(Venedig) Heute kaum mehr vorstellbar, war das Klima, das der klassischen Form des Römischen Ritus entgegenwehte, vor wenigen Jahren noch wesentlicher rauer. Verstreut waren es einzelne Priester, die am Ritus festhielten, in dem sie zu Priestern geweiht worden waren. Meist waren es Einzelkämpfer, denen von der diözesanen Kirchenleitung hart zugesetzt wurde. Einer von ihnen war der Priester Don Siro Cisilino, dem es zu verdanken ist, wenn die Zelebration der Heiligen Messe im „Alten Ritus“ in Venedig nie abgebrochen ist. Ein kurzes Portrait soll seinen Weg schildern.
Wenige Monate vor seiner Wahl zum Papst verbot 1978 der damalige Patriarch von Venedig, Albino Kardinal Luciani, mit einer harten Stellungnahme die Zelebration des „Alten Ritus“ in der Stadt und in seiner ganzen Diözese. In der berühmten „Stadt auf dem Wasser“ hatte ein Priester, Don Siro Cisilino, trotz der 1965 einsetzenden liturgischen Umbrüche und der wenige Jahre später folgenden Liturgiereform am tridentinischen Ritus festgehalten.
Der 1903 in Pantianicco bei Udine in Friaul geborene Priester und Musikwissenschaftler wirkte als Seelsorger in der Lagunenstadt. Dort betreute er die schöne, am Canal Grande gelegene, 1718 im klassizistischen Stil über einem mittelalterlichen Vorgängerbau errichtete Kirche San Simeone Piccolo. Die Kirche ist den Aposteln Simeon und Judas Thaddäus geweiht. Um sie von der nahen Pfarrkirche zu unterscheiden, die dem Propheten Simeon geweiht ist, wird die Pfarrkirche San Simeone Grande genannt und die Kirche am Canal Grande San Simeone Piccolo. Die ältesten Belege beider Kirchen gehen auf das 10. Jahrhundert zurück.
Abrupte liturgische Umbrüche: 1965 Einführung der Volkssprache, 1969 des neuen Missale
Als am 7. März 1965 in Italien abrupt die Zelebration des heiligen Meßopfers in der Volkssprache eingeführt wurde, änderte Don Siro nichts an seiner Praxis. Er zelebrierte weiterhin auf Latein nach dem Missale von 1962. Der Priester hatte bereits zuvor mit innerem Unmut und hoher Sensibilität die verschiedenen, kleineren liturgischen Neuerungen als Vorboten eines radikalen Umbruchs registriert.
Als mit dem 1. Adventssonntag 1969 neben dem 1965 übersetzten Missale von 1962 ein noch weit tiefgreifender Eingriff erfolgte und ein völlig neues Missale eingeführt wurde, verweigerte sich Don Siro. Er ließ sich durch keine Angebote und keine Drohung dazu bringen, im neuen Ritus zu zelebrieren.
Exodus und Duldung in den Katakomben
Für Don Siro Cisilino brachen bewegte Zeiten an. Der Priester mußte wegen seiner Weigerung die Kirche am Canal Grande verlassen. Bei den Franziskanern der Stadt wurde ihm Gastrecht gewährt, um außerhalb der Meßzeiten, im wahrsten Sinn des Wortes im Stillen im Alten Ritus zelebrieren zu können.
Als 1976 der Fall des Erzbischofs Marcel Lefebvre und der von ihm gegründeten Priesterbruderschaft St. Pius X. „explodierte“ und die „Traditionalisten“ wie Sektierer verfolgt wurden, kündigten die Franziskaner die gewährte Gastfreundschaft. Obwohl Don Siro Erzbischof Lefebvre weder kannte noch Kontakte zu dessen Gemeinschaft hatte, wurde er das Opfer eines vorauseilenden Gehorsams. Er war den Franziskanern zu „heiß“ geworden.
Der Priester fand neues Gastrecht bei den Benediktinern auf der Insel San Giorgio gegenüber dem Dogenpalast. In der Totenkapelle, die er von den Mönchen zugewiesen bekam, überlebte gewissermaßen in den Katakomben die Messe Pius V. Die Benediktiner von San Giorgio waren zum Novus Ordo gewechselt, zelebrierten jedoch weiterhin auf Latein und pflegten den Gregorianischen Choral. Dieser Umstand ließ sie Verständnis für den heimatlosen Priester aufbringen, dem sie Asyl gewährten.
Wege der Vorsehung und die Rückkehr nach San Simeone Piccolo
Durch eine glückliche Fügung, Freunde Don Siros sprechen ohne Zögern von göttlicher Vorsehung, nahm der bekannte Kirchenmusiker Carlo Durighello an der bescheidenen Feier teil, die am 24. Juli 1977 zum 50. Priesterjubiläum Don Siros ausgerichtet wurde. Durighello hatte von der Kurie die Erlaubnis erhalten, die seit dem erzwungenen Weggang Don Siros geschlossene Kirche San Simeone Piccolo für kirchenmusikalische Konzerte nützen zu dürfen. Mit großem Aufwand hatte Durighello nötige Renovierungsarbeiten durchführen lassen.
Durch dieses Zusammentreffen, bei dem sich der Kirchenmusiker und der Musikwissenschaftler zum ersten Mal begegneten, kam es, daß Durighello Don Siro einlud, wieder in seine alte Kirche zurückzukehren. Nach einer ersten Meßfeier im August 1977 verlegte der traditionsverbundene Priester seinen Meßort Ende November ständig an den Canal Grande zurück. Die Rückkehr bedeutete auch ein Heraustreten aus den Katakomben von San Giorgio und neue Sichtbarkeit für den Alten Ritus. Unter dem herrschenden Klima jener Zeit ein gewagter Schritt, der Don Siro nicht leichtfiel. Er mag neue Schwierigkeiten geahnt haben.
Bald sprach es sich herum, daß nach Jahren in der Stadt wieder eine zugängliche Messe im „Alten Ritus“ zelebriert wurde. Die Zahl der Gläubigen, die nach San Simeone Piccolo strömten, wurde immer größer.
Albino Kardinal Luciani, der spätere Papst Johannes Paul I., verbietet die Alte Messe
Die Ruhe währte nicht lange. Nur wenige Monate später brach der Sturm los. Der damalige Patriarch von Venedig, Albino Kardinal Luciani teilte in einem Schreiben vom 20. Februar 1978 mit, daß „die Zelebration der Messe more antiquo in der Kirche San Simeone Piccolo und auf dem Gebiet der gesamten Diözese“ kategorisch verboten ist. Der Patriarch erlaubte Don Siro „die heilige Messe more antiquo nur in seinem eigenen Haus zu zelebrieren“, das heißt in seinen privaten Räumen und ohne Teilnahme von Gläubigen. Das war das einzige Zugeständnis.
Im diözesanen Amtsblatt (Rivista diocesana del Patriarcato di Venezia, Ausgabe April-Mai 1978, S. 167) erinnerte die Kurie in einer Verlautbarung: „Der Patriarch hat vor kurzem verboten, daß in San Simeone Piccolo – das gegen den Protest des zuständigen Pfarrers, des Vikars und anderer Gläubiger zum rendenz-vous der Bewegung Una Voce geworden ist – die sogenannte Messe des hl. Pius X. zelebriert wird.“ Zumindest das Verbot, daß in der gesamten Diözese nicht mehr im Alten Ritus zelebriert werden durfte, war weggefallen. Don Siro mußte San Simeone Piccolo zum zweiten Mal verlassen, konnte aber zumindest zur Feier der Heiligen Messe auf die Insel San Giorgio zu den Benediktinern zurückkehren.
Früher Tod Johannes Pauls I. rettet Zelebration am Canal Grande
Nach dem Tod Papst Pauls VI. wurde der Patriarch von Venedig im Konklave am 26. August 1978 zum neuen Papst Johannes Paul I. gewählt. Sein früher Tod mit einem nur 33 Tage dauernden Pontifikat hatte zur Folge, daß sowohl der Patriarchenstuhl von Venedig als auch die Kathedra Petri in Rom vakant waren. Diese doppelte Vakanz erlaubte es, stillschweigend die Feier der Alten Messe in San Simeone Piccolo wieder aufzunehmen. Don Siro zelebrierte bis Ende 1984 in der schönen Kirche am Canal Grande gleich gegenüber dem Bahnhof der Stadt die Heilige Messe im tridentinischen Ritus. Gesundheitlich schwer gezeichnet, nicht zuletzt wegen der harten Kämpfe der zurückliegenden 20 Jahre, kehrte er schließlich in seine Heimat Friaul zurück, wo er am 4. März 1987 verstarb.
Liturgische Drangsal bis über den Tod hinaus
Doch selbst im Tod sollte ihm der liturgische Frieden verwehrt bleiben. Der verstorbene Priester hatte Zeit seines Lebens kein einziges Mal die Heilige Messe im Novus Ordo gefeiert. Sein Wunsch und Wille war es, im traditionellen Ritus beerdigt zu werden. Durch Erfahrung vorsichtig, machten seine Freunde die erzbischöfliche Kurie von Udine mehrfach darauf aufmerksam. Dennoch zelebrierte der damalige Erzbischof von Udine, Msgr. Alfredo Battisti, ohne zu zögern unter Verletzung des letzten Willens des Verstorbenen in jenem neuen Ritus, am Volksaltar und versus populum, den Don Siro gemieden hatte.
Don Siro hatte durch sein Beharrungsvermögen den Faden der Meßfeier im „Alten Ritus“ in Venedig nie abbrechen lassen. Die Heilige Messe im tridentinischen Ritus konnte auch nach seinem Weggang in San Simeone Piccolo fortgesetzt werden, da sich andere Priester fanden, die dem Beispiel Don Siros folgten. Auf diese Weise konnte in Venedig die Zelebration im klassischen Ritus ununterbrochen fortgesetzt werden bis herauf in das Jahr 2007, als Papst Benedikt XVI. mit dem Motu proprio Summorum Pontificum 2007 die „Messe aller Zeiten“ rehabilitierte und aus den Katakomben hervorholte, in die sie verbannt worden war.
Don Siro ein Brückenbauer bis Summorum Pontificum
Paolo Zolli, früh verstorbener Professor für Romanistik an der Universität Venedig und Weggefährte beschrieb die Leistung Don Siros mit den Worten: „In unwirtlichen Zeiten der Bedrängnis braucht es beherzte Menschen, die die Fackel weiter tragen, bis Gott bessere Zeiten schenkt.“ In Umsetzung des Motu proprio wurde 2008 vom damaligen Patriarchen, Angelo Kardinal Scola, dem heutigen Erzbischof von Mailand an der Kirche San Simeone Piccolo eine Personalpfarrei in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus errichtet, die von Pater Konrad zu Löwenstein von der Petrusbruderschaft betreut wird.
Text: Una Voce/Giuseppe Nardi
Bild: Friuli Online/New Liturgical Movement
Ein interessanter Artikel. Doch der Patriarch von Venedig war papsttreu, er lag ganz auf der Linie Paul VI.
Ohne das Verdienst einzelner Priester wie des hier Beschriebenen im geringsten schmälern zu wollen, muss ich jetzt doch auf Erzbischof Lefebvre zu sprechen kommen. Er war der wirkungsvollste Verteidiger der überlieferten Messe, und er hat sich nicht gescheut, dafür einen überaus schmerzlichen Preis zu zahlen.
Ich kann verstehen, dass Priester seiner Bruderschaft seine Entscheidung, Bischöfe zu weihen, um der Priesterbruderschaft St. Pius X. das Überleben zu sichern, nicht mittragen konnten. Ein Urteil steht mir auch nicht zu. Was ich mehr als undankbar finde, ist, dass sie ihn totschweigen. Ohne die FSSPX würde die FSSP nicht existieren. Die Kommission Ecclesia Dei entstand nach den Bischofsweihen, die Priester der entstehenden Bruderschaften wurden vorher von Erzbischof Lefebvre geweiht. Was wäre OHNE diesen Erzbischof aus der Messe aller Zeiten geworden?
Was ist „Messe aller Zeiten“?
Die Messe aller Zeiten ist nicht nur eine allgemeine Zustandsbeschreibung sondern „QUO PRIMUM“
…und genau so lautet der Titel jener Bulle, vermittels der Papst Pius V. die schon damals im Klerus wuchernden liturgischen Verirrungen, welche infolge des lutherischen Protest(antismu)s um sich griffen, für alle Zeiten und unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung abstellte,
Auszug daraus:
„…sie sollen nicht wagen, bei der Meßfeier andere Zeremonien und Gebete als die in diesem Missale enthaltenen hinzuzufügen oder vorzulesen. Und daß sie in allen Kirchen bei der gesungenen oder gelesenen Messe ohne Gewissensskrupel oder Furcht vor irgendwelchen Strafen, Urteilen und Rügen von nun an ausschließlich diesem Missale folgen, es unbefangen und rechtens zu gebrauchen imstande und ermächtigt sind, dazu geben Wir kraft Unserer Apostolischen Vollmacht für jetzt und für ewig Unsere Bewilligung und Erlaubnis. Ebenso setzen Wir fest und erklären: Kein Vorsteher, Verwalter, Kanoniker, Kaplan oder anderer Weltpriester und kein Mönch gleich welchen Ordens darf angehalten werden, die Messe anders als wie von Uns festgesetzt zu feiern, noch darf er von irgendjemandem gezwungen und veranlaßt werden, dieses Missale zu verändern, noch kann das vorliegende Schreiben irgendwann je widerrufen oder modifiziert werden, sondern es bleibt für immer im vollen Umfang rechtskräftig bestehen.….“
Deshalb ist die „alte“ Messe die Messe aller Zeiten, woran kein Papst und kein Bettelmann irgendetwas ändern kann!
Ein „Ordo“ und sei er noch so „novus“ kann aus diesem Grunde unmöglich erlaubt sein einzuführen.
Die Bulle QUO PRIMUM im vollen Wortlaut »> http://tinyurl.com/d832ar8
Freundliche Grüße und Gottes Segen
Stoßlüfter