„Ohne Geld keine Gnade“ – Harte Kritik an Kirchensteuer-Dekret der deutschen Bischöfe


(Bonn/​Rom) Mit schar­fen Wor­ten kri­ti­siert der Zusam­men­schluß papst­treu­er Ver­ei­ni­gun­gen (ZpV) das „Dekret“ der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz zur Kirchensteuer:

Stellungnahme des Zusammenschlusses papsttreuer Vereinigungen (ZpV) zum Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zur Kirchensteuer

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„Wel­cher Unter­schied besteht zur bis­he­ri­gen Pra­xis gegen­über Per­so­nen, die die Kir­che als Kör­per­schaft des Öffent­li­chen Rechts ver­las­sen haben? For­mal hat sich das Dekret der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz (DBK) vom 20.09.2012 an die Bestim­mun­gen des Päpst­li­chen Rates vom 19. April 2006 ange­passt, inhalt­lich gibt es kei­nen Unter­schied. Wäh­rend bis­her der Begriff „Exkom­mu­ni­ka­ti­on“ ver­wen­det wur­de, darf nach dem neu­en Dekret‚ die aus der Kir­che aus­ge­tre­te­ne Per­son … die Sakra­men­te der Buße, Eucha­ri­stie, Fir­mung und Kran­ken­sal­bung … nicht emp­fan­gen‘. Immer­hin hat man hier groß­zü­gi­ger Wei­se die Aus­nah­me ‚außer in Todes­ge­fahr“ gel­ten lassen.

Sakra­men­te sind dem­nach käuf­lich: Wer Kir­chen­steu­er zahlt, kann die Sakra­men­te emp­fan­gen. Das wider­legt auch kein histo­ri­scher Exkurs über die Her­kunft der Kir­chen­steu­er. Was die Bischö­fe hier dekre­tiert haben, erin­nert in fata­ler Wei­se an die Vor­gän­ge aus der Zeit Luthers, der bekannt­lich die Bin­dung von Gna­den­zu­sa­gen der Kir­che an Ablaß­käu­fe anpran­ger­te. Dass die Bischö­fe jetzt über Luther hin­aus­ge­hen, indem sie Sakra­men­te an Geld­lei­stun­gen bin­den, ver­leiht die­sem Akt eine eige­ne Brisanz.

In der Kir­che ist es offen­sicht­lich mög­lich, dass Häre­si­en ver­brei­tet wer­den, Theo­lo­gen in Memo­ran­den zum Unge­hor­sam gegen die Kir­che, vor allem gegen den Papst auf­ru­fen, Dia­log­pro­zes­se gött­li­che Gebo­te – Ver­bot der Ehe­schei­dung und Wie­der­ver­hei­ra­tung – nivel­lie­ren, soge­nann­te kirch­li­che Ver­ei­ne im Schutz­raum der Kir­che gegen sie ope­rie­ren: Ver­feh­lun­gen gegen das Depo­si­tum Fidei, also gegen das Glau­bens­gut der Kir­che fal­len nicht unter den Maß­nah­men­ka­ta­log der Deut­schen Bischö­fe. Nur die Ver­wei­ge­rung ein­zel­ner, aus Pro­test gegen Miß­stän­de der genann­ten Art aus der Steu­er­zah­l­er­ge­mein­schaft der Kir­che aus­zu­tre­ten, wird mit Sank­tio­nen geahn­det, die der Exkom­mu­ni­ka­ti­on gleich­zu­set­zen sind.

Was ist also der lei­ten­de Beweg­grund der Deut­schen Bischö­fe? Der schnö­de Mam­mon! Ver­söh­nung mit der Kir­che, wie es im gleich­zei­tig ver­öf­fent­lich­ten Pasto­ra­len Schrei­ben der DBK als Vor­la­ge für die zustän­di­gen Pfar­rer heißt, bedeu­tet, sich wie­der unter die Zah­ler ein­zu­rei­hen. Dazu bedarf es nicht des Bekennt­nis­ses des Glau­bens, es reicht die Zustim­mung, in Zukunft ordent­lich sei­ne Kir­chen­steu­er zu zah­len, um wie­der als voll­gül­ti­ges Mit­glied der Kir­che aner­kannt zu sein.

„Es steht geschrie­ben: ‚Mein Haus soll ein Haus des Gebe­tes genannt wer­den.‘ Ihr aber macht es zu einer Räu­ber­höh­le.“ (Mt 21,13)

Bonn, 21.09.2012, am Fest des hl. Apo­stels Matthäus

V.i.S.d.P.:
Rein­hard Dör­ner, Vorsitzender“

Am Sonn­tag, den 25. Sep­tem­ber 2011 for­der­te Papst Bene­dikt XVI. im Kon­zert­haus in Frei­burg im Breis­gau vor den ver­sam­mel­ten Ver­tre­tern des deut­schen Katho­li­zis­mus einen „revo­lu­tio­nä­ren“ Schritt der „Ent­welt­li­chung“. Die Wor­te waren eine unzwei­deu­ti­ge Auf­for­de­rung an die deut­sche Kir­che ihren Reich­tum nicht als Macht- und Druck­mit­tel ein­zu­set­zen, auch nicht gegen­über Rom, und sich aus dem Kir­chen­steu­er­sy­stem zu lösen, das Hit­ler 1935 im Reichs­kon­kor­dat fest­ge­schrie­ben hat­te und das noch heu­te, wenn auch mit Unter­schie­den, die Kir­chen­zu­ge­hö­rig­keit sowohl in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land als auch in Öster­reich an die Ent­rich­tung der Kir­chen­steu­er kop­pelt. Wört­lich sag­te der Papst damals:

Auszug aus der Freiburger-Rede Papst Benedikts XVI. mit der Forderung nach Entweltlichung

„Um ihrem eigent­li­chen Auf­trag zu genü­gen, muß die Kir­che immer wie­der die Anstren­gung unter­neh­men, sich von die­ser ihrer Ver­welt­li­chung zu lösen und wie­der offen auf Gott hin zu wer­den. Sie folgt damit den Wor­ten Jesu: „Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin“ (Joh 17,16), und gera­de so gibt er sich der Welt. Die Geschich­te kommt der Kir­che in gewis­ser Wei­se durch die ver­schie­de­nen Epo­chen der Säku­la­ri­sie­rung zur Hil­fe, die zu ihrer Läu­te­rung und inne­ren Reform wesent­lich bei­getra­gen haben.
Die Säku­la­ri­sie­run­gen – sei es die Ent­eig­nung von Kir­chen­gü­tern, sei es die Strei­chung von Pri­vi­le­gi­en oder ähn­li­ches – bedeu­te­ten näm­lich jedes­mal eine tief­grei­fen­de Ent­welt­li­chung der Kir­che, die sich dabei gleich­sam ihres welt­li­chen Reich­tums ent­blößt und wie­der ganz ihre welt­li­che Armut annimmt. Damit teilt sie das Schick­sal des Stam­mes Levi, der nach dem Bericht des Alten Testa­men­tes als ein­zi­ger Stamm in Isra­el kein eige­nes Erb­land besaß, son­dern allein Gott selbst, sein Wort und sei­ne Zei­chen als sei­nen Los­an­teil gezo­gen hat­te. Mit ihm teil­te sie in jenen geschicht­li­chen Momen­ten den Anspruch einer Armut, die sich zur Welt geöff­net hat, um sich von ihren mate­ri­el­len Bin­dun­gen zu lösen, und so wur­de auch ihr mis­sio­na­ri­sches Han­deln wie­der glaubhaft.
Die geschicht­li­chen Bei­spie­le zei­gen: Das mis­sio­na­ri­sche Zeug­nis der ent­welt­lich­ten Kir­che tritt kla­rer zuta­ge. Die von mate­ri­el­len und poli­ti­schen Lasten und Pri­vi­le­gi­en befrei­te Kir­che kann sich bes­ser und auf wahr­haft christ­li­che Wei­se der gan­zen Welt zuwen­den, wirk­lich welt­of­fen sein. Sie kann ihre Beru­fung zum Dienst der Anbe­tung Got­tes und zum Dienst des Näch­sten wie­der unbe­fan­ge­ner leben. Die mis­sio­na­ri­sche Pflicht, die über der christ­li­chen Anbe­tung liegt und die ihre Struk­tur bestim­men soll­te, wird deut­li­cher sicht­bar. Sie öff­net sich der Welt, nicht um die Men­schen für eine Insti­tu­ti­on mit eige­nen Macht­an­sprü­chen zu gewin­nen, son­dern um sie zu sich selbst zu füh­ren, indem sie zu dem führt, von dem jeder Mensch mit Augu­sti­nus sagen kann: Er ist mir inner­li­cher als ich mir selbst (vgl. Conf. 3, 6, 11). Er, der unend­lich über mir ist, ist doch so in mir, daß er mei­ne wah­re Inner­lich­keit ist. Durch die­se Art der Öff­nung der Kir­che zur Welt wird damit auch vor­ge­zeich­net, in wel­cher Form sich die Welt­of­fen­heit des ein­zel­nen Chri­sten wirk­sam und ange­mes­sen voll­zie­hen kann.
Es geht hier nicht dar­um, eine neue Tak­tik zu fin­den, um der Kir­che wie­der Gel­tung zu ver­schaf­fen. Viel­mehr gilt es, jede blo­ße Tak­tik abzu­le­gen und nach der tota­len Red­lich­keit zu suchen, die nichts von der Wahr­heit unse­res Heu­te aus­klam­mert oder ver­drängt, son­dern ganz im Heu­te den Glau­ben voll­zieht, eben dadurch daß sie ihn ganz in der Nüch­tern­heit des Heu­te lebt, ihn ganz zu sich selbst bringt, indem sie das von ihm abstreift, was nur schein­bar Glau­be, in Wahr­heit aber Kon­ven­ti­on und Gewohn­heit ist.“

Der Aus­stieg aus dem Reichs­kir­chen­steu­er­sy­stem wird von katho­li­schen Krei­sen, die Anstoß an zwei­fel­haf­ten Initia­ti­ven in ein­zel­nen Diö­ze­sen neh­men, sich aber mit Rom ver­bun­den füh­len, schon seit län­ge­rem gefor­dert. Wenn sie ihre Kir­chen­ab­ga­be direkt nach Rom über­wei­sen wol­len, aber nicht laut Hit­ler­schem Kir­chen­steu­er­sy­stem an ihre Diö­ze­se, wer­den sie auto­ma­tisch exkom­mu­ni­ziert. Eine Pra­xis, die umstrit­ten ist und von kir­chen­treu­en Krei­sen sogar als „Skan­dal“ bezeich­net wird.
Die deut­sche Bischofs­kon­fe­renz beeil­te sich nach der Papst-Rede einen Zusam­men­hang zwi­schen der Ent­welt­li­chungs-Auf­for­de­rung des Pap­stes und dem Kir­chen­steu­er­sy­stem in Abre­de zu stellen.

Die Fra­ge stand jedoch durch die auf­se­hen­er­re­gen­de Rede des Pap­stes unaus­weich­lich auf der Tages­ord­nung. Was im ver­gan­ge­nen Jahr hin­ter den Kulis­sen gesche­hen ist, läßt sich der­zeit nur in Ansät­zen rekon­stru­ie­ren. Die Aner­ken­nung eines von der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz aus­ge­ar­bei­te­ten Dekrets durch die römi­sche Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe, das am 20. Sep­tem­ber 2012 in Kraft trat und das fak­tisch an der bis­he­ri­gen Pra­xis nichts ändert, bestä­tigt zunächst vor allem eines, den Unwil­len der deut­schen Bischö­fe, der Auf­for­de­rung des Pap­stes nach Ent­welt­li­chung nachzukommen.

Die gemein­sa­me „Erklä­rung“ der betrof­fe­nen Bischö­fe, die ein Jahr nach dem Papst­be­such ver­öf­fent­licht wur­de, um an die­sen zu erin­nern, redu­ziert die Frei­bur­ger-Rede Bene­dikts XVI. auf einen nichts­sa­gen­den Satz: „Aus­drück­lich wür­dig­te der Hei­li­ge Vater das ehren­amt­li­che Enga­ge­ment so vie­ler Men­schen in unse­rer Kir­che.“ Von der gera­de­zu dra­ma­ti­schen Auf­for­de­rung sich zu ent­welt­li­chen, fin­det sich kein Wort in der vom Sekre­ta­ri­at der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz aus­ge­ar­bei­te­ten „Erklä­rung“.

Es stellt sich zudem die Fra­ge nach der kir­chen­recht­li­chen Zustän­dig­keit der deut­schen Bischö­fe in der Fra­ge der Exkom­mu­ni­ka­ti­on, die an die Bezah­lung der mit dem Staat ver­ein­bar­ten Kir­chen­steu­er gekop­pelt ist. Eben­so nach jener der Kon­gre­ga­ti­on für die Bischö­fe der Römi­schen Kurie. In kir­chen­treu­en Krei­se macht das Wort der „Erpres­sung“ die Run­de. Dem­nach hät­ten die deut­schen Bischö­fe aus­ge­rech­net den Stein des Ansto­ßes als Druck­mit­tel gegen Rom ein­ge­setzt. Der Ein­druck ist schwer­wie­gend: Rom ging vor den deut­schen Bischö­fen in die Knie.

Die abschlie­ßen­de Fra­ge ist, was in die­sem Do ut des-Spiel zwi­schen Rom und der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz Rom erhält. Mit ande­ren Wor­ten, in wel­chen Fra­gen haben sich die deut­schen Bischö­fe als „Gegen­lei­stung“ ver­pflich­tet, nachzugeben?

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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4 Kommentare

  1. Mich beun­ru­higt nur noch Rom. Eine klei­ne Auf­zäh­lung: Beim Tref­fen des Prie­ster­netz­wer­kes ermahnt sie der Apo­sto­li­sche Nun­ti­us, den Bischö­fen gegen­über gehor­sam zu sein, oder zu ver­trau­en. Dabei haben sich die­se rom­treu­en Prie­ster zusam­men­ge­schlos­sen, gera­de weil sie zu oft von den Bischö­fen im Stich gelas­sen werden.
    Die Ver­hand­lun­gen mit der Pius­bru­der­schaft, die Hoff­nun­gen auf eine Eini­gung mach­ten, sind wahr­schein­lich auf den Stand von 1976 zurück­ge­fal­len – mit den nach­ge­scho­be­nen For­de­run­gen, denen schon Erz­bi­schof Lefeb­v­re nicht zustim­men konnte.
    Uner­klär­li­che Ernen­nun­gen inner­halb der Kurie – und jetzt geht die­ses „Schand-Dekret“ durch, das zur gro­ßen Frei­bur­ger Kon­zert­haus­re­de des Hei­li­gen Vaters ein ein­zi­ger Wider­spruch ist.
    Was ist in Rom los?

  2. @ Sie haben voll­kom­men recht. Ins­be­son­de­re wird die Hal­tung von Erz­bi­schof Ger­hard Lud­wig Mül­ler zu ver­fol­gen sein, der sich ja gera­de in der Kir­chen­steu­er­fra­ge bis­lang als dezi­dier­ter Ver­dei­di­ger des „deut­schen Son­der­wegs“ her­vor­ge­tan hat.

  3. Erz­bi­schof Mül­ler ist der Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis der Fra­ge, was in Rom los ist. Mit sei­ner Ernen­nung zum Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on hat der hl. Vater am Vor­abend einer Eini­gung mit der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. (ich erin­ne­re an die fast schon eupho­ri­schen Wor­te von Pater Pfluger beim Spes Uni­ca Sonn­tag in Hat­ters­heim) eine radi­ka­le Kehrt­wen­de voll­zo­gen, deren Aus­wir­kun­gen auch in ande­ren Berei­chen als in den Ver­hand­lun­gen mit der Bru­der­schaft nach und nach sicht­bar werden.

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