(Rom) Die Nuova Bussola Quotidiana, unter der Leitung von Riccardo Cascioli und unterstützt vom bekannten Soziologen und ehemaligen OSZE-Repräsentanten gegen Diskriminierung und Intoleranz gegen Christen Massimo Introvigne, dem Erzbischof von Ferrara, Msgr. Luigi Negri, Radio Maria und Lebensrechtsgruppen, führte ein Gespräch mit dem Priester der Diözese Rom, Ariel S. Levi di Gualdo (Jg. 1963) über Homosexualität in der Kirche. Dem Thema hatte der jüdische Konvertit ein ausführliches Kapitel in seinem jüngsten Buch Und der Teufel machte sich dreieinig. Relativismus, Individualismus, Ungehorsam: Analyse der katholischen Kirche im dritten Jahrtausend gewidmet.
In seiner Weihnachtsbotschaft an die Römische Kurie hatte Papst Benedikt XVI. am 21. Dezember die Gender-Ideologie einem vernichtenden Urteil unterzogen. Der Papst bezeichnete sie gleichzeitig als Bedrohung für den Glauben und die Kirche. Levi di Gualdo prangerte heute in einem Gastkommentar für Nuova Bussola Quotidiana an, daß die theologische Zeitschrift Concilium, das Flaggschiff der Progressiven, jüngst mit wohlwollenden Tönen eine ganze Ausgabe (Nr. 4/2012) der Gender-Ideologie gewidmet hat. Jener Ideologie, die Papst Benedikt XVI. explizit als gegen Gott gerichtet bezeichnete. Mit ihren elf Ausgaben in ebensovielen Sprachen ist Concilium eines der international einflußreichsten theologischen Foren. Angesichts dieser Tatsache, so Levi di Gualdo, werde man sich erst der ganzen Tragweite jener Aussage des Papstes bewußt, wenn er nicht nur von einem äußeren Feind spricht, sondern auch und gerade von einem inneren.
Don Ariel, Sie bezeichnen die Homosexualität im Inneren der Kirche als „Via crucis“. Warum?
Die Präzisierung „innerhalb der Kirche“ ist wichtig, da ich nie gegen die Homosexuellen als solche gekämpft habe. Ich habe immer jeden Menschen mit homosexuellen Tendenzen, der sich mir genähert hat, mit größtem Respekt behandelt. Einige baten mich um geistlichen Beistand, andere kamen in meinen Beichtstuhl, aus dem keiner ohne Absolution entlassen wurde. Meine Aufgabe ist es, die Gnade und die Vergebung Gottes zu verwalten. Die Motive und sozio-psychologischen Einflüsse sind zahlreich, die die Jugend des 21. Jahrhunderts zu einem Lebensstil verleiten, für den ich nicht gerne die Worte „schlecht“ oder „ungeordnet“ verwende. Ich bevorzuge die väterlichere Form und spreche lieber von „nicht-christlichem Lebensstil“, indem ich an das Herrenwort denke: „Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes“ (Mt 21,32). Aus diesem Grund schreibe ich: „Die Homosexuellen sind vielleicht noch mehr mit dem Paradies vereinbar, als andere Arten von Sündern, die häufig von der besten katholischen Moral mit viel Diplomatie toleriert werden. Sie sind es aber nicht mit dem Priestertum, inmitten einer männlichen Welt, die aus Männern besteht, von denen psychisches Gleichgewicht und sexuelle Enthaltsamkeit verlangt wird, die erreichbar ist, aber nicht leicht erreichbar und nicht leicht beizubehalten ist.“
Als ich zum Priester geweiht wurde, forderte mich der Bischof auf: „Sei immer du selbst.“ Wie aber kann man zu einem homosexuellen Priester sagen: „Sei immer du selbst?“ Oder kann man vielleicht das Priestertum auf eine Fiktion aufbauen, auf ein Doppelleben? Statt mit dem Herrn wie die Jünger auf der Straße nach Emmaus zu gehen (Lk 24,13–35), werden sich homosexuelle Priester ständig auf einer selbstbezogenen Via Crucis befinden, die sie nicht zum weggewälzten Stein des leeren Grabes führen wird. Die Folge ist ein schwerer Schaden für sie selbst und für die Kirche. Das alles nicht, weil sie Personen mit homosexuellen Tendenzen sind, denen Vergebung, Gnade und Heil nicht verschlossen sind, sondern weil sie nicht frei und froh sie selbst sein können. Deshalb läuft der homosexuelle Priester, im Gegensatz zum homosexuellen Laien ernsthaft Gefahr, daß ihm Vergebung, Gnade und Seelenheil verschlossen bleiben.
Weshalb haben Sie sich entschlossen, dieses Phänomen öffentlich anzuprangern? Welche Ziele haben Sie sich damit gesetzt? Manche werden sagen: Wäre es nicht besser gewesen, den Mantel des Schweigens darüberzubreiten?
Weil mein göttlicher „Arbeitgeber“, das fleischgewordene Wort, um die Wahrheit besser verkünden zu können, unsere menschliche Natur angenommen hat. Die göttliche Wahrheit nimmt in Jesus und durch Jesus Gestalt in einem Körper an, hat ein Gesicht, eine Gestik und Mimik vor den großen Menschenansammlungen, die ihm zuhörten und nachfolgten. Der Satz: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14), will sagen, die Wahrheit ist sichtbar, ja greifbar geworden. Diese in den Evangelien enthaltene Konkretheit zeigt uns eine Verhaltens- und Handlungsweise, zum Beispiel: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde“ (Mt 18,4–7; Lk 9, 38–47). Aus diesem Grund kläre ich im ersten Teil des Buches auf, was die Nächstenliebe ist und daß diese ohne die Wahrheit und die Gerechtigkeit unbegreiflich bleibt. Wann immer notwendig, ist die Nächstenliebe zu praktizieren, was konkret auch bedeutet, die Lehre und die Autorität der Kirche wiederherzustellen. Dies nicht zu tun, führt zur Korruption der Idee der Nächstenliebe, indem sie, nachdem sie von ihrem eigentlichen Sinn entleert wurde, in eine Parodie verwandelt wird. Wenn sich die christologische Nächstenliebe in eine klerikale „Nächstenliebe“ verwandelt, entsteht tausendfaches erbärmliches Schweigen, die letztlich darauf abzielen, das wirklich Göttliche durch das wahrscheinlich Menschliche zu ersetzen.
Das Ziel, das ich mir als Mensch und Priester setze, ist es, lebendiger, teilhabender Diener der Wahrheit, des fleischgewordenen Wortes zu sein. Die harten und direkten Worte Jesu gegen die Unsitten der korrupten Macht der dekadenten jüdischen Priesterschaft seiner Zeit, brachten ihn zum Scheitern am Kreuz, aber kurz darauf zur Herrlichkeit der Auferstehung, denn Jesus, das Wort, „war Gott“ (Joh 1,1). Heute würde Jesus gegen die Unsitten der korrupten Macht eines dekadenten katholischen Klerus dieselben Worte gebrauchen: „Schlangenbrut“ (Lk 3,7), „ihr seid wie die Gräber“ (Mt 23,27). Wenn er in jenen Ableger von Sodom und Gomorrha käme, in den einige den Vatikan soweit verwandelt haben, den Papst zur Aussage zu veranlassen: „Betet, daß ich nicht aus Angst vor den Wölfen fliehe“ (Predigt vom 24. April 2005), wer weiß, wieviele Geißelstreiche er den modernen Tempelhändlern verabreichen würde (Mk 11,15–19). Er würde wohl nicht nur mit den Worten des Propheten Jeremia rufen: „Ist denn in euren Augen dieses Haus, über dem mein Name ausgerufen ist, eine Räuberhöhle geworden?“ (Jer 7,11). Vielleicht würde er sagen: „Eine Spelunke von Räubern und ein Bordell von vom Weihrauch berauschten Homosexuellen inmitten von Spitzen und Barockparamenten“. Und erneut würde er den Sanhedrin und das Kreuz erleben. Und wer weiß, wieviele Bischöfe, Priester und Theologen ihn der Überheblichkeit bezichtigen würden, ihm jede Glaubwürdigkeit absprechen und behaupten würden, er habe gar kein Recht zu sprechen: „Ist er nicht der Sohn eines Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria?“ (Mt 13,55).
Welches sind die Ziele dieser Lobby? Welche Mechanismen gebraucht sie?
Die Zerstörung der Kirche von innen, das ist offensichtlich! Vor einigen Jahren wurde ich zum Exorzisten ausgebildet. Mein Bischof beauftragte mich mit dieser Aufgabe, wenngleich ich sie bisher nur zwei Mal ausgeübt habe. Gegenüber angeblichen Fällen von Besessenheit bin ich sehr skeptisch. In fast allen Fällen handelt es sich um psychische Störungen, die den entsprechenden Fachärzten zuzuführen sind. Ich stand aber, wie angedeutet, bereits einem authentischen Fall gegenüber und meine wahrgenommen, nicht verstanden zu haben, wie sehr das Geheimnis des Bösen Intelligenz in Reinform ist, die niemand von uns mit den eigenen Kräften bekämpfen kann. Der Teufel hat sogar den fleischgewordenen Gott versucht (Mt 4,1–11, Mk 1,12–13, Lk 4,1–13). Um seine Ziele zu erreichen, gebraucht Satan raffinierte, übermenschliche Künste, indem er Verwirrung stiftet und Strukturen schafft, in denen die göttliche Ordnung auf den Kopf gestellt ist, durch die das Gute zum Bösen und das Böse zum Guten zu werden scheint, die Tugend Laster und das Laster Tugend, die gesunde Lehre zur Häresie, und die Häresie zur gesunden Lehre. Daraus haben sich die Metastasen entwickelt, die den kirchlichen Leib befallen haben. Sie verursachten mangelnde Führungsentschlossenheit auf den verschiedenen Ebenen in einer von einem gnostisch-theologischen Relativismus, einem überzogenen Individualismus und Ungehorsam gegen Papst und Bischöfe geschwächten Kirche. Dieser Mechanismus der Verdrehung zielt darauf ab, Gott durch das eigene Ich zu ersetzen. Es genügt gewissen Priester-Theologen in Anzug und Krawatte zuzuhören, die sich in der Nachkonzilszeit ihr persönliches egonomisches Konzil geschaffen haben und die von den Lehrstühlen auch der päpstlichen Universitäten nur ihr eigenes zweifelhaftes Lehramt lehren. Nicht von ungefähr lauten die am häufigsten gebrauchten Formeln: „Wie ich meine“, „wie ich geschrieben habe“, „wie ich sagte“.
Warum gibt es Ihrer Ansicht nach eine so massive Präsenz von Männern mit homosexuellen Tendenzen im Altarraum? Zieht das Priestertum diese Männer an oder trägt die Ausbildung in den Seminaren dazu bei, diese Tendenzen entstehen zu lassen? Woher rührt diese vermeintliche Kompatibilität zwischen dem geweihten Leben und einer homosexuellen Persönlichkeit?
In meinem Buch spreche ich von der Homosexualisierung der Kirche, die von komplexen historischen und sozialen Problemen herrührt. Ich bin 49 Jahre alt und denke an die Priester meiner Kindheit. Vor mir sehe ich nur Männer, die über jeden Verdacht erhaben sind. Wenn es gelegentliche Probleme gab, ging es um Frauen, manchmal bis zur Aufgabe des Priestertums. Dennoch ist Vorsicht geboten, sich vor der Verallgemeinerung zu hüten, der Klerus sei „damals“ gesünder gewesen. Die Gesellschaft war anders. Niemand hätte gewisse Homoneigungen hervorgekehrt. Um dieses Thema ernsthaft zu behandeln, braucht es vor allem Ehrlichkeit. Im Buch schreibe ich: „Nachdem lange angekränkelt vom Jansenismus auf die Sexualität geschossen wurde, als handle es sich um die Sünde aller Sünden, erleben wir heute den Rückstoß in die andere Richtung und wegen Taten und Unterlassungen, könnten wir Priester als am wenigsten Geeignete erscheinen, glaubwürdig über Sexualmoral und Bioethik zu sprechen, bedenkt man einerseits die zahlreichen Fälle von Priestern, die von sexueller Unordnung betroffen sind, die sie mit dem Priestertum und dem Bischofsamt unvereinbar sein lassen, zum anderen die Verletzungen der Menschenwürde, die auch innerhalb der Kirche vorkommen.“
Wir haben päpstliche Räte für Frieden und Gerechtigkeit, für die Familie, für die Gesundheit und die Bioethik geschaffen, doch es scheint, als habe sich der Wolf nur ein dickeres Fell übergezogen, aber nicht sein Laster verloren. Oder um es konkreter zu sagen: Als ich dem Vikariat von Rom mit Beweisen und Zeugen zur Anzeige brachte, daß sich ein Pfarrer mit Geld der Kirche einen Gruppe von Strichjungen hielt, wurde ich nicht nur von jener Basilika entfernt, sondern mir wurde sogar das Celebret für die Diözese Rom entzogen. Und das in der Diözese, dessen Bischof offiziell der Papst ist, der 2010 den Katholiken Irlands eine übertriebene Rücksicht auf die Kirche vorwarf und Angst vor Skandalen vorhielt, die dazu geführt hätten, daß die kanonischen Strafen nicht rechtzeitig und nicht mit ausreichender Strenge gegen jene Kleriker angewandt worden waren, die sich verfehlt hatten. Auf meine Eingaben, die ich bei verschiedenen römischen Dikasterien machte, einschließlich dem Staatssekretariat, erhielt ich nicht einmal eine Antwort. Das meine ich, wenn ich von den Mechanismen der Umkehrung spreche: Gerechtigkeit wird Ungerechtigkeit und Ungerechtigkeit wird Gerechtigkeit.
Die Wahrheit ist, daß seit Ende der 60er Jahre in den Seminaren die strengen Gleichgewichte zerbrochen sind, die auch auf Formen sexueller Repression beruhten. In nur 30 Jahren wurde die Glaubenslehre angegriffen und das depositum fidei in Frage gestellt. Alles wurde relativ oder Subjekt exzentrischer Experimente. Man braucht nur an die Liturgie denken oder an das, was, was einige die anthropologische Theologie nennen. Schließlich sind wir zur Homosexualisierung der Kirche und der Homosexualisierung der Macht gekommen. Es gilt so schnell als möglich die Seminare zu überdenken, die die künftigen Priester zu Klerikalen im Kopf, statt zu Christen im Herzen machen. Häufig fehlt es in den Seminaren an Erziehern, denn bevor man erzieht, ist es notwendig, selbst eine gesunde und solide Erziehung genossen zu haben. Aus diesem Grund habe ich mich mehrfach in der Situation befunden, junge, am Boden zerstörte Männer aufzulesen, zum Teil mitten in einer Glaubenskrise, weil sie als Heterosexuelle von mehr oder weniger homosexuellen Ausbildnern aus Seminaren geworfen worden waren, die offensichtlich homosexuelle Seminaristen schützten. Um erst gar nicht von bestimmten, alten Orden zu sprechen, die von oben auf den „armen“, „plebejischen“ Weltklerus herabblickten. Welche Lektionen erteilt das Leben, wenn es den Stolz von den Thronen stürzt! Heute, wenn man in das Noviziat bestimmter tausend Jahre alter Abteien oder in manche Mönchshochschule eintritt, muß man ja schon Angst haben, allein durch das Atmen eine Geschlechtskrankheit zu bekommen.
Um nicht zusperren zu müssen, sind bestimmte ehrwürdige Orden dermaßen herabgesunken, daß sie alle jene aufnehmen, die wir aus den Seminaren rauswerfen. Es scheint überflüssig zu erwähnen: wegen schwerwiegender moralischer Gründe. Diese vermeintliche Vereinbarkeit zwischen dem geweihten Leben und einer homosexuellen Persönlichkeit entsteht aus dieser Schieflage, die einen richtigen Putsch des Homosexualismus produziert hast. Oder um es roher auszudrücken: einige Seminaristen, die in den 70er und 80er Jahren in den Seminaren die ‚fromme Bruderschaft‘ anführten, sind heute Bischöfe, und kaum waren sie es, haben sie sich als erstes mit gleichgesinnten Subjekten umgeben, die systematisch in allen Schlüsselpositionen der Diözese eingesetzt wurden, einschließlich der Seminare, um sich gegenseitig zu schützen und zu reproduzieren“, indem die inhaltslos den Glauben ästhetisieren und die Kirche homosexualisieren.
Welche Abhilfe schlagen Sie zur Lösung des Problems vor?
Die apostolische Autorität. Das Wort „Autorität“ erschreckt, weil viele egomenische Theologen des „mehr Kollegialität“ und „mehr Demokratie“ sie mit Autoritarismus und autokratischer Willkür verwechseln: Gerade mit jenem Autoritarismus, der mit Aggressivität von den ultraprogressiven Gruppen vertreten wird oder von bestimmten sektiererischen Laienzusammenschlüssen gegenüber jene, die nicht so denken wie sie. Die Kirche ist rechtmäßiger Verwahrer einer Macht, die ihr von Gott anvertraut wurde und von der sie bei Bedarf entschieden Gebrauch machen muß, um jede Form von Anarchie in ihrem Inneren zu vermeiden. Mit dieser Macht ist nicht ein inquisitorischer Polizeistaat gemeint, sondern die entschlossene Verteidigung der Wahrheit gegen den Irrtum und die freche Rebellion von durch den Individualismus geblendeten Menschen. Der Heilige Stuhl hat verschiedene Dokumente und Verlautbarungen in diesem Sinn erlassen, aber von Tag zu Tag bin ich neu Zeuge ihrer Nicht-Anwendung. Wir stehen einer regelrechten Plage gegenüber. Da gibt es keine andere Lösung als so zu handeln, wie es uns das Evangelium sagt: „Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wird es weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle kommt. (Mt 5,29–30). Wir hingegen fahren fort, ein Kamillenextrakt in das Auge zu träufeln, indem wir uns mit der Vorstellung trösten, daß die Kirche „schon schlimmere Momente überstanden hat“. Das ist aber falsch, denn in früheren Epochen wurde die Kirche durch Kräfte von außen angegriffen, die auf mehr oder weniger zahlreiche Verräter in ihrem Inneren hoffen konnten. Heute wird sie aber nicht nur von außen angegriffen, sondern produziert in ihrem Inneren das Böse, das sie verzehrt, mit der Gefahr, aus ihr eine Institution der Sünde zu machen, die Sünde produziert. In welcher vergangenen Epoche ist etwas Vergleichbares geschehen? Nicht einmal zur Zeit Johannes XII., der 955 im Alter von nur 18 Jahren zum Papst gewählt wurde und mit 26 auf wenig erbauliche Weise gestorben ist.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre Anzeige? Wie haben Ihre Mitbrüder reagiert?
Dem Anschein nach mit völliger Gleichgültigkeit. Auf privater Ebene haben mich verschiedene Prälaten zu sich zitiert, die mir einhellig versicherten, daß ich damit der Wahrheit einen guten Dienst erwiesen habe. Jemand ging soweit, so schmeichelnde Ausdrücke zu gebrauchen, daß ich verlegen wurde, vielleicht ein Beweis dafür, daß der Teufel, wenn er an die Eitelkeit klopft, sich immer in Prada-Rot kleidet? Ausgezeichnet. Konkret jedoch, was haben diese solidarischen Komplimentenschmiede für die Verbreitung des Buches getan, das sie als „Dienst an der Kirche“ bezeichnet haben? Nichts. Obwohl sie wissen, daß ich unter dem Beschuß der homosexualistischen Scharfschützen der mächtigen Clerical-Gay-Mafia stehe, was haben sie unternommen, um sie zu entwaffnen oder mich zu schützen? Nichts. Zu Schlachtvieh reduziert zu werden, gehört zum Berufsrisiko von uns Priestern. Das ist dem von uns empfangenen Priestertum unauslöschbar eingeschrieben, weil wir gerufen sind, eins zu werden mit dem geopferten Lamm Christus Erlöser. Schließlich, wer ein wenig die wirkliche Essenz der Theologie und ihrer vielschichtigen Geschichte kennt, weiß, daß in 20 Jahrhunderten und nach zahlreichen Konzilen, in der gesamten Kirchengeschichte nur eine einzige Entscheidung mit einstimmiger Kollegialität, ohne Widerspruch und ohne Gegenstimme gefaßt wurde: „Da verließen ihn alle und flohen“ (Mk 14,50, Mt 26,54). Auf alle Fälle: ich werde nie allein sein. Christus ist immer mit mir. Er vertraut sich sogar meinen Händen an, um lebendiger Leib und lebendiges Blut zu werden, sichtbare Anwesenheit in seiner Kirche und Nahrung für das Volk Gottes. Könnte ich nicht froh sein im gegenwärtigen Leben und im künftigen, angesichts der Tatsache, daß ich ein Priester Christi bin und das in alle Ewigkeit sein werde?
Ich danke Eurer Internet-Tageszeitung für die Informationsarbeit, die Ihr zu diesem Thema betreibt, indem ihr die Mauer des Schweigens brecht, mit der diese epidemisches Drama umgeben ist. Christus wird es Euch vergelten und die Kirche wird nach großem und langem Leiden, Stück um Stück davon großen Nutzen ziehen.
Interview: Roberto Marchesini/Nuova Bussola Quotidiana
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Fides et Forma