Die Päpstliche Akademie für das Leben bewegt sich weiterhin auf dünnem Eis. An der Spitze der Akademie heißt es, eine „kleine Gruppe von Mitgliedern“ sei Schuld am schlechten Image der Akademie. Tatsächlich geht es im schon länger herrschenden Konflikt um die Klärung von grundsätzlichen Zweideutigkeiten in Zielsetzung und Auftrag der Akademie.
Hört man sich in der Päpstlichen Akademie für das Leben (PAV) um, bekommt man in diesen Tagen vielfach zu hören, daß eine „kleine Minderheit“ von Akademie-Mitgliedern „seit Jahren jede Initiative“ der Akademie kritisiere, die einen Dialog mit der Welt der Wissenschaft und der Forschung versuche. Damit sei es für den bioethischen Think Tank des Heiligen Stuhls schwierig, seinen Auftrag zu erfüllen.
Mitglieder kritisieren Veranstaltungen der Akademie
In den vergangenen Monaten spitzten sich die Polemiken rund um die Akademie zu. Ihren Höhepunkt erreichten sie mit der Rücktrittsforderung an den Präsidenten der Akademie, Msgr. Ignacio Carrasco de Paula, durch Josef Seifert und einer Protestnote mehrerer Akademiemitglieder. Der österreichische Philosoph Seifert ist Rektor der Internationalen Akademie für Philosophie in Liechtenstein und PAV-Mitglied.
Im Februar wurde eine von der PAV organisierte Tagung über Unfruchtbarkeit kritisiert, weil Referenten auftraten, deren Positionen nicht im Einklang mit der katholischen Lehre waren. Im März sagte die Akademie kurzfristig eine internationale Tagung über adulte Stammzellen ab. Offiziell hieß es, die Finanzierung sei nicht ausreichend abgedeckt gewesen. Tatsächlich erfolgte die Absage nach zwei Eingaben von Lebensrechtsgruppen gegen das vorgesehene Programm.
Interner Konflikt über Ausrichtung – Rücktritt des Präsidenten gefordert
Bereits in der Vergangenheit war es zu Problemen gekommen. Im Mittelpunkt stand ein Artikel des damaligen Akademie-Präsidenten Msgr. Rino Fisichella zur Abtreibung eines brasilianischen Kindes, das durch eine Vergewaltigung gezeugt worden war. Weitere Knackpunkte waren die Fragen, ob Organtransplantationen an „klinisch Toten“ durchgeführt werden könnten und damit zusammenhängend, was unter „Hirntod“ genau zu verstehen ist und welche ethischen Fragen sich daraus ergeben.
Innerhalb der Akademie stehen sich zwei Gruppen gegenüber. Eine Gruppe, die von der derzeitigen Führung als „kleine Minderheit“ bezeichnet wird, verteidigt einen konsequenten Kurs in den brennenden bioethischen Fragen und wendet sich gegen Zweideutigkeiten, von denen die Welt ausreichend von anderer Seite höre. Im Gesamtkontext sei es vordringliche Aufgabe und Auftrag, daß die Akademie für das Leben der katholischen Kirche in der Wirrnis der Positionen eindeutig identifizierbare Standpunkte vertritt.
„Dialog“ oder „Leuchturm“ – Was ist der Auftrag der Akademie?
Die andere Gruppe bemüht sich hingegen vor allem um einen Dialog mit dem vorherrschenden Wissenschafts- und Forschungsbetrieb. Aufgabe der Akademie sei es, mit der Welt im Dialog zu bleiben. Reiße der Diskussionsfaden ab, riskiere die Kirche isoliert zu werden, was ihre Stimme irrelevant mache. „Wir treten alle für das Lebensrecht ein. Wir brauchen aber auch einen Dialog, selbst mit den Ungläubigen“, heißt es im Umfeld der derzeitigen Akademie-Spitze, wie Vatican Insider berichtet.
Der Konflikt zwischen der derzeitigen Führung der Akademie und den der Lebensrechtsbewegung nahestehenden Mitgliedern ist inzwischen offen aufgebrochen. Die Akademieleitung wirft der „Minderheit“, wie sie bezeichnet wird, vor, „nicht den direkten Dialog“ mit der anderen Seite gesucht zu haben, sondern unmittelbar die Konfrontation. Die Minderheit sei mit ihrer Kritik sofort an die Öffentlichkeit gegangen oder habe sich an höherer Stelle beklagt.
Akademie keine „Super-Lebensrechtsbewegung“
Grund für den Konflikt seien Verständigungsschwierigkeiten über Aufgabe und Natur der Päpstlichen Akademie für das Leben. Die derzeitige Führung betont, daß es sich um eine „Akademie mit eigener Autonomie und Freiheit“ handelt und damit die Möglichkeit auch Referenten einzuladen, deren Position nicht mit jener der katholischen Kirche übereinstimmt. Sie wirft der „Minderheit“ vor, in der Akademie „eine Art von Super-Lebensrechtsbewegung“ zu sehen.
Aus dem Umfeld der Akademie-Leitung heißt es, die Statuten der PAV garantieren deren Autonomie: „Wenn wir eine Akademie sind, können wir auch irren. Nicht aber, wenn es unsere Aufgabe ist, nur die katholische Lehre zu bekräftigen.“
Die offiziellen Positionen der Akademie „findet man in unseren Publikationen“ und nicht in den Aussagen einzelner Referenten, die zu Akademie-Tagungen eingeladen werden, wie ein „hoher Vertreter der Einrichtung“ von Sandro Speciale zitiert wird. Die Situation ist noch um einiges komplexer, als hier dargestellt werden kann. Die Situation habe sich zugespitzt, seit die Glaubenskongregation die Akademie als ihren verlängerten Arm im Bereich Bioethik betrachte.
Die aufgeworfenen Fragen, die Kritik an Initiativen der Akademie und vor allem die grundsätzlichen Gegensätze über Natur und Auftrag der Akademie verlangen eine Klärung. Darin sind sich inzwischen beide Seiten einig. Eine solche Klärung muß nun durch die Glaubenskongregation, das Staatssekretariat und letztlich den Papst erfolgen. Dabei wird es vor allem darum gehen, offensichtlich derzeit herrschende Zweideutigkeiten in Zielsetzung und Ausrichtung der Akademie auszuräumen.
Rücktrittsfrage liegt „in Hand der vorgesetzten Stellen“
Zur Rücktrittsfrage des Akademie-Präsidenten Msgr. Ignacio Carrasco de Paula gibt es von der Akademie-Leitung keine Stellungnahme. Es heißt dazu nur, „die Angelegenheit liege nun in der Hand der vorgesetzten Stellen“. Konkret bedeutet dies, daß eine interne Überprüfung durchgeführt wird. Eine Absetzung der derzeitigen Akademie-Spitze und die Ernennung einer kommissarischen Leitung wird nicht ausgeschlossen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider