­sel. Was hat es mit dem bibli­schen Hin­weis auf die Nach­kom­men Isma­els, des Soh­nes Hagars auf sich? Ist der Islam die Wei­ter­ent­wick­lung und Ver­selb­stän­di­gung einer mono­phy­si­ti­schen christ­li­chen Häre­sie? Wel­ches immer die histo­ri­schen Lei­stun­gen des Islam gewe­sen sein mögen, hat er heu­te eine gewalt­tä­ti­ge Schlag­sei­te, die sein Bild immer stär­ker prägt. Das bedeu­tet Ach­sen­ver­schie­bun­gen inner­halb der gro­ßen isla­mi­schen Gemein­schaft, und Ach­sen­ver­schie­bun­gen im Welt­ge­fü­ge. Die­se Schlag­sei­te ist so stark, daß man von einer Gefahr für die Chri­sten­heit und für die Mensch­heit spre­chen kann, was natür­lich nicht zu ver­wech­seln ist mit einer Gefahr für den Westen oder für Isra­el. Schnitt­punk­te gibt es allerdings.

In der west­li­chen Pres­se fin­det sich wenig, was an eine wirk­li­che Debat­te über den isla­mi­schen Extre­mis­mus erin­nert. Die Chro­nik wird eif­rig bedient, tie­fer aber gräbt man kaum. Wenn, dann wirkt es häu­fig auf­ge­setzt. War­um die­ses Tabu? War­um haben anti­is­la­mi­sche Blogs im Inter­net Hoch­sai­son und außer­ge­wöhn­lich hohe Klick­zah­len, wäh­rend es in den „aner­kann­ten“ mei­nungs­bil­den­den Medi­en kei­ne ernst­haf­te Debat­te gibt? Viel­leicht gera­de des­halb. Wie aber ist die­se Dicho­to­mie zu deu­ten? Und vor allem, wie ist sie zu überwinden?

Das Tabu Islam im öffentlichen Diskurs Europas überwinden

War­um die ver­schlei­ern­de Spra­che in den gro­ßen Medi­en, die selbst bei einem so offen­sicht­lich reli­gi­ös moti­vier­ten Akteur wie dem Isla­mis­mus von der Reli­gi­on ablen­ken. In den öffent­lich-recht­li­chen Medi­en, heißt es dann, daß die Chri­sten­ver­fol­gung der Sala­fi­sten und isla­mi­sti­scher Mili­zen in Ägyp­ten, im Sudan oder in Nigeria„keinen“ reli­giö­sen Hin­ter­grund habe, son­dern „wirt­schaft­lich“ oder „sozi­al“ moti­viert sei. Eine Halb­wahr­heit, die nie­mand wirk­lich ernst neh­men kann. Die Welt kann man eben nicht ver­ste­hen, wenn man sie nur durch die mar­xi­sti­sche oder eine reli­gi­ons­freie libe­ra­le Bril­le betrachtet.

Was kann getan wer­den? Sehr viel. Die Fra­ge nach den Wur­zeln des isla­mi­schen Extre­mis­mus ist öffent­lich zu stel­len und zu dis­ku­tie­ren, auch auf brei­ter Basis von der Bevöl­ke­rung. Lin­ke Grals­hü­ter wer­den sich gegen eine sol­che brei­te Dis­kus­si­on sträu­ben, weil ihnen Vol­kes Stim­me nur in sehr ein­ge­schränk­tem Rah­men geheu­er ist. Eine brei­te Debat­te ist nicht zuletzt auch des­halb nötig, um die inzwi­schen in die Mil­lio­nen gehen­de Zahl der ein­ge­wan­der­ten Mos­lems einzubeziehen.

Regensburger Rede Papst Benedikts XVI. aufgreifen und anwenden

In sei­ner denk­wür­di­gen Lec­tio magi­stra­lis in Regens­burg vom 12. Sep­tem­ber 2006 sag­te Papst Bene­dikt XVI. mit aller Deut­lich­keit, daß der Islam sich mit der Ver­nunft aus­ein­an­der­set­zen müs­se, denn: “ Nicht ver­nunft­ge­mäß han­deln ist dem Wesen Got­tes zuwi­der“. Und zum The­ma Gewalt sag­te er unmiß­ver­ständ­lich: „Gott hat kein Gefal­len am Blut.“ Dem Papst ant­wor­te­ten damals fast 200 Ima­me und mos­le­mi­sche Gelehr­te, die ihm zustimm­ten und mit denen die katho­li­sche Kir­che einen Dia­log zu die­ser für den heu­ti­gen Islam zen­tra­len Fra­ge auf­zu­neh­men versuchte.

Bei sei­ner Rei­se in das Hei­li­ge Land, die er im Mai 2009 als „Pil­ger des Frie­dens“ unter­nahm, griff Bene­dikt XVI. das The­ma erneut auf und wies einen kla­ren Weg, wie eine fried­li­che Koexi­stenz der Gläu­bi­gen der drei mono­the­isti­schen Reli­gio­nen, Juden, Chri­sten, Mos­lems mög­lich ist. Im Flug­zeug, das ihn nach Jor­da­ni­en brach­te, sag­te er: Der Schlüs­sel zum Zusam­men­le­ben ist, „zur Ver­nunft zu spre­chen“. Und wei­ter: die wah­ren Kri­te­ri­en zu erken­nen, ver­ste­hen zu hel­fen, was zum Frie­den bei­trägt, die Ver­nunft anzu­spre­chen, wirk­lich ver­nünf­ti­ge Posi­tio­nen zu unter­stüt­zen und die wirk­lich ver­nünf­ti­gen Posi­tio­nen zu vertreten.

Bei den Tref­fen mit den Mos­lems in Jor­da­ni­en poch­te er dar­auf, daß die Reli­gi­on aus ver­nünf­ti­gen Grün­den gegen Gewalt gegen Men­schen ist, um hin­zu­fü­gen, daß Reli­gi­on „jede Form von Gewalt und Tota­li­ta­ris­mus ablehnt: nicht nur aus Glau­bens­grund­sät­zen, son­dern auch auf der Grund­la­ge der Ver­nunft“. Die Ver­nunft drän­ge dazu, „dem All­ge­mein­wohl zu die­nen“, und die „Men­schen­wür­de zu respek­tie­ren, die die Grund­la­ge der uni­ver­sa­len Men­schen­rech­te“ bildet.

Doch weder im Westen noch in der isla­mi­schen Welt gab es aus­rei­chend Kräf­te, die die­sen Anstoß auf­grif­fen und die Fra­ge dis­ku­tier­ten. Statt des­sen wird eine enge, kon­flikt­ge­la­de­ne Anti-Hal­tung beför­dert, die abwech­selnd oder zusam­men vor­gibt einen a‑religiösen Westen oder Isra­el zu ver­tei­di­gen. Eine Hal­tung, die sowohl was die Moti­ve als auch die Ziel­set­zung anbe­langt, zu kurz greift und vor allem wenig lösungs­ori­en­tiert ist. In den euro­päi­schen Demo­kra­tien, in denen Mil­lio­nen Mos­lems leben und Pres­se- und Mei­nungs­frei­heit herr­schen, ist es nicht anders. Auch hier sind selbst­auf­er­leg­te Tabus vorherrschend.

Tabus im Sin­ne von Denk- und Dis­kus­si­on­ver­bo­ten brin­gen aber sel­ten Gutes hervor.

Bild: Asia­news

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