(Vaduz) Das Parlament des Fürstentums Liechtenstein ändert die Verfassung. Im Namen der Religionsfreiheit ist die katholische Bevölkerung Liechtensteins, das sind 78 Prozent der 35.000 Einwohner seit gestern den religiösen Minderheiten gleichgestellt, die es in der kleinen konstitutionellen Monarchie im Rheintal zwischen der Schweiz und Österreich gibt. In Kraft tritt die Neuregelung allerdings erst 2013 nach einer zweiten Zustimmung durch das Landesparlament.
Katholiken, Reformierte, Lutheraner und Moslems gleichgestellt
Die katholische Kirche wird damit nicht mehr Staatskirche sein, offiziell „Landeskirche“ genannt, wie es die Verfassung bisher vorsieht. Sie steht dann auf einer Stufe mit den 11 Prozent Protestanten, die sich auf die Reformierten und die Lutheraner aufteilen, und mit den Moslems, die drei Prozent der Bevölkerung ausmachen. Diese drei Religionsgemeinschaften wurden nach einem längeren Prüfungsverfahren neben der katholischen Kirche gleichwertig anerkannt. 2,8 Prozent der Liechtensteiner bezeichnen sich als konfessionslos. Über weitere drei Prozent liegen keine Angaben zur Religionszugehörigkeit vor.
Artikel 37 II der liechtensteinischen Landesverfassung sah bisher vor, daß die katholische Kirche „Landeskirche“ war und den besonderen Schutz des Staates genoß. Mit einer deutlichen Mehrheit von 19 von 25 Stimmen votierte das Landesparlament für eine Verfassungsänderung. Eine Verfassungsänderung muß von mindestens zwei Drittel der Abgeordneten unterstützt werden und dies in doppelter Lesung. Erst das 2013 neugewählte Landesparlament wird sich in zweiter Lesung erneut mit der Verfassungsänderung befassen. Sollte auch dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür stimmen und Landesfürst Hans-Adam II. der Änderung zustimmen, wird sie Rechtskraft erhalten. Die Zustimmung des katholischen Fürsten gilt als sicher, wenn beide Seiten mit der Lösung einverstanden sind.
2013 neuzuwählendes Landesparlament muß noch einmal abstimmen
Ist die katholische Kirche der große Verlierer dieser Entscheidung, sind die Protestanten und die Moslems deren Nutznießer. Sie brauchen um keine Anerkennung mehr anzusuchen und erhalten nun direkten Zugang zu Geldmitteln durch die Religionsabgabe, die Mandatssteuer heißt. Ähnlich dem italienischen Abgabensystem zur Finanzierung der Religionsgemeinschaften haben die Bürger Liechtenstein künftig in der Steuererklärung anzugeben, welche Religionsgemeinschaft sie mit einer staatlich festgelegten Quote ihres zu versteuernden Einkommens finanziell unterstützen wollen. Sollte sich ein Bürger für keine Religionsgemeinschaft entscheiden, geht die gesetzlich vorgesehene Quote an den Staat.
Der katholische Religionsunterricht, der bisher fester Bestandteil des Lehrplans war, von dem sich andersgläubige Schüler abmelden konnten, gilt künftig nur mehr für die Primärschule. Keine Details sind noch über das neue Konkordat zwischen dem Fürstentum und dem Heiligen Stuhl bekannt, das die Trennung von Kirche und Staat regeln und das Verhältnis im Namen einer „Neutralität“ des Staates auf eine neue Grundlage stellen soll. Eine Einigung solle jedoch auch in diesem Bereich erzielt worden sein.
Erzbischof Haas forderte einvernehmliche Lösung und ein Konkordat
2007 begann der damalige Regierungschef Othmar Hasler von der Fortschrittlichen Bürgerpartei von Liechtenstein (FBP) die Diskussion über eine Verfassungsänderung zur Stärkung des religiös neutralen Staates. Die Kirche drängte umgehend auf eine einvernehmliche Lösung und verwahrte sich gegen eine einseitige Entscheidung durch den Staat. Vor allem drängte Erzbischof Haas auf den Abschluß eines Konkordats, das dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage verschaffen soll.
Erzbistum Vaduz erst 1997 nach progressiver Hetzjagd gegen Bischof Haas von Chur errichtet
Bis 1997 gehörte das Fürstentum zur alten Diözese Chur, die weite Teile der Schweiz umfaßt, neben Graubünden auch den Kanton Zürich. Nach innerkirchlichen Konflikten zwischen dem romtreuen, damaligen Bischof Wolfgang Haas und progressiven Teilen der Diözese wurde das Fürstentum aus der Diözese Chur herausgelöst und zur eigenständigen Diözese gemacht. Bischof Haas mußte den Bischofsstuhl von Chur räumen, um eine Abfallbewegung von Rom zu verhindern. Als Zeichen der Mißbilligung des progessiven Säbelrasselns wurde die neue Diözese Vaduz zum Erzbistum und Haas zum Erzbischof erhoben. Das Erzbistum Vaduz gilt heute als jene Diözese mit dem am besten ausgebildeten und rom- und glaubenstreuesten Klerus unter den Diözesen des deutschen Sprachraums.
Nach fünfjährigen Verhandlungen und einem Regierungswechsel von der FBP zur Vaterländischen Union (VU) stimmte das Parlament nun für eine Angleichung an die in der Europäischen Union geltenden Bestimmungen. Hinter der Religionsfrage, die eine Verfassungsfrage ist, stand auch die Frage nach dem Verhältnis des Fürstentums zur Europäischen Union. Ein Verhältnis, das durchaus konfliktbelastet ist, da die EU und einzelne EU-Mitgliedsstaaten das Fürstentum im Zusammenhang mit dessen Banken und Treuhandgesellschaften ins Visier nahmen. Das Fürstentum reagierte mit Transparenz und dem Bemühen, sich durch Angleichungen an die EU in finanzpolitischen Fragen aus deren Schußlinie zu nehmen. Regierungschef Klaus Tschütscher, seit 2009 im Amt, konnte mit seiner christlich-sozialen Vaterländischen Union die Verhandlungen abschließen und eine Verfassungsänderung herbeiführen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons