Freiburg: Wenn die „Aasgeier“ in Deutschland die „Raben“ im Vatikan ausnützen


(Vati­kan) Die deut­sche Spra­che ist um einen Begriff rei­cher gewor­den. In den ver­gan­ge­nen Wochen wur­de in den deut­schen Medi­en viel über die „Cor­vi“ geschrie­ben. Was sich hin­ter dem ita­lie­ni­schen Wort ver­birgt, wis­sen inzwi­schen die mei­sten Jour­na­li­sten und vie­le deut­sche Leser und Fern­seh­zu­schau­er. Die „Cor­vi“ sind die Raben und gemeint sind damit Intri­gan­ten und Ver­rä­ter. Die Ver­rä­ter gehen im Vati­kan um. Intri­gen im Vati­kan trei­ben auch deut­sche Jour­na­li­sten um und regen deren Phan­ta­sie an.

Es ist immer der Kammerdiener

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Je grö­ßer die Sache auf­ge­bla­sen wur­de, desto mehr freu­ten sich die Medi­en­bos­se. Bald war von invol­vier­ten Kar­di­nä­len die Rede, wur­den ver­schie­de­ne Kon­flikt­li­ni­en mit­ein­an­der ver­knüpft, die in kei­ner­lei Zusam­men­hang mit­ein­an­der ste­hen. Papst Bene­dikt XVI. war wegen des Ver­trau­ens­bru­ches schwer ent­täuscht und for­der­te Auf­klä­rung. Die Gen­dar­me­rie des Kir­chen­staa­tes kam dem „Cor­vo“, dem schwar­zen Raben schnell auf die Schli­che und ver­haf­te­te – Kri­mi­freun­de hät­ten es bereits geahnt – den Kammerdiener.

Die Ermitt­lun­gen sind im vol­len Gan­ge. Sie ver­lau­fen schnell und vor allem dis­kret. Mit ande­ren Wor­ten so ganz anders als übli­cher­wei­se jene im den Kir­chen­staat umge­ben­den Ita­li­en. Wie Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di bekannt­gab, bestehe kein Zwei­fel, daß Pao­lo Gabrie­le kein „Sün­den­bock“ ist. Im Vati­kan will man jedoch Klar­heit über die Hin­ter­män­ner haben. Daß Gabrie­le ein ange­stif­te­ter Täter war, dar­an besteht hin­ter den Leo­ni­ni­schen Mau­ern des Kir­chen­staa­tes eben­falls kein Zweifel.

Vatikan will Klarheit über Hintermänner – Die Suche könnte bei einem Journalisten enden

Der Vati­kan wird des­halb bald ein Rechts­hil­fe­an­su­chen an Ita­li­en rich­ten, denn dort­hin schei­nen die Fäden des schmut­zi­gen Fal­les zu ver­lau­fen. Der Hei­li­ge Stuhl, so Pater Lom­bar­di, wol­le „genau die Ver­ant­wort­lich­kei­ten ken­nen, die es über die Ein­zel­per­son“ des Kam­mer­die­ners hin­aus außer­halb des Vati­kans gebe.

Wäh­rend die Medi­en den Fall auf­pum­pen, könn­te hin­ter dem gan­zen Fall eine schä­bi­ge Schmie­ren­ko­mö­die stecken. Jene, in der der Kam­mer­die­ner eine zen­tra­le Rol­le spielt und als Gegen­part und Auf­trag­ge­ber mög­li­cher­wei­se jener Jour­na­list, der am mei­sten von dem gan­zen Skan­dal pro­fi­tiert hat durch sei­ne Fern­seh­sen­dung, in der er als erster ein Doku­ment vom Schreib­tisch des Pap­stes prä­sen­tie­ren konn­te, durch den seit­her gewon­ne­nen Bekannt­heits­grad und nicht zuletzt durch sein Buch, das – welch Zufall – erst den Skan­dal los­ge­tre­ten hat. Von Zehn auf Hun­dert könn­te man sagen. Er wäre nicht der erste Jour­na­list, der für Infor­ma­tio­nen bezahlt hätte.

Kei­ne (kirchen)politische Intri­ge, kei­ne Wei­chen­stel­lun­gen für das näch­ste Kon­kla­ve, kei­ne Kar­di­nä­le und kei­ne Mafia, kein Geheim­wis­sen, son­dern mög­li­cher­wei­se nur eine schä­bi­ge Akti­on eines sen­sa­ti­ons­hung­ri­gen Jour­na­li­sten und eines geld­gie­ri­gen Die­ners? Das dürf­te nicht weni­ge enttäuschen.

Während sich alles auf die Rabenjagd konzentriert, nützen Aasgeier die Gunst der Stunde

Wäh­rend also im Vati­kan die „Cor­vi“ ver­haf­tet wer­den, krei­sen über Deutsch­land die „Avvol­toi“, um beim deutsch-ita­lie­ni­schen Sprach­aus­tausch zu blei­ben. Die Aas­gei­er wer­fen ihren Schat­ten auf Deutsch­land und das beschäf­tigt den Vati­kan weit mehr als die Raben und ihre media­len Ver­stär­ker. In der Erz­diö­ze­se Frei­burg im Breis­gau, der Diö­ze­se des Vor­sit­zen­den der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, haben 150 Prie­ster ihren „Unge­hor­sam“ nach öster­rei­chi­schem Vor­bild ver­kün­det. In Rom spricht man von Aas­gei­ern, die sich nicht zu scha­de sind, für ihre Kam­pa­gne eine für die Kir­che medi­al ungün­sti­ge Situa­ti­on aus­zu­nüt­zen. Was die 150, die der Kir­che in den Rücken fal­len, so for­dern, muß an die­ser Stel­le nicht wie­der­holt wer­den. Der Vati­ka­nist Pao­lo Roda­ri schrieb im Zusam­men­hang mit dem Frei­bur­ger Aus­ritt von Deutsch­land als dem „anti-römisch­sten Land der Katho­li­zi­tät“. Wahr­lich kein schmei­cheln­der Titel, der sich histo­risch gera­de­zu naht­los in das Bild ein­fügt, das man jen­seits der Alpen durch Jahr­hun­der­te von Deutsch­land hat­te und das in der deut­schen Unru­he von Wien bis Basel, von Bozen bis Ham­burg mehr oder weni­ger Bestä­ti­gung zu fin­den scheint.

Wie sehr eine Grup­pe von zum Gehor­sam ver­pflich­te­ten Prie­stern das „sen­ti­re cum eccle­sia“ ver­lernt hat, haben die Frei­bur­ger bei­spiel­haft unter Beweis gestellt. Nur weni­ge Stun­den nach­dem Papst Bene­dikt XVI. beim Welt­fa­mi­li­en­tref­fen in Mai­land vor einer Mil­li­on Gläu­bi­gen erklär­te, daß „die Kir­che die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen nicht aus­schließt“, auch wenn die­se aus objek­ti­ven Grün­den nicht zur hei­li­gen Kom­mu­ni­on zuge­las­sen sind, presch­te die Frei­bur­ger Prie­ster­grup­pe vor, um ein­mal mehr das Gegen­teil zu behaup­ten. Denn Sub­jek­ti­vi­tät sticht Objek­ti­vi­tät heut­zu­ta­ge immer aus, so zumin­dest schei­nen es bun­des­deut­sche, öster­rei­chi­sche und Schwei­zer Rebel­len zu sehen. Der Zeit­geist setz­te der Kir­che zu jeder Epo­che ihrer Geschich­te hart zu und immer gab es Tei­le der Kir­che, die ihm in unter­schied­li­chem Grad erlagen.

Freiburger Priesterrebellen greifen in die Mottenkiste und finden die Würzburger Synode von 1975

Die Frei­bur­ger lie­ßen den Papst wis­sen, oder zumin­dest erst ein­mal die Medi­en, daß die Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen „ein beson­ders bren­nen­des Pro­blem“ sei, das nicht län­ger auf­ge­scho­ben wer­den kön­ne. Sie beru­fen sich dabei sogar auf eine Syn­ode von Würz­burg, die im nach­kon­zi­lia­ren Syn­odalei­fer 1975 in der frän­ki­schen Bischofs­stadt abge­hal­ten wurde.

Die Frei­bur­ger bemü­hen die „Dis­kri­mi­nie­rung“, die impli­zit durch bestimm­te Vor­schrif­ten der römi­schen Kir­che den wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen wider­fah­re. Die Stich­wor­te sind wohl­über­legt gewählt und offen­sicht­lich nicht für die Kir­che, son­dern für eine kir­chen­fer­ne Öffent­lich­keit bestimmt. Man sucht Applaus und ver­ständ­nis­vol­le Unter­stüt­zung durch die Medien.

Die „Fähigkeit“ zum non sentire cum ecclesia

Das posi­ti­ve an der rebel­li­schen Unru­he ist die Ehr­lich­keit, mit der ohne Ver­steck­spiel aus­ge­spro­chen wird, was ohne­hin zum Scha­den der Kir­che, ihrer Ord­nung und ihrer Ver­kün­di­gung längst alle wuß­ten, die es wis­sen woll­ten. Nun sind die Bischö­fe gefor­dert. Vor wel­che gro­ßen und wenig benei­dens­wer­te Schwie­rig­kei­ten sie dabei gestellt sind, kann nie­mand leug­nen. Die Rebel­len zwin­gen sie, zu han­deln und den alles zudecken­den, hin­aus­schie­ben­den Spa­gat zu beenden.

Ver­kürzt und den­noch wahr gilt auch hier: Lie­ber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Die Bischö­fe wer­den sagen müs­sen, wo objek­tiv die Linie gezo­gen ist, über die die Rebel­len nicht hin­aus­ge­hen kön­nen, ohne sich die vor­ge­se­he­nen Kir­chen­stra­fen zuzu­zie­hen und damit offen­zu­le­gen, ob sie noch katho­lisch sind und sein wol­len, oder ihre eige­ne Reli­gi­on „bau­en“.

Erz­bi­schof Zol­lit­sch war es, der weni­ge Tage bevor Papst Bene­dikt XVI. im Sep­tem­ber 2011 sei­nen Deutsch­land­be­such antrat, die „Hoff­nung“ äußer­te, daß sich – kon­kret gespro­chen – die Hal­tung der katho­li­schen Kir­che zu die­ser Fra­ge noch zu sei­nen Leb­zei­ten ände­re. Es sei eine Fra­ge der „Barm­her­zig­keit“, wie der Vor­sit­zen­de der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz mein­te. Der Wider­spruch aus Rom folg­te umge­hend. Besorgt ist der Hei­li­ge Stuhl den­noch: Bischö­fe, die sol­che  Ände­rung „erhof­fen“, wer­den kaum aus­rei­chend die katho­li­sche Leh­re zu die­sem The­ma ver­kün­den und ver­tei­di­gen. Ein Teil von deren Prie­stern ebensowenig.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Sigurà°ur Atlason/​Wikicommons

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1 Kommentar

  1. Lie­ber Bru­der Nar­di, ich kann Ihrem Kir­chen­bild lei­der nicht Fol­ge lei­sten, ohne die urkirch­li­chen Gemein­den zu ver­ra­ten. „Sen­ti­re cum eccle­sia – mit der Kir­che füh­len“ heißt doch, dem Wort und der Tat Jesu nach­fol­gen, des­sen Gemein­de die Kir­che ist. Kir­che ist kein geschlos­se­nes System, das auf Befehl und Gehor­sam auf­baut, Kir­che wird viel­mehr dort, wo Men­schen der befrei­en­den Bot­schaft des Evan­ge­li­ums fol­gen. Der Papst als Lei­ter der Kir­che ist nicht Herr der Kir­che, son­dern Die­ner der Freu­de für die, die im Glau­ben fest­ste­hen, so sieht es Pau­lus. Ihr unge­schicht­li­ches Den­ken zeigt sich auch, wenn Sie sich ahnungs­los zei­gen, dass der Papst als Pro­fes­sor 1972 genau das Gegen­teil von dem ver­tre­ten hat, was Sie heu­te als „katho­lisch“ bezeich­nen. War der jet­zi­ge Papst damals nicht katho­lisch? Oder gilt in Rom das Wort vom men­schen­freund­li­chen Gott und barm­her­zi­gen Vater nichts mehr.

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